Trittau. Pilotprojekt der schleswig-holsteinischen Landesregierung wird wissenschaftlich begleitet. Betreiber hofft auf Zuschlag für Öffnung.

Es ist eine Chance auf den Neubeginn – nicht mehr und nicht weniger. Doch Knut Walsleben, Betreiber der Diskothek Fun-Parc in Trittau, will sie ergreifen. Er sagt: „Wir klammern uns an jeden noch so dünnen Strohhalm.“ Denn für die gebeutelte Branche geht es ums Ganze. Mit einem befristeten Modellprojekt will die schleswig-holsteinische Landesregierung für Aufwind bei den von der Corona-Krise besonders betroffenen Clubbetreibern sorgen. Drei ausgewählten Discos unterschiedlicher Größe soll unter strengen Auflagen ein Probebetrieb auf Zeit ermöglicht werden. Bewerbungen sind bis 2. Juli möglich.

Tanzen mit Maske und mit Abstand ist realitätsfremd

Wenn es nach Walsleben geht, ist der Fun-Parc mit dabei. Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) hat das Projekt initiiert. Er sagt: „Es ist eine Abwägung zwischen Mut und der Chance – sowohl für die Branche als auch für die jungen Leute –, mal wieder ausgelassenes Feiern legal zu ermöglichen.“ Dabei werde vorsichtig zu Werk gegangen, um nicht zu riskieren, „dass das Infektionsgeschehen gerade in dieser Zielgruppe explodiert“, so der Wirtschaftsminister weiter.

Klar sei aber auch, dass es keinen Sinn ergebe, von den Besuchern zu verlangen, eine Maske zu tragen und die Sicherheitsabstände auf der Tanzfläche einzuhalten. Da ist Buchholz Pragmatiker, er sagt: „Das ist realitätsfremd und obendrein nur der halbe Spaß.“

Erfahrungen der Berufsverbände fließen in Konzept ein

Eine Aussage, der Knut Walsleben zustimmt. Er sagt: „Bernd Buchholz hat es so benannt, wie es in der Realität nun mal ist.“ Walsleben vertritt als Präsident des Bundesverbandes deutscher Disco­theken und Tanzbetriebe (BDT) die Interessen vieler Kollegen. „Wir sind der Landesregierung dankbar, dass sie uns die Möglichkeit gegeben hat, eine Stellungnahme zu dem Projekt abzugeben.“ So könnten die Erfahrungen der Berufsverbände dabei berücksichtigt werden.

Das Vorhaben sei ein mutiger Vorstoß des Wirtschaftsministers. „Wir sind froh über seine Aussage, dass unsere Branche nicht vergessen wird.“ Durch das Pilotprojekt bestehe die Möglichkeit, den Normalbetrieb zu simulieren. Der Aufwand ist dennoch hoch: Besucher müssen genesen oder geimpft sein oder einen maximal sechs Stunden zurückliegenden Corona-Negativtest nachweisen. Sie müssen sich zuvor anmelden und der Weitergabe ihrer persönlichen Daten zustimmen, denn das Projekt soll wissenschaftlich begleitet werden. Für Getestete oder Gäste, die nach dem Besuch Symptome aufweisen, sind vier weitere Corona-Tests im Nachgang Pflicht. Wer sie verweigert, soll von weiteren Besuchen ausgeschlossen werden.

„Die Discos sind Teil der Lösung, nicht des Problems“

Knut Walsleben an der Bar im Fun-Parc. Der Trittauer hofft, dass sein Betrieb den Zuschlag für eine Teilnahme am Modellprojekt erhält.
Knut Walsleben an der Bar im Fun-Parc. Der Trittauer hofft, dass sein Betrieb den Zuschlag für eine Teilnahme am Modellprojekt erhält. © Unbekannt | Lutz Kastendieck

Walsleben unterstützt das Konzept, er sagt: „Wer sich nicht testen oder impfen lassen will, muss eben zu Hause bleiben.“ Die Discos seien Teil der Lösung, nicht des Problems. Der Trittauer ist überzeugt: „Das Feiern steckt in den Menschen drin.“ Als Beispiele nennt er die großen Gruppen Jugendlicher am Lütjen- oder Großensee oder die selbst durch Polizeistreifen kaum kontrollierbaren Menschenmassen an der Hamburger Reeperbahn.

„Eine Veranstaltung mit geregeltem Ablauf, unter Berücksichtigung der Drei-G-Regel („geimpft, getestet, genesen“, die Red.) und bei Kontaktrückverfolgung in einem gewissen abgesteckten Rahmen halte ich da klar für die bessere Alternative, als die Leute sich selbst zu überlassen“, so Walsleben.

Große Versammlungsstätten haben Lüftungsanlagen

Der Wirtschaftsminister sagt: „Wir wollen für die gesamte Branche den Nachweis führen, dass ein Diskotheken-Betrieb verantwortbar auch für Getestete, Geimpfte und Genesene möglich ist.“

Wer den Zuschlag erhält, darf innerhalb von vier Wochen drei Tanzveranstaltungen anbieten, und das nahezu ohne Einschränkungen. Die Betreiber müssen sich mit den Behörden und dem Gesundheitsamt abstimmen. Auf die Frage, ob in geschlossenen Räumen die Ansteckungsgefahr nicht besonders hoch sei, antwortet Walsleben: „Zumindest die größeren Versammlungsstätten haben Lüftungsanlagen.“ Im Fun-Parc sei sie besonders leistungsstark. So werde die Luft im Innenbereich zehnmal pro Stunde komplett ausgetauscht.

„Keine Freude zu haben, ist auch nicht der richtige Weg“

In puncto Sicherheit, auch im Hinblick auf die neue Delta-Variante, verlässt sich der Betreiber auf die Landesregierung. „Die Verantwortlichen werden sich doch Gedanken gemacht haben, bevor sie mit dem Projekt an die Öffentlichkeit gegangen sind.“ Es müsse ein Leben mit dem Virus geben. „Auf Delta folgt vielleicht die nächste Variante.“

Die Gesellschaft stelle jetzt fest, dass Menschen nicht unverwundbar seien und geschützt werden müssten. „Doch es kann nicht sein, dass man alle dazu verdonnert, sich auf Dauer nicht zu bewegen, nicht auszugehen und keine Freude zu haben“, argumentiert der Disco-Betreiber. Irgendwann müsse man einen Schritt in die richtige Richtung wagen. Walsleben weiter: „Der Zeitpunkt dafür ist jetzt gekommen.“

Informationen zum Modellprojekt Diskotheken finden sich unter https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/VII/_startseite/Artikel2021/II/2106_Material_Juni/210621_Konzept_Modellprojekt_Disco.html. Bewerber reichen ihre Unterlagen in digitaler Form per E-Mail an modellprojekt.disko@wimi.landsh.de ein. Einsendeschluss ist Freitag, 2. Juli.