Bad Oldesloe. Das nördlichste Bundesland ist flach und langweilig? Von wegen! Autor Dietrich von Horn belehrt seine Leser eines Besseren.
Schleswig-Holstein erscheine auf den ersten Blick ja eher flach und langweilig, schreibt Dietrich von Horn im Vorwort seines neuen Buches. Die 168 Seiten nutzt der Autor dann aber, um „33 Lost Dark Places und ihre Geschichte“ in seinem gleichnamigen Sammelwerk vorzustellen.
Er zeigt das nördlichste Bundesland abseits von Badestränden, Friesennerzen und Fischbrötchen. Hier geht es um blutige Wikingerschlachten, verschwundene Ortschaften, vergessene Kriegsbunker und verlassene Bahnhöfe. Auch der Kreis Stormarn hat es mit drei Orten in die Sammlung geschafft.
Lost Places oder Dark Places – also verlorene, vergessene oder dunkle, verborgene Plätze – sind Schauplätze aus der Vergangenheit. Seit einigen Jahren hat sich eine ganze Subkultur gegründet. Menschen spüren die Orte und ihre Geschichten auf, erzählen von der Faszination der verfallenen Gebäude oder stellen stimmungsvolle Fotos ins Internet.
Freizeit: Mit seiner Frau legte der Autor 4000 Kilometer zurück
Dietrich von Horn hat gleich ein ganzes Buch daraus gemacht. Es enthält rund 200 Fotos, Recherchen zu den Orten, Tipps, wie man die Atmosphäre am besten erleben kann, und Verhaltensregeln. Gemeinsam mit seiner Frau ging er auf die Reise und legte dabei 4000 Kilometer zurück.
Im zweiten der 33 Kapitel erzählt von Horn die Geschichte des Blumendorfer Bahnhofs bei Bad Oldesloe. Das Foto zeigt die Gleise, die ins Nichts führen, und das alte Bahnhofsgebäude, das heute bewohnt wird. „Hier soll mal eine Mautstation aus dem 19. Jahrhundert gestanden haben“, schreibt er. „Mithilfe der eingenommenen Gelder baute beziehungsweise unterhielt der dänische König, der damals hier das Sagen hatte, seine Straßen.“
Es geht auch um den Blumendorfer Bahnhof bei Bad Oldesloe
Zurück blieben die alten Gleise, eine Rampe aus Ziegelsteinen und Betonplatten, die für den Güterverkehr genutzt wurde, ein alter Prellbock und morsche Bahnschwellen. Dazwischen wuchern Sträucher, Kräuter und Blumen. Die Natur hat sich den Ort längst zurückgeholt. Wie an vielen der Lost Places.
1973 wurde die Bahnstrecke stillgelegt und ab 1990 zum Radwanderweg umgebaut. „Von hier ab beginnt nun das Neue“, schreibt von Horn und verbindet die Geschichte des Bahnhofs mit aktuellen Ausflugstipps: „Der ausgebaute Radfahrweg nach Henstedt-Ulzburg ist gleichzeitig auch Europas längster Obst- und Gehölzpfad. Der gut zu befahrende Kiesweg hat kaum Steigungen. Auch Ungeübte können diese Herausforderung bewältigen. Macht man sich mit dem Rad auf den Weg, muss man gleich wieder aus dem Sattel, denn am Wegesrand sind Apfel-, Birnen-, Kirsch- und Zwetschgenbäume gepflanzt, seltene, alte Sorten.“
Freizeit: Im Nienwohlder Moor wurde einst Torf abgebaut
Im dritten Kapitel beschreibt der Autor das Nienwohlder Moor als zauberhaften und mystischen Ort, als Wunderwerk der Natur. Das Naturschutzgebiet ist eines der wichtigsten Hochmoore Schleswig-Holsteins. Hier wachsen seltene Pflanzen, außerdem haben zahlreiche Tiere einen Rückzugsort gefunden.
Auch das Nienwohlder Moor hat seine industrielle Geschichte. Bis in die 1970er-Jahre hinein wurde hier gewerblich Torf abgebaut. Mit Loren, die auf Schienen fuhren, wurde der Torf verladen und mit einer kleinen Diesellok aus dem Moor geholt. Die Verladestation der Torfbahn war am Ende der Straße Alter Torfredder. Dort wurden die Soden auf die Lastwagen geladen und zur Fabrik nach Glashütte gebracht.
Das ist der bekannteste Lost Place Stormarns
Auch der wohl bekannteste Lost Place Stormarns hat ein eigenes Kapitel im Buch bekommen: der Geisterbahnhof von Beimoor. Errichtet wurde das Gebäude vor mehr als 100 Jahren. Die Haltestelle Beimoor liegt etwa einen Kilometer hinter der Endhaltestelle der U1, dem Bahnhof Großhansdorf, und wurde nie in Betrieb genommen. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde der Plan einer Trabantenstadt zu den Akten gelegt. Die Haltestelle war nicht mehr notwendig. Die Gleise wurden großteils abgebaut, Bahndamm und Gebäude blieben erhalten. Nun steht ein Geisterbahnhof am Ortsrand, der tatsächlich aber noch bewohnt wird: von Fledermäusen. Deshalb ist das Betreten des Bahnhofsgebäudes verboten.
Am nackten Beton entdeckte von Horn ein kleines Schablonen-Graffito, das ihn an einen weltberühmten Künstler erinnerte: „Ein Mädchen, das seine Arme ineinander verschränkt hat. Sein Hemd, das Gesicht und die Füße sind weiß gesprayt. Sein Rock ist vorwiegend in schwarz gehalten, ebenso die lange Hose, die es unter dem Rock trägt. An seinen nackten Füßen hat es Flip-Flops. Der Blick ist melancholisch und fragend auf den Betrachter gerichtet. Es entsteht ein merkwürdiges, beklemmendes und unbehagliches Gefühl. Man könnte glauben, dass Banksy hier zu Besuch war.“