Ammersbek. Sportverein sammelte rund 500.000 Euro für Projekt. Kegelbahn musste weichen. Neues Angebot treibt Mitgliederzahl in die Höhe.

Moderne Geräte, geschultes Personal, viel Platz – und das alles ohne Stufen oder Hindernisse: Der Hoisbütteler SV hat am Wochenende das erste vollinklusive Fitnessstudio in Schleswig-Holstein eröffnet. „Inkraft“ soll Menschen mit und ohne körperliche oder geistige Einschränkungen gleichermaßen ansprechen und mentale wie tatsächliche Barrieren abbauen. Um ein Fitnessstudio zu meiden, reicht es bei vielen Menschen schon aus, nicht dem gesellschaftlichen Schönheitsideal zu entsprechen. Mit Fördergeld und vielen Spenden hat der Sportverein jetzt einen Raum kreiert, in dem körperliche Perfektion keinerlei Rolle spielen soll.

Der Vorsitzende Siegfried Höchst erklärt es so: „Der Bau eines inklusiven Fitnessstudios bedeutet etwas zu schaffen, dass auf den ersten Blick alltäglich wirkt, aber jeden anspricht. Menschen mit und ohne Einschränkungen.“ Dabei gehe es nicht nur um Sportler mit körperlichen Behinderungen. „Es gibt ja nicht nur Rollstuhlfahrer“, sagt Höchst. Barrierefrei bedeutet hier auch, zum einen Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen mitzunehmen und zum anderen dem immer größer werdenden Körperkult der modernen Gesellschaft entgegenzutreten. „Die Szene in Fitnessstudios ist häufig von Äußerlichkeiten geprägt, manche schreckt das ab. Das wollen wir hier aufbrechen“, erklärt Höchst.

Landessportverband steuert 80.000 Euro bei

Ammersbeks Bürgermeister Horst Ansén testet einen der Crosstrainer im neuen Fitnessstudio Inkraft.
Ammersbeks Bürgermeister Horst Ansén testet einen der Crosstrainer im neuen Fitnessstudio Inkraft. © Unbekannt | Finn Fischer

Mit dieser Idee hat der Sportverein viele Unterstützer gefunden. Mit verschiedenen Projekten fördert etwa der Landessportverband Schleswig-Holstein Integrations- und Inklusionssport. „Sportliche Betätigung baut das Selbstvertrauen auf. Die Aktiven fühlen sich respektiert, erfahren Anerkennung und können sich dadurch selbstsicherer im gesellschaftlichen Umfeld bewegen“, heißt es in einem Positionspapier des Verbands, der 80.000 Euro beisteuerte. Der Hoisbüttler SV konnte in den vergangenen Jahren für den Bau des Studios rund 500.000 Euro einwerben. Neben der Unterstützung durch den Landessportverband kamen 100.000 Euro über die Aktivregion Alsterland und 105.000 Euro vom Fonds für Barrierefreiheit. 25.000 Euro zahlte die Gemeinde Ammersbek, die Bürger-Stiftung Ahrensburg spendierte 15.000 Euro. Ein Großsponsor ist zudem der Hamburg Airport.

Bürgermeister Horst Ansén sagte bei der Eröffnung: „Als Gemeinde sind wir sehr stolz auf das neue Angebot des Sportvereins. Das Fitnessstudio ist ein wichtiger Baustein für die Inklusion.“ Die Entscheidung, die Kegelbahn des Vereinshauses umzubauen, fiel bereits 2017. Die Kegelsparte wurde immer kleiner, der Betrieb der beiden Bahnen lohnte sich nicht mehr. Deswegen wollte der Sportverein den Raum anders nutzen und entschied sich für die Einrichtung eines Fitnessstudios.

80 Aufnahmeanträge durch neues Angebot in den vergangenen Wochen

Der coronabedingte Rückgang der Mitgliederzahl des Vereins gehört der Vergangenheit an. „Wir haben heute so viele Mitglieder wie zuletzt vor 25 Jahren“, sagt Vereinssprecherin Birgit Boye. Das sei auch dem neuen Fitnessangebot zu verdanken. Allein in den vergangenen Wochen wurden 80 Aufnahmeanträge eingereicht.

Beim Bau des Studios musste der Sportverein allerdings einige Hürden nehmen. So kam es durch die Coronapandemie zu Lieferengpässen bei Baumaterialien und dadurch zu Verzögerungen. Jetzt bietet der Gerätepark mindestens 45 Personen die Gelegenheit, gleichzeitig an Fitnessgeräten zu trainieren. Studioleiter Vitaly Mordvintsev unterstützt Neuzugänge mit einem persönlichen Fitnessplan: „Selbst bei einem schmerzenden Bewegungsapparat finden wir den richtigen Trainingsplan, um die Mobilität zu steigern.“

Wie Sport das Lebensgefühl verbessert, weiß auch Christian Schirrmacher. Der Hoisbütteler trainiert seit 1987 Menschen mit und ohne Behinderungen in einer gemeinsamen Sportgruppe und machte seinen Sportverein damit zu einem Vorreiter der Inklusion. „Bei uns sind Menschen mit ganz unterschiedlichen Beeinträchtigungen, die dazu führen, dass sie in anderen Sportgruppen nicht richtig mitmachen können“, sagt Schirrmacher, der sich sehr über das neue Inklusionsangebot freut: „Wir haben bei uns die Kompetenz, auf individuelle Anforderungen einzugehen. Schirrmachers Inklusionssportgruppe trifft sich jeden Dienstag von 16.30 bis 19 Uhr in der Hoisbütteler Dreifeldsporthalle am Teichweg 27 in Ammersbek.

Das Training im Fitnessstudio kostet monatlich 16,50 Euro. Es gibt Ermäßigungen für Schüler, Studenten, Auszubildende und Senioren. Die Beitrittsgebühr von 60 Euro entfällt bei einer Mitgliedschaft im Hoisbütteler SV. Informationen auf www.hoisbuetteler-sv.de/inkraft oder bei Geschäftsstelle unter Telefon 040/605 03 01.