Ahrensburg. Wie sechs Politiker aus drei Stormarner Wahlkreisen bei der bevorstehenden Abstimmung ohne Fraktionszwang votieren – und warum.
Einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus hatten viele Politiker lange eine Absage erteilt. Angesichts der dramatischen Lage mit täglich Zehntausenden Neuinfizierten hat nun aber offenbar ein breites Umdenken in dieser substanziellen Frage von nationaler Tragweite eingesetzt. Viele Experten bezweifeln, dass eine flächendeckende Immunisierung ohne deutliche Anhebung der Impfquote möglich ist. 85 Prozent sollte sie betragen, um eine Rückkehr zur Normalität ohne gravierende Grundrechtseinschränkungen zu erreichen.
Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte deshalb am Dienstag eine Abstimmung im Bundestag über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht vorgeschlagen. Am Donnerstag haben sich der Bund und die Regierungschefs der Länder dieser Ansicht angeschlossen und den Ethikrat aufgefordert, bis zum Jahresende eine Empfehlung zu erarbeiten. Die Abstimmung im Bundestag soll dann ohne Fraktionszwang erfolgen. Scholz selbst hat bereits erklärt, er werde als Abgeordneter für die allgemeine Impfpflicht stimmen.
Dem haben sich inzwischen viele Parlamentarier angeschlossen. Das ergab eine Abendblatt-Umfrage unter den Bundestagsabgeordneten der Stormarner Wahlkreise. Doch nicht alle sehen eine Notwendigkeit, das Impfen zwingend vorzuschreiben. Uwe Witt von der AfD hält den Vorstoß für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheitsrechte. Konstantin von Notz (Grüne) hat sich noch nicht entschieden.
Gero Storjohann (CDU)
„Ich kenne noch keine Anträge. Es wird im Plenum entschieden. Wie ich abstimme, hängt davon ab, was dort drin steht. Einen Fraktionszwang gibt es nicht. Ich kenne persönlich keine Personen, die nicht geimpft sind. Ich kann nur an die Solidarität appellieren. Schon durch 2G kommt mehr Druck rein. Ich hatte schon vor der Bundestagswahl gesagt, dass ich mir vorstellen kann, dass für einen Teilbereich ein Impfzwang kommt – wie bei Masern.“
Nina Scheer (SPD)
„Jede weitere Verzögerung lässt eine allgemeine, sanktionsbewehrte Impfpflicht gegenüber der nur eingeschränkten Impfpflicht notwendiger werden. Nach bereits vor einigen Wochen meinerseits befürworteten, einrichtungs- beziehungsweise tätigkeitsbezogenen Impfpflichten halte ich mit Blick auf die jüngsten Erklärungen aus dem Ethikrat eine allgemeine Impfpflicht für inzwischen geboten.
Auch partielle Impfpflichten wären zwar ein Fortschritt. Für eine weitergehende allgemeine Impfpflicht spricht allerdings ein Mehr an Rechtssicherheit und Transparenz. Zumal sich die Schutzbedarfe angesichts der allgemein verschärften Situation nicht auf die betreffenden Einrichtungen begrenzen lassen.
Parallel gilt es, leicht zugängliche Impfangebote beschleunigt und drastisch auszuweiten sowie dies auch breit angelegt zu kommunizieren. Alle Fernseh- und Radiosender sollten kontinuierliche Impfaufrufe senden und auch Informationen über die Situation auf den Intensivstationen ausweiten. Ich begrüße sehr, dass Olaf Scholz die Perspektive auf die allgemeine Impflicht eröffnet hat.“
Konstantin von Notz (Die Grünen)
„Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich noch nicht einschätzen, wie ich abstimmen werde. Es handelt sich um einen komplexen Sachverhalt. Deshalb möchte ich mir erst in Ruhe die Vorlagen ansehen, bevor ich eine Entscheidung treffe.“
Uwe Witt (AfD)
„Ich werde mit Nein stimmen, da eine Impfpflicht unverhältnismäßig in die Freiheitsrechte eines jeden Einzelnen eingreifen würde. Zumal auch Geimpfte noch ansteckend sein können und sich auch selber infizieren können. Jeder muss für sich selbst die Entscheidung treffen, wie er mit dieser Situation umgeht. In meinen Augen wäre zurzeit die optimalere Lösung 1G für alle einzuführen, da nur Getestete annähernd sicher sind.“
Bettina Hagedorn (SPD)
„Die drängende Diskussion zur allgemeinen Impfpflicht ist leider zwingend erforderlich, wenngleich ihre gesetzliche Einführung nicht kurzfristig in der „vierten Welle“ helfen wird, sondern eher nachhaltig zum ersten Quartal des neuen Jahres.
Es ist absolut nicht akzeptabel, dass immer noch 16 Millionen Menschen nicht geimpft sind, obwohl sie es sein könnten. Wir verfügen seit fast einem Jahr über hochwirksame und sichere Impfstoffe, die millionenfach erprobt und seit dem Frühsommer für jeden Impfwilligen verfügbar sind. Leidtragende durch diese Leichtsinnigkeit und Ignoranz sind nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern vor allem Pflegerinnen und Pfleger, Ärzte und Ärztinnen, die am Limit arbeiten.
Als ersten Schritt werden wir jetzt sehr kurzfristig eine einrichtungsbezogene Impfpflicht einführen, die Personal in Einrichtungen, in denen verletzliche Gruppen betreut, gepflegt und behandelt werden, zur Impfung verpflichtet. Fakt ist, dass die Bereitschaft zur Impfung drastisch gesteigert werden muss, weshalb der Bundestag unter Aufhebung des Fraktionszwangs darüber abstimmen wird. Deshalb werde ich bei einer solchen Abstimmung mit Ja stimmen.“
Bengt Bergt (SPD)
„Es wird eine Gewissensentscheidung. Ich bin pro Impfpflicht, aber ab 18 Jahren – ich bin nicht dafür, Kinder impfen zu müssen. Wir haben alle Mittel ausgeschöpft, die vorher da waren, wir müssen auch die Situation aufarbeiten, die uns von den letzten Verantwortlichen übergeben worden ist. Es ist angemessen, eine Impfpflicht ab Februar greifen zu lassen, um den Leuten, die es bisher nicht getan haben, jetzt die Gelegenheit zu geben, sich impfen zu lassen.“