Norderstedt. Wer schafft den Sprung in den Bundestag? Das Abendblatt stellt Direktkandidaten vor. Heute: Sven Wendorf (AfD).

Es ist ein sonniger Nachmittag. Sven Wendorf sitzt auf einer Bank im Norderstedter Willy-Brandt-Park und genießt die Sonnenstrahlen. Von der Grünfläche im Zentrum von Schleswig-Holsteins fünftgrößter Stadt aus sind es zu Fuß nur wenige Minuten zur Wohnung des 49-Jährigen. Das Einkaufszentrum Herold-Center liegt in Sichtweite. „Diese grüne Oase in der Stadtmitte ist eines der Dinge, die mir an Norderstedt so gefallen“, sagt Wendorf. Dennoch zieht es den 49-Jährigen nach Berlin: Am 26. September bewirbt er sich als Direktkandidat für die AfD um das Mandat im Wahlkreis 8 (Segeberg-Stormarn-Mitte).

Umzug nach Berlin würde nicht schwerfallen

Schwerfallen würde dem Norderstedter ein Umzug in die Hauptstadt nicht. Mit Ortswechseln hat Wendorf, der sich selbst als „Typ Abenteurer“ bezeichnet, keine Probleme. Bis auf Australien und die Antarktis hat der 49-Jährige bereits alle Kontinente bereist.

„Das Fernweh hat mich schon früh gepackt“, sagt er. 1972 in Lübeck geboren und in dem kleinen Ort Ahrensbök in Ostholstein aufgewachsen, absolviert Wendorf zunächst eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten in seiner Heimatgemeinde.

Nach dem Wehrdienst reiste er ein Jahr mit Rucksack durch Westafrika

Der Wehrdienst wird für ihn schließlich zum Tor in die Welt. „Ich wollte etwas sehen und habe mich gleich für vier Jahre verpflichtet“, erzählt er. Wendorf wird bei der Jägereinheit der Infanterie am Bodensee stationiert, dient dort als Ausbilder. Im Anschluss reist der 49-Jährige ein Jahr mit Rucksack durch Westafrika. „Ich habe mich mit Aushilfsjobs in Nationalparks und einfachen Handwerkstätigkeiten über Wasser gehalten“, erinnert der Norderstedter sich. Im Anschluss bereist Wendorf ein weiteres Jahr die USA.

Inzwischen ist er bei einem Medienunternehmen in Hamburg tätig. Seit 2000 lebt er in Norderstedt – mit Unterbrechungen. „Von 2005 bis 2008 habe ich drei Jahre auf Gran Canaria gelebt und war dort freischaffend tätig“, sagt Wendorf. Später war er einige Monate in Japan, half dort nach Vermittlung durch eine Hilfsorganisation auf einer von einem Erdbeben getroffenen Pferderanch. „Es tut gut, sich ab und an eine Auszeit vom Berufsalltag zu nehmen“, sagt Wendorf.

Der 49-Jährige hat kein Auto

An seiner Heimatstadt schätzt der 49-Jährige vor allem die Nähe zu Hamburg. „Ich bin in kürzester Zeit in der Innenstadt und trotzdem haben sich Norderstedts Stadtteile ihren grünen Charakter bewahrt“, schwärmt er. Die Stadt sei eine Schnittstelle zwischen Metropole und ländlichem Raum. Zur Arbeit fährt der Norderstedter mit der U-Bahn von der wenige Gehminuten von seiner Wohnung entfernten Station Garstedt aus. Ein Auto hat er nicht. „Das brauche ich gar nicht, die Anbindung ist hervorragend“, sagt der 49-Jährige.

Seit 2017 ist Sven Wendorf Mitglied der AfD, baute den Norderstedter Stadtverband der Partei mit auf und ist heute dessen Vorsitzender. Ein Jahr später wurde der 49-Jährige bürgerliches Mitglied im Kulturausschuss seiner Heimatstadt. Im selben Jahr rückte er über die Parteiliste für die AfD in den Segeberger Kreistag nach und ist dort seitdem Mitglied des Bildungs-, Kultur- und Sportausschusses.

Sprache und Literatur faszinieren den Norderstedter

Bildungs- und Kulturpolitik läge ihm besonders am Herzen, sagt Wendorf. „Sprache und Literatur haben mich schon immer fasziniert“, erzählt der Norderstedter. Schon als Kind habe er viel gelesen, auch heute schlage er gern ein Buch auf, wenn es die Zeit erlaube. Wendorfs Lieblingsbücher? Unter anderem Tolkiens „Herr der Ringe“-Reihe und Gerorge Orwells dystopischer Zukunftsroman „1984“. Zurzeit habe es ihm „Das Haus – House of Leaves“ des US-Autors Mark Z. Danielewski angetan.

Fünf Sprachen beherrscht er, zusätzlich zu Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch lernt Wendorf seit fünf Jahren Japanisch. „Es ist spannend zu sehen, wie verschiedene Kulturen sprachliche Probleme unterschiedlich lösen“, sagt er. Im Gegensatz zu den westeuropäischen Sprachen, die Lautsprachen seien, sei Japanisch auch eine Bildersprache. „Die Worte werden nicht aus Buchstaben zusammengesetzt wie im Deutschen, sondern es gibt Zeichen für verschiedene Begrifflichkeiten“, sagt Wendorf. „Das erschließt einem ganz neue Sicht- und Denkweisen.“

Die Affinität zur Sprache sei einer der Gründe gewesen, warum er in die Politik gegangen sei. „Die Initialzündung war die Rechtschreibreform Ende der 1990er-Jahre“, sagt der 49-Jährige. „In Schleswig-Holstein gab es damals einen Volksentscheid und obwohl sich die Mehrheit gegen die Reform ausgesprochen hat, wurde sie kurz darauf durch die Hintertür eingeführt.“ Da habe er das erste Mal eine Politikverdrossenheit bei sich selbst verspürt.

Die Rechtschreibreform hat ihn zur Politik gebracht

Später seien dann der „überhastete Atomausstieg“ und die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise 2015 hinzugekommen. „Das waren kurzfristige Entscheidungen aus dem Bauch heraus, ohne zu überdenken, welche Folgen sie Jahrzehnte später noch haben“, kritisiert Wendorf. Da habe er für sich den Eindruck gewonnen, dass in der Politik etwas nicht stimme.

Ein persönliches Anliegen ist Wendorf die Gender-Sprache. „Die aktuelle Debatte um gendergerechte Formulierungen geht mir gegen den Strich“, sagt er. „Die Darstellung, dass das generische Maskulinum diskriminierend sei, ist falsch.“ Es habe nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun, sondern sei lediglich ein grammatikalisches Konstrukt. Der 49-Jährige sagt: „Obwohl viele die Gender-Sprache für überflüssig halten, traut sich kaum jemand, das offen auszusprechen.“

Sogar die Segeberger Kreisverwaltung habe die Gender-Sprache kürzlich auf Beschluss des Kreistages eingeführt. „Obwohl viele dagegen waren, haben sie mit Ja gestimmt, aus Angst, als rückständig oder sexistisch zu gelten“, erzählt Wendorf. Solche Entwicklungen halte er für gefährlich. „Für mich gehört es zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dass jeder sich trauen kann, seine Meinung offen auszusprechen.“

Nur geringe Chance gegen CDU- und SPD-Kandidaten

Dies sei der Hauptgrund, warum er für den Bundestag kandidiere. „Ich weiß natürlich, dass ich es gegen die Kandidaten von CDU und SPD schwer habe“, sagt Wendorf. „Aber ich möchte den Bürgern, die die Dinge ähnlich sehen wie ich, eine Stimme geben.“ Er wisse, dass er für seine Parteimitgliedschaft angefeindet werde, habe das im Wahlkampf auch erlebt. „Dennoch möchte ich den Menschen ein Angebot machen, denn eine große Auswahl an Kandidaten stärkt die Demokratie.“