Bad Oldesloe. Seit 20 Jahren leistet KIK-Runde Stormarn wichtige Arbeit zum Schutz von Frauen. Neues Pilotprojekt soll Femizide verhindern.
Jubiläen sind meist ein Anlass zum Feiern. Im Fall des 20-jährigen Bestehens des Runden Tischs Kreis Stormarn gegen häusliche Gewalt ist die Freude jedoch nicht ungetrübt. Was nicht an dem Netzwerk liegt, das eine wichtige Arbeit leistet. Sondern daran, dass Gewalt gegen Frauen eine solches Fachgremium überhaupt erst erforderlich macht. Es ist traurige Tatsache, dass es nach wie vor Täter gibt, die ihre Partnerinnen oder weiblichen Angehörigen bedrohen, verletzen, im schlimmsten Fall sogar vor einer Tötung – einem sogenannten Femizid – nicht zurückschrecken.
Um die Hilfs- und Präventionsmaßnahmen im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt zu optimieren, setzt der Runde Tisch auf ein konzertiertes und effizientes Vorgehen. Die Mitglieder tauschen Informationen und Erfahrungen aus, nutzen Synergieeffekte und besprechen Verfahrensabläufe. Beim ersten Runden Tisch 2002 waren 17 Institutionen vertreten, inzwischen beteiligen sich 26.
Die erste Stormarner KIK-Koordinatorin Gisela Bojer ist Initiatorin des Projekts. KIK steht für Kooperations- und Interventionskonzept. Es dient dazu, Opfer häuslicher Gewalt besser zu schützen und Täter durch konsequente Strafverfolgung zur Verantwortung zu ziehen. Außerdem geht es darum, die Gewaltprävention weiterzuentwickeln und zu etablieren.
Frauen wissen oft nicht, dass sie sich beraten lassen können
Seit Anfang dieses Jahres leitet Bojers Nachfolgerin Dagmar Wölm die Runde. 15 Wochenstunden stehen der neuen KIK-Koordinatorin dafür zur Verfügung, weitere 18 arbeitet sie in der Beratungsstelle von Frauen helfen Frauen Stormarn. Dagmar Wölm sagt: „Wenn es um das Thema häusliche Gewalt geht, gibt es noch viel zu tun.“ Viele Frauen seien einfach nicht informiert, dass und wo sie sich kostenlos Hilfe holen könnten. „Für uns ist es daher interessant, auf vielfältige Weise präsent zu sein“, sagt Wölm.
Die Arbeit sei wesentlich effektiver, wenn die einzelnen Institutionen voneinander wüssten und profitierten. Wenn es beispielsweise einen neuen Polizeierlass gebe, berichteten die Polizisten beim Runden Tisch darüber, „im Idealfall anhand einer PowerPoint-Präsentation mit Erläuterungen“. Fragen könnten gleich geklärt werden und danach seien alle Akteure wieder auf dem neuen Stand.
Mögliche Instrumente: Betretungsverbot und Wegweisung
Seit 2021 könne die Polizei einen Gewalttäter bis zu vier Wochen aus der Wohnung sowie der unmittelbaren Umgebung der Wohnstätte wegweisen. Zuvor sei eine Wegweisung höchstens bis zu 14 Tagen möglich gewesen. Ebenfalls neu sei, dass die Polizei auch ein Betretungsverbot für Kita oder Schule bis zu vier Wochen aussprechen könne. Durch diese Maßnahmen hätten die betroffenen Frauen mehr Zeit, beim Amtsgericht Gewaltschutzmaßnahmen zu beantragen.
„Wie ein Annäherungsverbot, bei dem der Täter sich der Geschädigten ein halbes Jahr lang nicht nähern darf“, sagt Wölm. Möglich sei auch die Beantragung einer Wohnungszuweisung. „Das bedeutet, dass der Täter nicht mehr in die Wohnung darf.“ So könnten die Frauen längerfristige Trennungen in die Wege leiten. Außerdem gibt es das Angebot der Täterarbeit für diejenigen Männer, die bereit sind, sich mit ihrer Tat auseinanderzusetzen.
Die Istanbul-Konvention bietet größere Rechtsgrundlage
Zu den Aufgaben der KIK-Koordinatorin zählt die Umsetzung der Istanbul-Konvention, die 2018 in Deutschland in Kraft getreten ist. Sie schreibt das Recht von Frauen auf ein gewaltfreies Leben fest. Eckpfeiler der Konvention sind Opferschutz, Gewaltprävention und Strafverfolgung, Wölms Instrumente die der Vernetzung und Fortbildung. Die KIK-Koordinatorin sagt: „Die Istanbul-Konvention bietet mehr Rechtsgrundlage für die Bekämpfung von häuslicher Gewalt.“
Dadurch werde auch KIK fokussierter und die Politik bringe sich mit mit weiteren Ideen ein. So wurde Stormarn als einer von zwei Kreisen in Schleswig-Holstein für ein Pilotprojekt ausgewählt. Es geht darum, dass ein Hochrisikomanagement, wie es die Istanbul-Konvention verlangt, etabliert werden soll. Ziel des Instruments ist die Verhinderung von Tötungs- und anderen schwerwiegenden Angriffen.
Anhand von Fragebögen wird Bedrohungslage ermittelt
„Das Pilotprojekt läuft seit 1. März für den Zeitraum von einem halben Jahr.“ Die Polizei hat die Leitung der Gruppe übernommen, mit im Boot sind die Frauenberatungsstelle Frauen helfen Frauen Stormarn, das Frauenhaus, das Jugendamt und die Täterarbeit. „Das ist der Kernkreis, der bei Bedarf erweitert werden kann.“
Wenn die Polizei von einem Fall häuslicher Gewalt erfahre, fülle sie dazu regelhaft einen wissenschaftlichen Fragebogen aus, um das Gefährdungsrisiko zu ermitteln. Bei hohem Risiko werde der Fall in einer Fallkonferenz besprochen und die Gruppe überlege gemeinsam, welchen Schutz sie für die Frau vorschlage. Das könnten unterschiedliche Maßnahmen von verstärkten Kontrollfahrten der Polizei bis zum Gang ins Frauenhaus sein.
„Die Erfahrungen werden evaluiert und an andere Kreise und Kommunen weitergegeben“, so Wölm, die davon ausgeht, dass das Projekt nach der Pilotphase fest etabliert wird. Ob es die Zahl schwerer Angriffe und Femizide minimieren oder verhindern kann, wird die Statistik zeigen.