Ammersbek. Thomas Schönberger, Bildungsreferent des Hauses am Schüberg, organisiert die Fahrradsternfahrt. Er hat verraten, was ihn antreibt.
Als es bei Thomas Schönberger so richtig klick gemacht hat, war er gerade einmal 18 Jahre alt. Damals nahm sein Vater ihn und seinen Bruder zu einer Versammlung mit, bei der es um die Verhinderung einer vierspurigen Stadtautobahn in Hamburg ging. Denn sein Elternhaus in Hamburg-Wandsbek lag genau an der geplanten Strecke. „In dieser Bürgerinitiative bin ich dann hängen geblieben“, sagt Schönberger.
Er organisierte Veranstaltungen, schrieb Briefe, kam auf einmal intensiv mit Verkehrspolitik in Kontakt. „Bis dahin war ich völlig unpolitisch, habe mich um Sport, Schule und Mädchen gekümmert. Aber aus der persönlichen Betroffenheit heraus entstand mein erstes politisches Engagement“, sagt er. Ein Teil der Autobahn konnte damals übrigens verhindert werden – was Schönberger nach wie vor freut. In seinem ganzen Leben hat er nie ein Auto besessen, ist immer bewusst Fahrrad gefahren und hat den Öffentlichen Personennahverkehr genutzt.
Förderung des Radverkehrs spielt große Rolle im Leben von Schönberger
Und: Auch heute noch spielt die Förderung des Radverkehrs nicht nur privat, sondern auch beruflich eine große Rolle im Leben des gebürtigen Hamburgers. Seit knapp 30 Jahren arbeitet er als Bildungsreferent im Umwelthaus am Schüberg, das kürzlich von Ammersbek nach Hamburg-Volksdorf umgezogen ist. Seit etwa 25 Jahren ist Schönberger Mitorganisator der jährlichen Fahrradsternfahrt, die traditionell am bundesweiten Mobil-ohne-Auto-Aktionstag veranstaltet wird. Auch in diesem Jahr werden für Sonntag, 19. Juni, mehr als zehntausend Fahrradfahrer aus Hamburg und dem Umland erwartet.
Sein Engagement in der Bürgerinitiative veranlasste Schönberger damals, Geografie und Stadtplanung zu studieren. „Diese Arbeit damals hat mich für das Thema Stadtgestaltung begeistert. Auf begrenztem Raum müssen viele Bedürfnisse und Interessen wie Erholung, Beruf oder Fortbewegung berücksichtigt werden. Da wollte ich etwas bewegen“, sagt er. Nach dem Studium war Schönberger kurzzeitig Stadtplaner in Itzehoe, arbeitete ein Jahr in der Gemeinde Halstenbek in der Grünplanung und auf einem Biohof, bevor er schließlich beim Umwelthaus am Schüberg landete. Eine Anzeige im Hamburger Abendblatt machte ihn damals auf die Stelle aufmerksam. „Ich bin sehr dankbar für die sinnvolle Arbeit, die ich dort machen kann. Es macht nach wie vor großen Spaß“, so Schönberger.
Vorteile des Fahrrades gegenüber dem Auto sind zahlreich
Schönberger selbst ist der größte Fahrradliebhaber – und das nicht ohne Grund. „Die Vorteile des Fahrrades gegenüber dem Auto sind zahlreich“, sagt er. Er selbst fährt jeden Tag an der Alster entlang zur Arbeit. „Ich fühle mich dadurch körperlich viel besser“, sagt er. „Wer Fahrrad fährt, macht nicht nur Sport, ist an der frischen Luft unterwegs und tut seiner Gesundheit etwas Gutes, sondern sorgt auch dafür, dass die Luftqualität sich besser, wenn man stattdessen das Auto stehen lässt.“ Fahrradfahren mache Spaß und lasse einen die Umgebung um sich herum wahrnehmen. Darüber hinaus ist das Fahrrad das umweltfreundlichste Verkehrsmittel. Unfälle mit Fahrrädern seien zudem in der Regel weniger dramatisch als Autounfälle – wenn keine Kraftfahrzeuge beteiligt seien. Und: „Je weniger Autoverkehr, desto mehr Fläche wird frei, die anderweitig genutzt werden kann“, so Schönberger weiter.
Seiner Einschätzung nach wird dem Auto grundsätzlich zu viel Platz eingeräumt. „In den vergangenen Jahren wurde der Motorisierung sehr viel Raum, ich finde zu viel Raum, gegeben. Besonders ärmere Menschen leiden darunter, die oft an Hauptverkehrsstraßen wohnen müssen. Sie können kaum lüften, sind Lärm ausgesetzt und haben auch keinen schönen Blick nach draußen“, so Schönberger. Genau das soll mithilfe des Leitbildes Fahrradstadt Hamburg korrigiert werden.
Hamburg soll zur Fahrradstadt werden
Das Vorhaben ist ambitioniert: Hamburg soll zur Fahrradstadt werden. „Das finden wir gut und sehen auch die Fortschritte, die die Stadt in dieser Hinsicht macht. Grundsätzlich ist das aber eher ein Marathon als ein Sprint. Der Prozess braucht Zeit“, so der Bildungsreferent. Immer mehr Straßen werden zu Fahrradwegen umgewidmet, Parkplätze werden zugunsten des Fahrradverkehrs gestrichen, was auch für Protest sorge. „Es soll ja weiter Auto gefahren werden können“, sagt Schönberger. „Aber in dem Maße, wie die Veränderungen passieren, finde ich sie richtig.“ Im Vergleich zu anderen Großstädten liege Hamburg laut Untersuchungen des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) im Mittelfeld. „Es gibt große Unterschiede innerhalb der Stadt. Da ist viel Licht und Schatten“, sagt Schönberger.
Wer sich ebenfalls für den Radverkehr in der Region stark machen möchte, ist herzlich zur Fahrradsternfahrt am Sonntag eingeladen. „Es lohnt sich, sich zu engagieren“, sagt Schönberger. Der Kohleausstieg sei ein gutes Beispiel dafür, dass Menschen, die sich für ihr Anliegen eingesetzt haben, etwas bewegt haben. Schönberger: „Ähnliches ist im Verkehr zu beobachten. Früher wurde die Fahrradsternfahrt oft noch belächelt. Mittlerweile hat sie aber dazu beigetragen, dass das Leitbild Fahrradstadt Hamburg akzeptiert und ernstgenommen wird.“
Erwartet werden etwa zehntausend Mitradelnde aus Hamburg und dem Umland. In den teilnahmestärksten Jahren machten bis zu 25.000 Menschen mit. Geplant ist eine Ringfahrt, bei der Radfahrer aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und der Hamburger Peripherie gemeinsam in Hamburg im Kreis fahren werden. Eine Abschlusskundgebung wird es zum zweiten Mal nicht geben. „Das ist schade, aber die wäre coronabedingt noch nicht wieder genehmigt worden“, sagt Schönberger. Für das kommende Jahr sei das aber fest geplant.
Sternfahrt ist ein Gemeinschaftsprojekt des Vereins Mobil ohne Auto Nord
Die Sternfahrt ist ein großes Gemeinschaftsprojekt des Vereins Mobil ohne Auto Nord, ein Bündnis aus ADFC, dem autofreien Wohnprojekt Saarlandstraße, den Naturfreunden Hamburg, der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland, dem Umwelthaus am Schüberg des Kirchenkreises Hamburg-Ost und dem Verkehrsclub Deutschland Landesverband Nord. Der BUND, Greenpeace, HellermannTyton, Kirche für Klima, das Kommunikationswerk der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland, der Naturschutzbund Deutschland und die Spardabank unterstützen das Projekt. Schönberger ist eines von zwei Vorstandsmitgliedern des Vereins Mobil ohne Auto Nord, kümmert sich um rechtliche Angelegenheiten, Einladungen, Termine. „Ich versuche, den Laden zusammenzuhalten“, so Schönberger. Er jedenfalls freut sich auf viele Teilnehmer und eine schöne Veranstaltung.
Aber er wünscht sich auch, dass es irgendwann vielleicht nicht mehr nötig sein wird, die Forderungen in der politisch motivierten Fahrt zum Ausdruck zu bringen. Schönberger: „Mein Wunsch wäre, dass wir uns irgendwann alle einfach nur noch treffen, um zusammen eine Runde Fahrrad zu fahren.“