Rissen. Delegation aus Stormarn besucht Kinderhospiz in Hamburg-Rissen mit Löschfahrzeug. Im Mittelpunkt stand ein Mädchen.

Als ein kleiner Junge auf einem Gokart Ole Meyer, den Sprecher der Stormarner Kreisjugendfeuerwehr, am Eingangstor des Kinderhospizes Sternenbrücke in Hamburg-Rissen in seiner Uniform erblickt, ist die Vorfreude groß. Er jubelt lauthals. Kurz darauf fährt ein neun Tonnen schweres Löschfahrzeug auf das Gelände. Am Steuer sitzt Maschinist Carsten Kratzmann (41) aus Jersbek.

Er und seine Mitstreiter wollen den Jungen und Mädchen in der Einrichtung eine Freude bereiten, vor allem aber eine ganz bestimmte Person überraschen: Josephine Behm, die alle nur Josie nennen und am nächsten Tag 18 Jahre alt wird. Sie hat Duchenne-Muskeldystrophie (DMD). Die Erkrankung führt zu einem fortschreitenden Muskelschwund, endet durch die zunehmende Schwächung der Atem- und Herzmuskulatur tödlich.

Für die Kreisjugendfeuerwehr ist es kein unbekannter Ort. Sie unterstützt das Kinderhospiz seit 2020, spendet zu Weihnachten Geschenke – zum Beispiel Süßigkeiten, Spiele, Gutscheine für Kino und Tierpark. Der Kontakt kam über die Vorgängerin von Gruppenleiterin Annika Jost zustande. Auch sie ist heute vor Ort, genauso wie zehn Mitglieder der Jersbeker Wehr, sechs Jugendliche sowie vier Erwachsene. Einige sind mit einem roten Kleinbus angereist. Die Jersbeker laufen an diesem Tag für die Kreisjugendwehr auf. „Wir erweitern unser Motto, bei dem es ja immer um Hilfe geht. Nur ist es hier eine andere Form“, sagt Meyer, der aus Siek kommt. Der 23-Jährige studiert Mathe und Geschichte auf Lehramt.

Erkrankte Kinder und Jugendliche dürfen Löschspritze betätigen

Ole Meyer ist Sprecher der Kreisjugendfeuerwehr Stormarn.
Ole Meyer ist Sprecher der Kreisjugendfeuerwehr Stormarn. © René Soukup

Er und seine Kameraden wissen genau, wie sie die Begeisterung der unheilbar Erkrankten wecken können und vor allem, welchen Ton sie dabei anschlagen. Rüdiger Grimm, der stellvertretende Jersbeker Jugendwart, hat alle Türen des großen Fahrzeugs geöffnet und Schläuche auf den Boden gelegt. Er erzählt den Kindern Details über Löschvorgänge, zeigt, wie eine Wasserverbindung aufgebaut wird. Danach erklärt Kratzmann Dinge über den Neunsitzer. Etwa, dass er 250 PS hat und die Pumpe 1000 Liter Wasser pro Minute fördert. Den Hospizbewohnern ist die Freude anzumerken, einige können nicht richtig sprechen. Grimm reagiert auf die Wortfetzen einfühlsam, sucht sofort die direkte Kommunikation. Es sind herzergreifende Szenen.

Dann dürfen die Kinder und Jugendlichen selbst die Löschspritze betätigen. Sie schießen Tennisbälle von Pylonen. Josie erhält dabei Hilfe von Moritz Hoffmann, dem Jersbeker Jugendgruppenleiter, 15 Jahre alt und Gymnasiast. Er sagt über die Motivation, hier mitzumachen: „Ich habe ein Herz für Kinder. Einerseits freue ich mich, sie glücklich zu machen, aber ihre gesundheitliche Situation betrübt schon.“

Josie bekommt Feuerwehr-T-Shirt mit ihrem Namen auf der Rückseite

Mitglieder der Jersbeker Jugendwehr bauen eine Parcours auf. Die Hospizbewohner durften dann Löschübungen machen.
Mitglieder der Jersbeker Jugendwehr bauen eine Parcours auf. Die Hospizbewohner durften dann Löschübungen machen. © René Soukup

Bei Josie wurde Duchenne-Muskeldystrophie im Alter von zwei Jahren diagnostiziert. Seit 2019 sitzt sie dauerhaft im Rollstuhl. Die Zehntklässlerin ist mehrere Wochen im Jahr in der Einrichtung, lebt sonst bei den Eltern in Kaltenkirchen. „Als Kind war ich im Schwimmverein, bin bis vor Kurzem noch geritten bei einem Therapeuten. Das geht nun leider nicht mehr“, sagt die Schülerin. Sie kennt sich sehr gut mit Social Media aus, hat in diesem Frühjahr ein vier Wochen andauerndes Praktikum im Kinderhospiz gemacht. Den Überraschungsbesuch der Feuerwehr bezeichnet sie als gelungen. Als Josie das artikuliert, weiß sie noch nicht, was in wenigen Minuten passiert. Sie erhält von den Ehrenamtlern ein Feuerwehr-T-Shirt mit ihrem Namen auf der Rückseite und wird auf den Fahrersitz des Löschfahrzeugs gehoben. Auch die anderen Bewohner bekommen ein T-Shirt geschenkt, allerdings ohne Beflockung.

Das 2003 eröffnete Haus hat bislang rund 600 Familien beherbergt

Das Kinderhospiz Sternenbrücke in Hamburg-Rissen liegt am Waldrand.
Das Kinderhospiz Sternenbrücke in Hamburg-Rissen liegt am Waldrand. © René Soukup

„Die Aufmerksamkeit, die uns durch die Feuerwehr zukommt, ist ein großes Geschenk. Für die Kinder ist das eine Attraktion“, sagt die Hospizreferentin Christiane Schüddekopf. Die Feuerwehr von der Rettungswache am Berliner Tor sei ebenfalls schon zu Besuch gewesen. Derzeit sind in dem Haus neun Jungen und Mädchen samt Familien untergebracht. Sie kommen dorthin für sogenannte Entlastungsaufenthalte. Auch werden sie am Lebensende von Fachpersonal begleitet. Das Hospiz hat rund 80 Festangestellte, dazu ehrenamtliche Unterstützer. Unter anderem bietet die Sternenbrücke Erlebnistage für verwaiste Geschwisterkinder, die sie gemeinsam mit Gleichaltrigen und Trauerbegleiterinnen verbringen.

Nach Schätzungen leben in Deutschland bis zu 50.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die an Krankheiten oder Behinderungen leiden, die ihr Leben so sehr verkürzen, dass sie noch im jungen Alter daran sterben. Das 2003 eröffnete Hospiz in Rissen hat bislang rund 600 betroffene Familien beherbergt.

Josies Krankheit wird durch Mutationen des Gens verursacht, das Dystrophin kodiert – ein wichtiges Protein, das zur Stabilität und Struktur von Muskelfasern beiträgt. Kinder mit DMD verlieren bei einem natürlichen Verlauf ihre Gehfähigkeit und sind im frühen Teenager-Alter auf einen Rollstuhl angewiesen. Betroffene sterben in der Regel zwischen 20 und 30 Jahren. Was Josie nach dem mittleren Schulabschluss im kommenden Jahr macht, weiß sie noch nicht. Das Mädchen wollte eigentlich Disponentin bei einer Rettungsleitstelle werden. Dafür müsste sie einen Rettungssanitäterlehrgang machen, was durch Duchenne-Muskeldystrophie nicht möglich ist.