Ammersbek. Kathrin Borowski-Prilipp möchte mit ihren Werken auf Probleme aufmerksam machen. Seit Jahren ist sie im Umweltschutz aktiv.

Konservendosen, Kronkorken, Plastikschnüre oder die Verpackung eines Schokoriegels: Wer das Atelier von Kathrin Borowski-Prilipp betritt, der sieht jede Menge Müll und Alltagsgegenstände in allen Formen und Farben. Doch das stammt keineswegs aus dem eigenen Haushalt der Ammersbekerin, sondern ist die Summe dessen, was sie in den vergangenen Jahren aus dem Meer gefischt und am Strand gesammelt hat. Doch hier, in ihren eigenen vier Wänden, sind diese Dinge mehr als nur Müll: Nämlich Kunstwerke, die zeigen, wie man aus Schlechtem etwas Gutes machen kann. Mit ihrer Kunst möchte die 58-Jährige auf Probleme aufmerksam machen und Menschen zu einem nachhaltigen Leben inspirieren.

Angefangen hat alles 2014 – als Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein noch gar nicht so gefragt waren wie heutzutage. Damals wohnte sie auf der Halbinsel Eiderstedt an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. „Ich war viel am Strand spazieren“, erzählt sie. „Eines Tages habe ich einen Austernfischer gesehen, der umgeben von Müll war.“

Schicksal des Austernfischers ging ihr nahe

Das ging ihr so nahe, dass sie an diesem Tag zum ersten Mal Müll mit nach Hause genommen hat. Anfangs entsorgte sie die Teile in ihrer Mülltonne. Danach ging sie immer wieder am Strand spazieren, um die Natur von Müll zu befreien. „Von Zigarettenstummeln über Plastikverpackungen bis hin zu Kunststoffnetzen findet man dort alles“, sagt Borowski-Prilipp.

Eines Tages begegnete ihr am Strand eine Frau, die sich im Naturschutzbund (Nabu) engagierte und auch Müll sammelte. „Daraus ist ganz viel entstanden. Mittlerweile ist sie eine dicke Freundin“, sagt die 58-Jährige. Es gründete sich eine Gruppe, die sich einmal im Monat traf. Borowski-Prilipp versuchte Leute zum Mitmachen zu animieren. Doch: „Die meisten kommen ein oder zweimal und dann nicht mehr“, sagt die Ammersbekerin. Umso wichtiger, dass es Menschen wie sie gibt, die unermüdlich dranbleiben. Sie bot Kurse an, in denen sie Teilnehmern zeigte, wie man mit den Objekten stempeln kann. Auch gemeinsam mit der Bücherei ist ein Projekt entstanden. Der gesammelte Müll wurde verarbeitet. Daraus entstanden Kunstwerke, die heute in Borowski-Prilipps Atelier stehen. Und es waren längst nicht die letzten.

Ihre Kunst soll Problem der Meeresvermüllung sichtbar machen

„Ich wollte das Problem der Meeresvermüllung sichtbar machen“, sagt sie. Kunst sei schon in der Schule immer ihr Lieblingsfach gewesen. Also begann sie, aus den gesammelten Objekten Kunst herzustellen. Aus einer Vase mit Pinseln entstand ebenso ein Kunstwerk wie aus Lockenwicklern, Wattestäbchen, Medikamentenhüllen oder Luftballons. Aus dem Müll klebte sie Bilder, fügte ihn zu Türmen zusammen oder machte Mobiles daraus.

Wie viele Kunstwerke sie in den vergangenen Jahren erschaffen hat, kann sie nicht beziffern. Um Zahlen geht es ihr aber auch nicht. Borowski-Prilipp: „Ich möchte, dass das Thema Aufmerksamkeit bekommt.“ In einem Café in Eiderstedt hat sie ihre Kunst in der Vergangenheit bereits ausgestellt. Im Moment überlegt sie, ob sie ihre Kunst auch Menschen in ihrem Atelier in Ammersbek zugänglich machen möchte – zum Beispiel im Zuge des Tages der offenen Ateliers.

Der Müll im Meer regte zum Überdenken des Lebensstils an

Übrigens: Ein Vorurteil, das der Künstlerin immer wieder begegnet ist, lautet: Das bisschen Plastik sammeln macht doch auch keinen Unterschied. „Am Sperrwerk sprach mich einmal jemand an und fragte, was das soll. Mit der nächsten Flut käme doch wieder weiterer Müll“, sagt sie. „Das stimmt ja auch. Aber genau diese Haltung vertrete ich nicht. Ich glaube jeder, der etwas tut, zählt.“ Bei ihr persönlich habe das Engagement dazu geführt, dass sie ihren eigenen Lebensstil komplett überdacht und geändert hat. Natürlich müsse sich auch in der Politik etwas ändern, findet Borowski-Prilipp. Die Verantwortung abgeben möchte sie deshalb aber nicht. „Ich überlege trotzdem, was ich selbst tun kann“, sagt sie.

Warum ihr Umweltschutz so am Herzen liegt? „Ich habe die Tiere gesehen, die unter dem Müll leiden. Das ist kaum zu ertragen“, sagt sie. Deshalb verzichtet sie auf ihr Auto, kauft in Unverpackt- und Secondhandläden ein, konsumiert die Lebensmittel, die ihre Tochter über Foodsharing rettet. Was sie selbst nicht mehr braucht, verschenkt oder tauscht sie. Mittlerweile lebt die 58-Jährige fast Zero Waste, produziert also so gut wie keinen Müll. Um das sichtbar zu machen, stehen in ihrem Atelier 52 Kisten – eine für jede Woche im Jahr –, in dem sie ihren wenigen Müll sammelt. „Ich finde es wichtig, einfach anzufangen“, sagt sie. Niemand müsse vom einen auf den anderen Tag so leben. Aber: „Man kann mit einer Sache anfangen, zum Beispiel damit, Leitungswasser zu trinken. Und von da aus geht es dann weiter. Es soll sich auch nicht nach Verzicht anfühlen. Für fast alles gibt es Alternativen“, sagt die Künstlerin.

In Zukunft möchte sie mit Papier arbeiten

Obwohl Kunst schon immer Kathrin Borowski-Prilipps Leib- und Magenthema war, hat sie beruflich etwas anderes gemacht, war im sprachlichen Bereich unterwegs und hat lange im Ausland gearbeitet. „Im Moment arbeite ich in Teilzeit mit Senioren“, sagt sie. Sie genießt es, ihrer Kunst nur als Hobby nachzugehen und nicht dem Zwang zu unterliegen, Geld damit verdienen zu müssen. Deshalb ist sie nach wie vor mit großer Leidenschaft dabei – und es soll weitergehen.

Der Umweltaspekt spielt nach wie vor eine große Rolle. Wenn sie all ihren Meeresmüll verarbeitet hat, möchte sie in Zukunft vielleicht mehr mit Papier arbeiten. Und: „Ich möchte mich auch weiterhin engagieren“, sagt sie. Mitglied im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland ist sie bereits. Vielleicht gründet sie bald eine eigene Gruppe oder sie schließt sich einer bestehenden an. Borowski-Prilipp: „So habe ich immer etwas zu tun.“