Barsbüttel/Reinbek. Auf der A1 hatte es einen schweren Unfall mit vier Verletzten gegeben. Jetzt mussten sich zwei Männer vor dem Amtsgericht verantworten.
Weil sie sich ein illegales Autorennen geliefert haben sollen, mussten sich am Dienstag zwei 31 und 22 Jahre alte Männer aus Hamburg in einem vor dem Amtsgericht Reinbek verantworten. Am Ende nahm der Prozess eine überraschende Wende.
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft sollen sie am 18. Juni 2022 gegen 21.45 Uhr mit zwei hochmotorisierten Fahrzeugen, einem Porsche Panamera und einem BMW Cabrio, bei der Anschlussstelle Barsbüttel auf die Autobahn 1 Richtung Hamburg gefahren sein. Trotz dichten Verkehrs sollen sie laut Anklage zu schnell unterwegs gewesen sein und Leib und Leben anderer gefährdet haben.
Illegales Autorennen auf der A1? Prozess in Reinbek nimmt überraschendes Ende
Der 22 Jahre alte Student, der in dem Porsche saß, soll laut Anklage in riskanten Fahrmanövern die Spuren gewechselt haben. Der 31 Jahre alte Fahrer des BMW soll ebenfalls risikohaft gefahren und infolgedessen mit einem Volkswagen Polo zusammengestoßen sein. Der Fahrer des VW und sein Beifahrer wurden leicht verletzt. Die Insassen des BMW erlitten bei dem Unfall ebenfalls leichte Verletzungen.
An den am Zusammenstoß beteiligten Autos entstand Totalschaden. Die Autos verkeilten sich ineinander und krachten in die Mittelleitplanke. Es entstand ein Sachschaden von etwa 20.000 Euro. Nach dem Porsche-Fahrer, der nicht an dem Unfall beteiligt war und weiterfuhr, fahndete die Polizei.
BMW-Fahrer vor dem Amtsgericht Reinbek: „Ich habe Mist gebaut“
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft seien die Männer verkehrswidrig und rücksichtslos gefahren, um möglichst hohe Geschwindigkeiten zu erreichen. Der 22-Jährige musste sich wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens, der 31-Jährige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs, gefährlicher Körperverletzung und verbotenen Kraftfahrzeugrennens verantworten.
Dass er „Mist gebaut“ habe, bestritt der Fahrer des BMW vor Gericht nicht. Über seinen Verteidiger ließ er erklären, dass er die volle Verantwortung für den Unfall trage, den er allein verursacht habe. Dafür wolle er geradestehen. Er bereue den Vorfall sehr und entschuldigte sich. Er habe einen Fehler gemacht und zur falschen Zeit Gas gegeben, die Pferde seien mit ihm durchgegangen.
Vorfall hat sich wohl anders zugetragen als zunächst angenommen
Im Vorfeld der Verhandlung hatte er Kontakt zu den geschädigten Insassen des VW aufgenommen und Schmerzensgelder in Höhe von 1500 und 1200 Euro gezahlt. Ein Autorennen wollen sich die Fahrer aber nicht geliefert haben. Das sah am Ende auch das Gericht so.
Die Beweisaufnahme machte deutlich, dass sich der Vorfall anders zugetragen hatte als in der Anklage zunächst angenommen. Das zeigten die Aussagen der Angeklagten sowie der gehörten Zeugen. Offenbar fand am Abend des Unfalls eine Grillparty statt, an der die Angeklagten teilgenommen hatten, ohne sich näher zu kennen.
Was genau auf der Autobahn geschah, konnte nicht geklärt werden
Man wollte gemeinsam zu einer Shisha Bar fahren, danach in einen Club in Hamburg. Die Gäste teilten sich auf drei Autos auf, eines fuhr mit kurzem Abstand vorweg, der Porsche mit drei Insassen und der BMW mit zwei Insassen hinterher.
Doch was genau passierte, als die Autos auf die A1 aufgefahren waren, konnte während der Verhandlung nicht zweifelsfrei geklärt werden. Gehört wurden die Insassen des Porsche, des BMW und des VW sowie Ersthelfer. Die Aussagen über das genaue Geschehen, darüber, wie viel Verkehr auf der Autobahn herrschte, wer wann auf welcher Spur war und wie schnell die Autos fuhren, waren widersprüchlich.
31-Jähriger wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt
Übereinstimmend berichteten Zeugen, dass der BMW mit überhöhter Geschwindigkeit auf dem Standstreifen beschleunigte. Offenbar scherte er ein, kurz darauf passierte der Unfall. Das Gericht sah es aber nicht als erwiesen an, dass der Unfall direkt infolge eines unerlaubten Rechtsüberholens geschehen war. Daher wurde gegenüber dem 31-Jährigen auch der Tatvorwurf der Gefährdung des Straßenverkehrs fallen gelassen – ebenso wie der des verbotenen Kraftfahrzeugrennens.
Übrig blieb nur der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung. Dafür forderte der Staatsanwalt eine Geldstrafe: nämlich 120 Tagessätze à 50 Euro. Die Strafe sollte zur Bewährung ausgesetzt werden, die Bewährungszeit zwei Jahre betragen. Der Verteidiger plädierte auf 90 Tagessätze, und das ebenfalls mit Strafvorbehalt. Dieser Forderung folgte der Richter in seinem Urteil.
Angeklagter zeigte Reue und zahlte Schmerzensgeld an die Geschädigten
Bei den 90 Tagessätzen à 50 Euro handelt es sich um eine sogenannte Verwarnung mit Strafvorbehalt, also eine Art Geldstrafe auf Bewährung. Konkret bedeutet das: Der Angeklagte muss nichts bezahlen, solange er sich während der zweijährigen Bewährungszeit nichts zu schulden kommen lässt.
Das verhältnismäßig milde Urteil begründete der Richter damit, dass der Angeklagte direkt nach dem Unfall Reue gezeigt und Verantwortung übernommen habe. Er habe Schmerzensgeld an die Verletzten gezahlt, sei nicht vorbestraft, finanziell und sozial stabil. Dass er künftig erneut in dieser Form straffällig wird, sei nicht zu erwarten.
Geschädigter wollte nicht, dass Unfallverursacher verurteilt wird
Zudem habe er die Folgen seines Handelns in den vergangenen eineinhalb Jahren bereits zu spüren bekommen – nicht nur finanziell. Nach dem Unfall wurde sein Führerschein eingezogen. Seitdem fährt der 31 Jahre alte Mechaniker mit Bus, Bahn und Fahrrad zur Arbeit, zunächst von Oststeinbek nach Finkenwerder. Mittlerweile ist er wegen des langen Arbeitswegs nach Hamburg umgezogen.
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Das milde Urteil war offenbar auch im Sinne mindestens eines Geschädigten aus dem VW Polo. Er sagte vor Gericht, er wolle nicht, dass der Fahrer bestraft werde. Daraus, dass der zweite Verletzte nicht zur Verhandlung erschienen war, schloss der Richter, dass er vermutlich ebenfalls nicht an einer Strafverfolgung interessiert sei.
Richter, Staatsanwalt und Verteidiger waren sich einig, dass den Fahrern ihre Führerscheine wieder ausgehändigt werden sollen, was direkt nach der Verhandlung geschah. Der 22 Jahre alte Porsche-Fahrer, der nicht am Unfall beteiligt war, wurde freigesprochen. Seine Mitfahrer konnten für das Gericht glaubhaft vermitteln, dass sie sich im Auto sicher gefühlt hätten und der Fahrer nicht durch risikohaftes Fahren aufgefallen sei.