Lütjensee. Legendärer Ally Pally in London war nur Durchgangsstation für Daniel Meyer. Nun ist der Mittelgewichtler nationaler Champion geworden.
Zwischen den Jahren lässt es Daniel Meyer etwas ruhiger angehen. Ein paar Läufe in freier Natur oder auf dem Laufband, etwas Krafttraining, ein paar Klimmzüge an der Stange. Kein Wunder, liegt doch ein bewegtes Jahr hinter dem 26-Jährigen aus Lütjensee.
Der sich Anfang dieses Monats einen großen Traum erfüllt hat: In Schwerin wurde er erstmals deutscher Boxmeister. „Das war berauschender Augenblick, so viel Dopamin ist selten zuvor durch meinen Körper geschossen“, sagt er.
Siegerpokal aus den Händen von Ulli Wegner
Als ihm Mecklenburg-Vorpommern Ministerpräsidentin Manuela Schwesig die Goldmedaille umhängte und er von der deutschen Trainerlegende Ulli Wegner den Siegerpokal mit einem Hologramm des Schweriner Schlosses überreicht bekam, wurde Meyer noch einmal von einem großen Glücksgefühl übermannt. Die Siegerehrung in der mit fast 3000 Zuschauer bis auf den letzten Platz gefüllten Palmberg-Arena war der Endpunkt einer langen Reise. Mit vielen Höhen und Tiefen, schönen Erfolgen, aber auch bitteren Niederlagen.
Begonnen hat er vor 20 Jahren in diversen BoxGyms. Weil Mutter Sabine als aktive Pferdesportlerin auch viel unterwegs war, begleitete Daniel seinen Vater Dirk oft zum Training. Bis in die 1990er-Jahre hinein war der selbst aktiver Faustkämpfer und gab seine Erfahrungen später unter anderem als Hamburger Landestrainer weiter.
Muhammad Ali und Sugar Ray Leonard als Vorbilder
Lange war der Filius am Boxen indes nur mäßig interessiert. „In dieser Zeit war Karate mein Sport“, erklärt er. Doch mit elf Jahren habe das seinen Reiz verloren: „Einen Vollkontaktsport wie Boxen fand ich plötzlich spannender.“ Umso mehr, nachdem er in Filmen Kämpfe der US-Superstars Muhammad Ali und Sugar Ray Leonard gesehen hatte.
Sehr zur Freude von Vater Dirk. „Konnte doch auch gar nicht anders sein. Schon Daniels Großvater Harald war Boxer. Wenn ihm also irgendein Sport im Blut liegt, dann Boxen“, sagt der frühere Norddeutsche Vizemeister, der in seiner aktiven Karriere mehr als 110 Kämpfe bestritt.
Harte Trainingseinheiten in den Harburger Bergen
Am Talent seines Sohnes hatte er früh keinen Zweifel. Stets schnell auf den Beinen, habe sich Daniel rasch einen variablen Boxstil mit großer technischer Finesse angeeignet. „Ich habe mir von meinen Vorbildern das abgeschaut, was zu meiner Art des Boxens am besten passt. Von Ali und Sugar zum Beispiel die Beinarbeit, mit der die beiden ihrer Zeit weit voraus waren“, erklärt Daniel.
Die Kondition für seinen offensiven Kampfstil holt er sich unter anderem bei Ausflügen in die Harburger Berge südlich von Hamburg. „Zum Warmmachen lege ich dort in der Regel fünf Kilometer zurück, was bei strammem Tempo angesichts des profilierten Geländes schon ganz schön schlauchend ist“, berichtet Meyer jr. Das härteste Stück folgt dann aber erst auf der langen Rodelbahn, die er anschließend zehnmal rauf und runter rennt.
Gemeinsame Fitnesseinheiten mit Freundin Milena
Um ihrem Sohn die besten Trainingsbedingungen zu schaffen, haben ihm die Eltern daheim einen Fitnessraum eingerichtet. Dort finden sich neben diversen Gewichten ein Laufband und ein Ruder-Ergometer sowie ein professionelles Schlagmessgerät, über das selbst viele professionelle Gyms nicht verfügen. Dort kann Vater Dirk dann mittels angeschlossenem Laptop exakt messen, welchen Wumms die Schläge des Sohnes entfalten.
„Die meiste Zeit trainieren wir individuell, das heimische Gym ist unsere Basisstation“, sagt Dirk Meyer. Da trifft es sich gut, dass auch Daniels Freundin Milena Preiter aktive Sportlerin ist. „Als Voltigierreiterin braucht sie ebenfalls Muckis, deshalb trainieren wir mehrmals in der Woche gemeinsam“, erzählt Daniel.
Siegreich sogar im legendären Londoner Ally Pally
Zum Sparring im Vorfeld wichtiger Wettkämpfe suchen sich Vater und Sohn unterdessen geeignete Partner in ganz Norddeutschland, etwa in Harburg, Lübeck, Wismar und Schwerin. Für den dortigen ostdeutschen Traditionsklub Traktor boxt Daniel inzwischen, nach anhaltenden Querelen mit seinem früheren Verein HTB und dem Hamburger Verband.
Nachdem er bereits Hamburger Meister und zweimal norddeutscher Meister geworden war und sogar den stets hochklassig besetzten Haringey-Cup im legendären Londoner Ally Pally, traditionell Austragungsort der Darts-WM, gewonnen hatte, schien die Zeit bereits im Vorjahr reif, um in Heidelberg endlich auch Deutscher Meister zu werden. Doch nach einer Serie zweifelhafter Verwarnungen durch den Ringrichter war er in Runde drei seines Halbfinales disqualifiziert worden.
Auch Erkältung und Cut konnten ihn nicht stoppen
„Natürlich saß die Enttäuschung im ersten Moment tief“, gesteht er freimütig. Doch dann habe er seine Frustration in neue Energie verwandelt und sei zudem vom Halbmittel- ins Mittelgewicht aufgestiegen. „Dadurch musste ich nicht mehr abkochen, um mein Gewichtslimit zu erreichen, und fühlte mich umso wohler“, sagt Meyer. Zumal Mama Sabine ihn nach Schwerin wieder mit dem familieneigenen Wohnmobil begleitete, in dem sie den Filius auch regelmäßig mit dem bekocht, was er sich wünscht.
Das Ende ist bekannt. Im Halbfinale schaltete Daniel Titelverteidiger Mohammed Shadab aus, im Finale dann den vorjährigen Vizemeister Misha Feroyan, jeweils einstimmig nach Punkten. Trotz einer Erkältung im Vorfeld des Championats und eines im Halbfinale erlittenen Cuts über dem linken Auge.
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„Dieser Triumph war natürlich eine große Genugtuung für mich. Bester deutscher Mittelgewichtler geworden zu sein, das zählt für mich mehr als alle errungenen Titel zuvor“, sagt Meyer. Nun hoffe er, auch für die Europameisterschaften im April kommenden Jahres in Serbien nominiert zu werden. „Sicher ist das keineswegs, weil ich nach wie vor kein Mitglied des Nationalkaders bin“, erklärt er. Dabei habe er alle wichtigen nationalen Konkurrenten in diesem Jahr klar bezwungen.
Sollte ihm die EM-Nominierung tatsächlich versagt bleiben, will der Stormarner seinen Wechsel ins Profilager forcieren. Zwar ist der deutsche Markt seit dem Ausstieg der Klitschko-Brüder deutlich kleiner geworden, weil es für die verbliebenen Boxställen kaum noch lukrative TV-Verträge gibt. Doch mit Daniel Meyer stünde ein erfolgreicher Hoffnungsträger bereit, der durchaus zur neuen Identifikationsfigur für den darbenden deutschen Boxsport taugt. So bleibt es abzuwarten, welche Türen sich für ihn in den kommenden Monaten öffnen werden.