Nienwohld. Annemarie Burmester-Kolwe (72) aus Nienwohld engagiert sich seit fast 40 Jahren für das Naturschutzgebiet Wittmoor.
Fast jeden Tag setzt sich Annemarie Burmester-Kolwe mit ihrer Jagdhündin ins Auto und fährt die zwölf Kilometer ins Naturschutzgebiet Wittmoor. Seit mehr als 20 Jahren ist die Nienwohlderin dort ehrenamtlich für die Flora und Fauna verantwortlich. „Eigentlich ist das wie ein Hauptamt, nur ohne Bezahlung“, sagt die 72-Jährige lachend. Geld will sie nicht. Die Zeit in der Natur ist Lohn genug. Doch nun hat sie einen bekommen, in Form von Anerkennung. Für ihren Einsatz bei der Renaturierung des ehemaligen Torf-Abbaugebiets erhielt Annemarie Burmester-Kolwe die höchste Auszeichnung – das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Die Ankündigung erhielt sie schon im April per Post
Im April kam ein Brief von der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein ins Haus geflattert. „Ich habe mir das Anschreiben zunächst gar nicht so genau durchgelesen“, erinnert sich die Ehrenamtlerin, die wegen ihrer Arbeit im Umweltschutz ausgiebigen Kontakt mit der Landesregierung pflegt und aus Kiel oft Post bekommt. Eigentlich kommen die Briefe aber vom Umweltministerium oder der Naturschutzbehörde. Die Staatskanzlei hatte ihr noch nie geschrieben. Als sie im Umschlag keine Broschüren oder ähnliches fand, nahm sie das Anschreiben dann doch genauer unter die Lupe – und konnte den Inhalt zunächst gar nicht richtig realisieren: „Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich begriffen habe, was die von mir wollen. Nämlich mir das Bundesverdienstkreuz verleihen.“ Mit dem Gedanken habe sie sich nie zuvor auseinandergesetzt. Das sei schließlich nichts, worauf man hinarbeite. Überreicht wurde ihr das Verdienstkreuz am Dienstag in Kiel bei einer „sehr gelungenen Feierlichkeit und guten Gesprächen“, wie sie sagt.
Die 72-Jährige ist eine Art Parkrangerin
Annemarie Burmester-Kolwe engagiert sich seit fast 40 Jahren im Naturschutz und übernahm 1997 die Jagdpacht für das Wittmoor bei Norderstedt von ihrem damals verstorbenen Mann – und damit auch die Verantwortung für Naturschutzgebiet. Seitdem ist sie so eine Art Parkrangerin. „Ich muss darauf achten, dass die Natur hier den Raum bekommt, den sie braucht“, sagt Burmester-Kolwe. Das sei nicht immer einfach. Seit der Corona-Pandemie wird das Gebiet an Wochenenden von Besuchern buchstäblich überrannt und nicht alle halten sich an die Regeln. Immer wieder kommt es vor, dass Spaziergänger die Wege verlassen, Hunde nicht angeleint sind, gegrillt oder auf den Wegen mit dem Fahrrad gefahren wird. Das alles ist im Naturschutzgebiet nicht erlaubt. „Das ist oft nicht einfach. Ich will den Leuten ja auch nicht ihren Besuch vermiesen und ich versuche das mit Augenmaß zu machen“, sagt sie. Und Menschen sollen eben auch die Möglichkeit haben, das Wittmoor hautnah zu erleben, das ist Annemarie Burmester-Kolwe ein wichtiges Anliegen.
Vor allem Kinder und Jugendliche will die Nienwohlderin für Natur begeistern
Das gilt nicht nur für die Wochenendbesucher. Vor allem Kinder und Jugendliche will die Nienwohlderin erreichen. Mehrmals im Jahr bietet die Gebietsbetreuerin Exkursionen an. Mitte Oktober kommt eine Oberstufenklasse aus Volksdorf ins Moor. Die Führungen sind immer altersgerecht gestaltet. „Richtig viel Spaß macht das mit Kindern so im Alter von fünf bis sechs Jahren“, schwärmt die Ehrenamtlerin. „Die wollen alles entdecken und wissen.“ Selten habe sie ein Kind getroffen, dass sich nicht für die Natur interessiert.
Brücken bauen, Wissen vermitteln und Netzwerken: Auch dafür hat Annemarie Burmester-Kolwe das Bundesverdienstkreuz erhalten. Neben dem 106 Hektar großen Naturschutzgebiet „Wittmoor“ gibt es in Schleswig-Holstein noch 23 weitere, die vom Landesjagdverband betreut werden. Nachdem Burmester-Kolwe die Jagdpacht übernommen hatte, fing sie damit an, ein Netzwerk aufzubauen. Seitdem ist der Austausch zwischen den Verantwortlichen der Naturschutzgebiete wesentlich intensiver geworden. Sogar über die Landesgrenzen hinweg. Das Wittmoor liegt direkt an der Hamburger Stadtgrenze.
Ursprüngliche Gebiete, in denen sich die Natur nach Belieben entwickeln kann, gibt es nur noch wenige. Doch ohne menschliche Eingriffe geht es auch hier nicht. „Ich bin ja eigentlich jemand, der am liebsten alles der Natur überlassen würde“, sagt die Nienwohlderin. Doch im Wittmoor wird das noch eine ganze Weile nicht möglich sein. Früher ist in dem Gebiet Torf gestochen worden. Teilweise noch immer vorhandene Entwässerungsgräben sorgen dafür, dass der Wasserspiegel gesunken ist und sich das Moor zurückgebildet hat. Ohne Naturschützer wie Annemarie Burmester-Kolwe und die Unterstützung der Landesregierung würde sich das Moor wegen der Eingriffe durch den Menschen von allein nicht erholen können.
Im Wittmoor gibt wieder mehr Tierarten – sogar Waschbären sind zurück
„Die Natur braucht ihre Zeit. Viele der Dinge sind oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten zu sehen“, so die 72-Jährige. Aber sie wirken. Das hat die Zeit bereits gezeigt. Nach der Unterschutzstellung 1978 wurden vorhandene Entwässerungsgräben abgedichtet. Dadurch sind bis heute zwei Hochmoorseen entstanden. Birken, die dem Boden viel Feuchtigkeit entziehen, sind bereits abgestorben. Ziel ist die Entwicklung hochmoortypischer Lebensgemeinschaften und ein von der Umgebung unabhängiger Wasserhaushalt. Mittlerweile gibt es im Hochmoor wieder mehr Tierarten. Die Wildschweine sind wieder da, und zuletzt kamen die Waschbären. Auch Kraniche und Wachtelkönige fühlen sich hier wieder wohl, ebenso wie eine Vielzahl an Insekten, Kriechtiere und Reptilien.
Die Nienwohlderin wird sich weiter für das Moor einsetzen
In den ehrenamtlichen Ruhestand wird Annemarie Burmester-Kolwe noch lange nicht gehen: „Das Moor gehört zu meinem Leben, ohne die Besuche in der Natur geht es nicht.“ Die Jagdpacht hat sie allerdings abgegeben. An jemanden, dem sie vertraut. Denn auch die Jagd gehört für sie zum Naturschutz. Sonst würde sich das Wild wegen dem Mangel an natürlichen Fressfeinden unkontrolliert vermehren. „Ich fahre jetzt unbewaffnet ins Moor, genieße einfach die Natur und sorge dafür, dass es dem Naturschutzgebiet gut geht“, sagt sie.
Um damit weiterzumachen, wäre ein Bundesverdienstkreuz nicht nötig gewesen, sagt die Stormarnerin: „Aber schön ist das schon. Es zeigt, dass es jemandem aufgefallen ist, was hier geleistet wird. Und wer sagt, dass ihm Anerkennung vollkommen unwichtig ist, der sagt nicht die Wahrheit.“