Oststeinbek. Die Piloten Marian Kubick und Emilio Ballistreri sind erst 20 und 21 Jahre alt. Ihr Hobby ist gar nicht so teuer, wie viele denken.

Sobald die Wettervorhersage – was eher selten vorkommt – nahezu perfekte Bedingungen verspricht, schlägt das Herz eines Segelfliegers höher. Akribisch arbeitet er die Flugroute aus, die Vorfreude und das Kribbeln im Bauch steigen im Sekundentakt.

Lange hatte Marian Kubick vom Hamburger Verein für Luftfahrt (HVL) auf diesen einen Tag gewartet. Vergangenes Jahr im Juni war es dann so weit. Der blonde Oststeinbeker plante, vom heimischen Flugplatz Hamburg-Boberg aus mit einem Segelflugzeug ohne Zwischenlandung erstmals die 500-Kilometer-Marke zu knacken. Die angekündigten Cumulus-Wolken entlang der südöstlich verlaufenden Route waren nur ein Anzeichen für eine ausgezeichnete Thermik mit guten Steigwerten und stabilen Basishöhen.

Segelflieger aus Oststeinbek bleibt 780 Kilometer in der Luft

Während des Fluges verschlechterten sich die Bedingungen allerdings. Über Berlin-Tegel leitete Kubick früher als geplant den Rückflug ein. Am Ende war er acht Stunden und sieben Minuten in der Luft, legte dabei eine Strecke von 507 Kilometern zurück. Die Mission war erfüllt.

Gute Laune auf dem Flugplatz (v. l.): Andreas Wagner, Vorsitzender des Hamburger Vereins für Luftfahrt, mit den Oststeinbekern Emilio Ballistreri und Marian Kubick.
Gute Laune auf dem Flugplatz (v. l.): Andreas Wagner, Vorsitzender des Hamburger Vereins für Luftfahrt, mit den Oststeinbekern Emilio Ballistreri und Marian Kubick. © HA | Henrik Bagdassarian

„Dieser Flug ist bis heute auf jeden Fall mein emotionalster“, sagt der 20 Jahre alte Stormarner mit immer noch glänzenden Augen. Dass Kubick dieses Jahr in Sachsen mit einem Flug über 780 Kilometer ein neuer persönlicher Rekord gelang, ist für ihn lediglich eine Randnotiz wert.

Der Weg zur Pilotenlizenz dauert zwei Jahre

Ein mehrere Hundert Kilometer weiter Trip steht auch bei Emilio Ballistreri ganz oben auf der Wunschliste. Der 21 Jahre alte Vereinskamerad von Kubick legte erst vor Kurzem seine Pilotenlizenz ab. Knapp 230 Starts hatte Ballistreri bis dahin in seinem Flugbuch notiert, rund 78 Stunden war er in der Luft. „Zwischenzeitlich hatte ich mir die eine oder andere Pause gegönnt, sonst hätte ich den Schein schon eher in der Tasche gehabt“, sagt der ebenso leidenschaftliche Segler lächelnd.

Der Weg zur sogenannten „Sailplane Pilot Licence“ ist nicht so aufwendig und kostspielig, wie viele vermuten. 14 Jahre ist das Mindestalter für den Ausbildungsbeginn, die Lizenz gibt es mit 16 Jahren. Bereits während des ersten Schulungsflugs im Doppelsitzer steuert der Anfänger – unter Anleitung des Lehrers – das Flugzeug selbst. Nach rund 70 Starts steht der erste Alleinflug auf der Agenda.

Waum Außenlandungen keine Abstürze sind

Bei regelmäßiger Trainingsteilnahme ist der Erwerb der Pilotenlizenz nach zwei Jahren möglich. Die Ausbildung im HVL erfolgt durch ehrenamtliche Fluglehrer. Für die Schüler fallen somit nur die reinen Flugkosten an. Diese betragen für Jugendliche und Studenten rund 1500 Euro, für Erwachsene 2100 Euro bis zur Lizenz.

Ballistreri räumt mit einer weit verbreiteten Fehleinschätzung auf. „Wenn die Thermik unerwartet ausbleibt, muss ein Segelflieger die verbleibende Höhe abgleiten“, sagt der 21-Jährige. „Liegt kein Flugplatz in Reichweite, kann die Landung auch auf einem Acker oder einer Weise erfolgen. Das ist per Gesetz abgesichert.“

Es gibt auch eine Bundesliga und Deutsche Meisterschaften

Bei einer sogenannten „Außenlandung“ vermuteten Augenzeugen meist einen Absturz. Deshalb informierten sie umgehend die Polizei. „Häufig sind neben den Beamten auch Rettungswagen, Feuerwehr und jede Menge Schaulustige vor Ort“, sagt Ballistreri. „Der so angerichtete Flurschaden ist bei weitem größer, als wenn der Pilot lediglich seinen Kontakt anruft, um sich und das Flugzeug abholen zu lassen.“ Und Überschriften wie „Ein Crash im Kornfeld“, „Pilot überlebt Absturz unverletzt“ oder „Notlandung im Erdbeerfeld“ seien leider die Regel und nicht die Ausnahme, sagt Bellistreri.

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Segelfliegen ist sowohl Breiten- als auch Leistungssport. Deutsche Pilotinnen und Piloten schaffen es bei internationalen Meisterschaften regelmäßig in die Medaillenränge. Nationale Wettkämpfe werden in einer Bundesliga sowie bei der Deutschen Meisterschaft im Streckensegelflug ausgetragen.

Hamburger Verein für Luftfahrt ist einer der größten in Deutschland

Bereits 1895 nutzte der deutsche Luftfahrtpionier Otto Lilienthal bei seinen Gleitflugversuchen erfolgreich den Hangaufwind zur Verlängerung der Flugstrecke. 1920 – der Versailler Vertrag verbot in Deutschland den motorisierten Flug – versammelten sich Piloten aus dem Ersten Weltkrieg und weitere Flugenthusiasten in der Rhön, um auf der Wasserkuppe den motorlosen Flug zu erforschen und in der Praxis auszuprobieren.

Mit mehr als 150 Mitgliedern zählt der Hamburger Verein für Luftfahrt aktuell zu den größten Segelflugvereinen Deutschlands und mit seiner Gründung im Jahr 1908 auch zu den ältesten. Andreas Wagner ist Vorsitzender des HVL. Nachwuchssorgen plagen den 57-Jährigen zurzeit nicht. „Unter den Anfängern ist der Anteil der Jugendlichen in den vergangenen Jahren stark gestiegen“, sagt der Vereinschef. Grund könnten auch die erschwinglichen Kosten sein: Jugendliche zahlen drei, Erwachsene ab zehn Euro für eine Stunde Segelfliegen. 350 Euro kostet die Vereinsmitgliedschaft im Jahr.

Wer das Segelfliegen selbst ausprobieren möchte und Fragen hat, kann sich gern mit Andreas Wagner per Mail unter der Adresse praesident@hvl-boberg.de in Verbindung setzen.