Bargteheide. Blitzbesuch der Bürgermeisterin von Bargteheide bleibt umstritten. Kruse-Gobrecht weist Vorwurf der Wahlwerbung im Amt zurück.

Der Blitzbesuch der Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht bei der Tafel-Ausgabestelle Bargteheide am 8. April wirft nach wie vor viele Fragen auf, zu denen es widersprüchliche Antworten gibt. Wie und warum ist es überhaupt zu diesem Termin gekommen? Hat es durch eine entsprechende, offizielle Pressemitteilung des Rathauses eine unzulässige Wahlwerbung im Amt gegeben? Und wie beurteilt das Ganze die Kommunalaufsicht des Kreises als neutrale Kontrollinstanz?

Bürgermeisterin bedauert falsche Wahrnehmung

Nach der herben Kritik von Manfred Giese in der jüngsten Sitzung der Stadtvertretung am Donnerstag vergangener Woche (wie bereits berichtet) sahen sich sowohl der Tafelvorstand, als auch die Rathaus-Chefin zu weitergehenden Stellungnahmen veranlasst. „Ich bedauere sehr, dass es in Zeiten wie diesen, in denen es darum geht, kurzfristig und pragmatisch gemeinsam Hilfeleistungsketten aufzubauen, zu dieser Wahrnehmung gekommen ist“, teilte Kruse-Gobrecht auf Anfrage unserer Redaktion in einer am Montagnachmittag verbreiteten Erklärung mit.

Die Tafel sei für Stormarn „eine wichtige Institution“ und leiste eine „tolle ehrenamtliche Arbeit“, die durch die Ukraine-Krise noch einmal zusätzlich gefordert werde. „Um hier zu unterstützen, habe ich die Einladung des Vorsitzenden der Tafel an mich gern entgegengenommen“, so die Bürgermeisterin wörtlich.

Pruß’ Erklärungen provozieren Widerspruch

Gestützt wird diese Sichtweise durch ein Schreiben von Tafelvorstand Holger Pruß an Kruse-Gobrecht vom Sonnabend, das dem Abendblatt ebenfalls vorliegt. Darin bestätigte er die Einladung durch seinen Anruf vom 18. März. Anlässlich der Flüchtlingssituation aus der Ukraine sei es um weitere „unterstützende Maßnahmen“ in Form eines Spendenaufrufs durch die Bürgermeisterin gegangen in Verbindung mit einem Besuchstermin am 8. April.

Darüber habe er noch am selben Tag Waltraud Giese informiert, die seit 26 Jahren die Ausgabestelle Bargteheide leitet. „Das entspricht nicht den Tatsachen“, sagt deren Mann Manfred Giese, der sich ebenfalls seit fast drei Jahrzehnten bei der Tafel engagiert. Und erzählt dann, wie sich ihm die Anbahnung des Bürgermeisterinnen-Termins darstellt.

Vereinnahmung der Tafel durch Gegenkandidatin?

Am 11. März 2022 unterstützte Gabriele Hettwer (r.) das Helfer-Team der Tafel Ahrensburg mehrere Stunden in der Ausgabestelle Bargteheide.
Am 11. März 2022 unterstützte Gabriele Hettwer (r.) das Helfer-Team der Tafel Ahrensburg mehrere Stunden in der Ausgabestelle Bargteheide. © Tafel Ahrensburg | HA

„Am 17. März fand abends um 19 Uhr die Hauptversammlung der Tafel im ,Pferdestall’, dem Ammersbeker Dorfgemeinschaftshaus, statt. Kurz vor dem Beginn beschwerte sich der partei- und fraktionslose Stadtvertreter Klaus Mairhöfer lautstark über die politische Vereinnahmung der Tafel durch die Bürgermeisterkandidatin Gabriele Hettwer“, so Giese.

Anlass seien mehrere Zeitungsartikel gewesen, in denen über die Arbeit der Tafelausgabe Bargteheide und den Besuch von Hettwer am 11. März berichtet worden ist. An diesem Tag hatte sie die ehrenamtlichen Helfer mehrere Stunden unterstützt. Einen Tag später habe Pruß Manfred Giese bei einem Gespräch in der Küche der Tafelausgabe beinahe beiläufig wissen lassen, dass die Bürgermeisterin nun auch kommen wolle. „Von einem konkreten Termin war zu diesem Zeitpunkt aber nicht die Rede. Dafür verbürge ich mich und das hat auch meine Frau bestätigt“, so Giese.

Kommunalaufsicht will sich derzeit nicht äußern

Mit diesem Foto, dass Birte Kruse-Gobrecht (M.) zwischen Birgit Schröder (l.) und Tafelvorstand Holger Pruß zeigt, war die offizielle Pressemitteilung der Stadt Bargteheide illustriert worden.
Mit diesem Foto, dass Birte Kruse-Gobrecht (M.) zwischen Birgit Schröder (l.) und Tafelvorstand Holger Pruß zeigt, war die offizielle Pressemitteilung der Stadt Bargteheide illustriert worden. © Stadt Bargteheide | Stadt Bargteheide

Ohne die Pressemitteilung des Rathauses wäre der ganze Vorgang womöglich rasch in Vergessenheit geraten. Mit dem medialen Vorstoß sahen aber Bürger der Stadt wie Norbert Muras das Gebot der Neutralität des Staates im Wahlkampf verletzt und schalteten die Kommunalaufsicht ein.

Ob sie tätig geworden ist, bleibt unklar. Es sei unzulässig, dass sich Mitarbeitende der Kommunalaufsicht in irgendeiner Weise zur Wahl äußern, teilte Sprecherin Larissa Bebensee auf Anfrage dieser Redaktion mit. „Daher ist es nicht möglich, zum jetzigen Zeitpunkt zu Ihren Fragen Stellung zu nehmen“, hieß es in ihrer Antwort wörtlich.

Pressemitteilung ohne Angabe von Gründen gelöscht

Tatsache ist indes, dass die Pressemitteilung alsbald wieder von der Homepage der Stadt verschwand, ohne dass dort erklärt wurde, warum. „Um jeglichen bösen Anschein zu vermeiden und Schaden von der Tafel abzuwenden, habe ich den Artikel von der Homepage nehmen lassen“, äußerte sich Kruse-Gobrecht jetzt. Die Tafel solle schließlich nicht durch das Vorgehen einzelner politischer Akteure „in Misskredit gebracht“ werden.

Laut Bürgermeisterin sei der Anlass der Veröffentlichung im Hinblick auf den Wahltermin keineswegs geeignet, eine Verletzung der Neutralität zu konstruieren. Diesen Hinweis habe sie „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ an die Kommunalaufsicht gegeben.

Eine Beleidigung des gesamten Teams

Für die Gieses bleibt das Vorgehen des Tafelvorstands unterdessen ein Affront, über den intern noch geredet werden müsse. „Der Hinweis von Holger Pruß, dass der Vorstand das Recht habe, in den Ausgabestellen der Tafel mitzuwirken, ist durchaus richtig. Aber nicht über die Köpfe jener hinweg, die seit Jahr und Tag den Umschlag und die Ausgabe der Hilfsgüter organisieren und durchführen“, sagt Manfred Giese.

Dass der Tafelvorstand den angeblich geplanten, letztlich aber gescheiterten Tafeleinsatz der Bürgermeisterin in seinem Schreiben vom Wochenende unter anderem mit „fehlenden Ausgabevorbereitungen“ begründet habe, sei eine Beleidigung des gesamten Teams gewesen, nur um der Bürgermeisterin einen Gefallen zu tun. „Das muss zwingend aufgearbeitet werden“, so Giese.