Grosshansdorf. Waldgemeinde wurde ausgewählt, um eine neue Software zu testen. Für den 19. April ist ein Probedurchlauf geplant.
Die Corona-Pandemie stellt die Kommunalpolitik nicht nur ob ihrer Folgen für Wirtschaft, Schulen und Gesundheitswesen vor enorme Herausforderungen, auch die Zusammenkünfte der Politiker unter Einhaltung der Kontaktbeschränkungen und des Mindestabstandes gestalten sich schwierig. Viele Städte und Gemeinden wollen deshalb schnellstmöglich die Voraussetzungen schaffen, dass die Gremien per Videokonferenz tagen können. Doch an der technischen Umsetzung hapert es vielerorts, der Grund sind Bedenken der Kommunalpolitiker beim Datenschutz. In Großhansdorf soll nun eine neue Software getestet werden, die später landesweit für digitale Sitzungen zum Einsatz kommen soll.
Die getestete Software kommt später landesweit zum Einsatz
„Entscheidend ist, dass die Datenverarbeitung in Deutschland abgewickelt wird“, sagt Gabriele Hettwer, Hauptamtsleiterin im Großhansdorfer Rathaus, die das Projekt in der Waldgemeinde betreut. Um die gesetzlich vorgeschriebene Öffentlichkeit herzustellen, müssen die Sitzungen für alle Bürger einsehbar im Internet übertragen werden. Bei den aktuell verfügbaren Streaminglösungen, etwa über Youtube, werden die Daten auf Servern im Ausland, vor allem in den USA, gespeichert.
Mehrere Stormarner Kommunen haben Vorbehalte gegen Live-Übertragung
In mehreren Stormarner Kommunen hatten die Kommunalpolitiker deshalb Vorbehalte gegen eine Live-Übertragung ins Internet geäußert, darunter in Ahrensburg, Reinbek und Ammersbek und das Thema vertagt. Großhansdorfs Gemeindevertretung hat die erforderliche Änderung der Hauptsatzung und der Geschäftsordnung der Gemeindevertretung hingegen bereits abgesegnet und damit den Weg für Online-Sitzungen frei gemacht.
Das Konferenzprogramm soll besonders sicher sein
Die Waldgemeinde ist neben der Stadt Eutin (Kreis Ostholstein), der Gemeinde Altenholz, dem Amt Dänischer Wohld (beide Kreis Rendsburg-Eckernförde) und dem Kreis Dithmarschen eine von fünf Modellkommunen in Schleswig-Holstein, die das Unternehmen Dataport ausgewählt hat, um das künftige, datensichere System zu erproben. Die Anstalt des öffentlichen Rechts betreut als Informationsdienstleister die Kommunikation der behördlichen Verwaltung in sechs Bundesländern, darunter Schleswig-Holstein und Hamburg und wurde von der Kieler Landesregierung mit der Entwicklung eines eigens auf die Bedürfnisse der Kommunalpolitik abgestimmten Konferenzprogramms beauftragt.
Probesitzung mit fiktiver Tagesordnung
Der sogenannten Usergroup, die das Projekt koordiniert, gehören laut Dataport etwa 15 Personen aus den fünf Modellkommunen an. „Es gibt einen regelmäßigen bilateralen Austausch“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Darüber hinaus soll es alle sechs Wochen einen Erfahrungsaustausch in großer Runde geben. Um das neue System zu testen und mögliche Schwachstellen ausfindig zu machen, soll es in Großhansdorf am 19. April eine Probetagung der Gemeindevertretung geben. „Wir werden eine Sitzung mit fiktiver Tagesordnung simulieren, um den Ablauf zu proben“, sagt Hettwer.
Neben der Spitze der Verwaltung und den Fraktionschefs sollen im Rathaus auch IT-Experten von Dataport vor Ort sein. Alle übrigen Gemeindevertreter sollen sich per Kamera dazu schalten. „Es geht dann etwa darum, zu schauen, wie wir rechtssicher Abstimmungen durchführen können, ob per Chat oder per mündlicher namentlicher Abfrage oder ob eine Extra-Funktion integriert werden muss“, sagt die Hauptamtsleiterin. In Zukunft sollen nur der Sitzungsleiter, der Bürgermeister, die Amtsleiter und ein Protokollant im Sitzungssaal vor Ort sein.
Einwohnerfragestunde ist eine technische Herausforderung
Eine weitere Herausforderung sei die Abwicklung der Einwohnerfragestunde. Laut Gemeindeordnung haben alle Einwohner das Recht, während der Sitzungen Fragen an die Politiker und die Verwaltung zu stellen. Die Hauptsatzung sieht vor, dass Bürger ihre Fragen entweder im Voraus schriftlich einreichen könnten oder aber in den Sitzungssaal des Rathauses kommen können, in den die Sitzungen auf eine Leinwand übertragen werden sollen, um ihre Frage zu stellen. „Da müssen wir noch ausprobieren, wie es technisch umsetzbar ist, dass die Fragesteller im Saal für alle Sitzungsteilnehmer am Bildschirm zu Hause zu sehen sind“, sagt Hettwer. Verwaltungsmitarbeiter sollen dazu während des Probedurchgangs in die Rolle von Großhansdorfer Bürgern schlüpfen.
In Eutin wurde das Konferenztool bereits getestet
Die Stadt Eutin war laut Dataport die erste Kommune, die im März testweise eine Ausschusssitzung über die neue Software durchgeführt hat. Grundlage für das Konferenztool sei die Open-Source-Videosoftware Jitsi, die um Funktionen erweitert und angepasst werde, so das Unternehmen. Der Vorteil sei, dass die Software über den Internetbrowser laufe und keine Installation auf dem Computer erforderlich sei. Es genüge, einen Weblink zu öffnen. Bürger sollen den Livestream auf der Internetseite der Kommune verfolgen können.
Bürgermeister Voß: „Kein hundertprozentiger Ersatz für Sitzungen in Präsenz“
Nach der Probesitzung möchte Großhansdorfs Verwaltung ihre Erfahrungen mit anderen Städten und Gemeinden in Stormarn teilen. „Es gibt großes Interesse“, sagt Bürgermeister Janhinnerk Voß. Der Verwaltungschef sagt: „Wir sind dankbar, dass wir diese Möglichkeit bekommen, mit unserem Feedback an der Entwicklung der Software mitzuwirken.“ Der Bürgermeister betont aber: „Eine Videokonferenz wird kein hundertprozentiger Ersatz für Sitzungen in Präsenz sein und kann deshalb nur die absolute Ausnahme bleiben.“
Wann ein solcher Krisenfall gegeben ist, entscheidet gemäß Hauptsatzung in Großhansdorf der Bürgermeister gemeinsam mit dem Bürgervorsteher. Bis zur Einführung der neuen Plattform soll es noch bis zu vier weitere Testdurchläufe in der Waldgemeinde geben. Voß: „Die pandemische Entwicklung zeigt, dass es wichtig ist, dass wir für den Ernstfall gewappnet sind.“