Bad Oldesloe. Die Sprachbarriere ist oft die größte Hürde beim Eintritt in den Arbeitsmarkt. Trotzdem könnte die Integration besser funktionieren als 2015.
Hunderttausende Menschen sind seit Beginn des Krieges aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Viele haben ihr Zuhause verloren und können nicht in ihre Heimat zurückkehren. Den Ankommenden möchte die Bundesregierung eine Perspektive geben. Dazu gehört neben einer Bleibe auch die Integration in den Arbeitsmarkt. Doch wie kann das funktionieren? Wie sind die rechtlichen Voraussetzungen? Was sind Hürden und Chancen?
Zahl der gemeldeten Stellen in Stormarn auf Höchststand
Und: Können die Geflüchteten eine Chance für den in Deutschland immer stärker werdenden Fachkräftemangel sein? In fast allen Branchen, zum Beispiel im Handwerk oder Gesundheitswesen, werden Fachkräfte gesucht. 1,7 Millionen Stellen sind in Deutschland derzeit unbesetzt, im Kreis Stormarn ist die Zahl mit 2500 gemeldeten sozialversicherungspflichtigen Stellen auf einem Höchststand.
Die Überlegung, dass Geflüchtete dem Fachkräftemangel entgegenwirken können, bremst nicht nur Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), sondern auch Kathleen Wieczorek, Chefin der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe: „Die Menschen aus der Ukraine sind nicht geflüchtet, um unseren Fachkräftebedarf zu decken, sondern weil ihr Land angegriffen wurde. Vor allem Frauen und Kinder suchen bei uns Schutz und Sicherheit in einer unvorstellbaren Situation, die uns sehr betroffen macht.“
Kinderbetreuung muss zunächst gesichert sein
Noch stünden die Unterbringung, Verpflegung, Fragen der Kostenübernahmen, Impfungen und mehr im Vordergrund. Und: „Da es vor allem Frauen mit Kindern sind, die kommen, bedarf es zunächst Angeboten zur Kinderbetreuung und zum Schulbesuch, um den Müttern das Arbeiten zu ermöglichen“, so Wieczorek weiter.
Die Einschulung ukrainischer Kinder und Jugendlicher funktioniert schnell. Wie berichtet, haben viele Stormarner Schulen bereits geflüchtete Schüler aufgenommen. Wieczorek: „Wenn diese Punkte geklärt sind, gehen wir davon aus, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer ein großes Interesse an einer Arbeitsaufnahme haben werden.“ Noch sei es allerdings zu früh, um Aussagen über die Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt oder die Qualifikation der Ankommenden zu machen. Bislang habe sich noch niemand aus der Ukraine bei der Arbeitsagentur gemeldet.
Aufenthaltstitel gestattet sofortige Erwerbstätigkeit
Doch das Gute ist: Dank der rechtlichen Voraussetzungen ist das Arbeiten für Ukrainer in Deutschland recht schnell möglich. Dafür müssen Ukrainer sich bei ihrer zuständigen Ausländerbehörde melden und erhalten dann einen Aufenthaltstitel. Der ist entscheidend. Wieczorek: „Über die Aktivierung der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie ist ein Zugang zum Arbeitsmarkt möglich. Gesetzliche Grundlage für die Umsetzung ist Paragraf 24 des Aufenthaltsgesetzes. Geflüchtete aus der Ukraine erhalten von der zuständigen Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel, mit dem eine sofortige Erwerbstätigkeit gestattet ist.“ Der Arbeitsmarkt in Stormarn sei grundsätzlich aufnahmefähig.
Doch ganz so schnell wird es bei vielen wohl nicht gehen. „Bisherige Erfahrungen zeigen, dass mangelnde Sprachkenntnisse ein großes Problem bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt sind. Hier bedarf es Angeboten an Sprach- oder Integrationskursen seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge“, so die Chefin der Arbeitsagentur. Genauso sei die Anerkennung von Berufsabschlüssen ein Schritt, um die Geflohenen, die Berufsabschlüsse haben, als Fachkräfte vermitteln zu können. Sind Sprachkenntnisse vorhanden, kann die Arbeitsagentur die Geflüchteten beraten, vermitteln und gegebenenfalls qualifizieren. Erste interessierte Unternehmen, die sich vorstellen können, Geflüchtete einzustellen, hätten sich bei der Arbeitsagentur gemeldet.
Bereits 2015 waren viele Geflüchtete nach Deutschland gekommen
Bereits 2015 sind viele Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Nicht immer hat die Integration in den Arbeitsmarkt damals gut funktioniert, ein Grund sei die Unsicherheit vieler Unternehmen gewesen. Eine wesentliche Änderung ist laut Wieczorek heute die Möglichkeit, mit einem Aufenthaltstitel sofort Zugang zum Arbeitsmarkt zu erhalten: „Dies nimmt gerade Unternehmen die rechtliche und perspektivische Unsicherheit, die es seinerzeit im Zuge der Asylverfahren ab 2015 gab und es ja noch gibt, wenn es um die Ausbildung und Beschäftigung geflüchteter Menschen geht“, so die Agenturchefin.
Eine weitere Schwierigkeit sei damals die Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationen gewesen. Das berufliche Bildungssystem in Deutschland habe insbesondere mit der dualen Ausbildung ein Alleinstellungsmerkmal, weshalb im Ausland erworbene Abschlüsse nicht immer vergleichbar seien. „Hinzu kam bei den Menschen, die nach Deutschland geflüchtet waren, dass sie oft keine Zeugnisse oder Qualifikationsnachweise mitnehmen konnten. Das hat eine Anerkennung von Qualifikationen ebenfalls erschwert und die Verfahren in die Länge gezogen“, so Wieczorek. Aber: „Bundesarbeitsminister Heil hat aktuell gesagt, es müsse klar sein, dass in der Ukraine erworbene Qualifikationen auch hier zügig anerkannt werden. Dies wäre ganz in unserem Sinne. Wir möchten, dass die Menschen aus der Ukraine möglichst ihrem Ausbildungsniveau entsprechend eine Beschäftigung finden.“
Zuwanderung kann sich positiv auf Arbeitsmarkt auswirken
Auch 2015 sei es teils gelungen, Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dass Zuwanderung sich grundsätzlich positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken kann, bestreitet die Agenturchefin auch gar nicht. Wieczorek: „Geschätzt benötigen wir bundesweit 400.000 Zuwanderer jährlich, um eben auch über gezielte Zuwanderung Lücken am Arbeitsmarkt schließen zu können. Fachkräfte fehlen in vielen Bereichen, von der Pflege über Logistiker bis hin zu Klimatechnikern.“