Lübeck/Barsbüttel. Zwei Bandenmitglieder stehen vor Gericht. Sie schlugen in Barsbüttel, Hamburg und im nördlichen Niedersachsen zu.

Es ist eine besonders hinterhältige Masche, deren Opfer immer wieder vor allem ältere Menschen werden: Kriminelle melden sich per Telefon bei den arglosen Senioren und geben sich als Polizeibeamte aus. Geschickt gewinnen sie das Vertrauen ihrer ahnungslosen Opfer und bringen sie unter Vorwänden dazu, Komplizen ihr Erspartes auszuhändigen. Das Verfahren gegen zwei Mitglieder einer solchen Bande, einen 26 Jahre alten Deutschen und einen drei Jahre jüngeren Deutsch-Afghanen, hat am Freitag vor dem Landgericht Lübeck begonnen. Die Männer sollen auch in Barsbüttel zugeschlagen und insgesamt rund 58.000 Euro erbeutet haben.

Ein Angeklagter sitzt derzeit in der JVA Lübeck

Die Staatsanwaltschaft wirft Cihan M. (Namen geändert) besonders schweren Betrug und Amtsanmaßung in sieben Fällen vor. An sechs davon soll sein Komplize Aziz U. beteiligt gewesen sein, zusätzlich soll U. in zwei weiteren Fällen Beihilfe zum bandenmäßigen Betrug geleistet haben (Az.: 704 Js 13880/20). Der 23-Jährige sitzt derzeit in der Justizvollzugsanstalt Lübeck in Untersuchungshaft, M. ist unter Auflagen auf freiem Fuß.

Gegen einen Mittäter läuft ein gesondertes Verfahren

Zwischen Januar und April des vergangenen Jahres sollen die Männer mindestens elfmal in Stormarn, Hamburg und dem nördlichen Niedersachsen zugeschlagen haben. Neben den beiden Angeklagten soll ein weiterer Mann beteiligt gewesen sein, der im Tatzeitraum noch minderjährig war und gegen den ein gesondertes Verfahren läuft. Darüber hinaus geht die Anklagebehörde von weiteren unbekannten Tätern aus.

Eine ältere Barsbüttelerin war das erste Opfer

Das erste Opfer der Bande soll am 26. Februar 2020 eine Seniorin aus Barsbüttel gewesen sein. „Die Masche war immer dieselbe“, sagt Staatsanwalt Felix Schwetzko zum Abendblatt. Zunächst seien die Kriminellen über ein Telefonbuch an die Nummern ihrer potenziellen Opfer gelangt. „Dann erfolgte der Anruf aus einem Callcenter in der Türkei.“ Am Hörer hätten sich die Verbrecher als Polizeibeamte ausgegeben und behauptet, es laufe ein Ermittlungsverfahren und bei den Kriminellen seien die Bankdaten der Opfer gefunden worden.

„Ihnen wurde glaubhaft gemacht, dass sie ihr Erspartes von der Bank abheben und es der Polizei übergeben müssen“, so der Staatsanwalt. In anderen Fällen hätten die Betrüger vorgetäuscht, Mitarbeiter der Bank der Senioren zu sein. „Sie behaupteten, es gebe verdächtige Bewegungen auf dem Konto der Opfer und deshalb sollten sie das Geld vorsichtshalber abheben und der Polizei übergeben.“

Die Betrüger überwiesen das Geld in die Türkei

Auch hätten die Kriminellen erzählt, es handele sich bei dem abgehobenen Betrag um Falschgeld, weshalb die Polizei es gegen echte Scheine austauschen müsse. Anschließend seien die Senioren angewiesen worden, das Bargeld in der Mülltonne oder unter der Fußmatte zu deponieren, wo es die falschen Beamten abgeholt und auf Bankkonten in der Türkei überwiesen hätten. Mit beiden Maschen waren die Verbrecher mehrfach erfolgreich.

So hob etwa die Barsbüttelerin laut Staatsanwaltschaft 7000 Euro von ihrem Konto ab und deponierte es in ihrer Mülltonne. „Die Aufgabe der beiden Angeklagten als sogenannte Logistiker war es, das Geld bei den Opfern abzuholen und in die Türkei zu transferieren“, sagt Schwetzko. Ob die Ermittler auch eine Spur zu den Auftraggebern in dem Land haben, wollte er nicht beantworten: „Die Ermittlungen dauern an.“

Hinweis brachte die LKA-Ermittler auf die Spur der Täter

Der Hinweis eines misstrauischen Opfers habe die Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) auf die Spur von Cihan M. und Aziz U. geführt. „Der Dame kamen die Angeklagten verdächtig vor und sie alarmierte die Polizei“, sagt Schwetzko. Daraufhin hätten die Beamten eine Funkzellenabfrage für den Umkreis des Wohnortes der Seniorin durchgeführt. „Dabei konnte einer der Angeklagten in dem Bereich festgestellt werden“, so der Staatsanwalt.

Das LKA habe die Telefonüberwachung des Angeklagten ausgeweitet und so seinen Komplizen identifizieren können. „Schließlich hat das LKA zugegriffen und den gesondert angeklagten Heranwachsenden auf frischer Tat ertappt“, sagt Schwetzko.

Die beiden Männer ließen über ihre Anwälte Geständnisse verlesen

Vor Gericht zeigten sich die Männer kooperativ. Gleich zu Beginn ließen sie über ihre Anwälte Geständnisse verlesen. „Mein Mandant möchte mit der Sache abschließen“, sagte M.s Verteidigerin Nicola Toillie. „Ich muss leider sagen, dass die Vorwürfe vollumfänglich zutreffen“, las sie. Ein Jugendfreund aus der Türkei habe ihn angeworben, so der 26-Jährige. „Ich sollte Geld für ihn abholen und in die Türkei überweisen. Das schnelle Geld war einfach zu verlockend“, so M. Aziz U. habe er später dazu geholt. „Er brauchte Geld.“ Inzwischen bereue er die Taten zutiefst und wünschte, er könne sie rückgängig machen.

Verfahren wird am 19. März fortgesetzt

Hier knüpfte das Geständnis von Aziz U. an. „Cihan bot mir einen Job an, ich habe zugesagt, weil ich Schulden hatte“, las U.s Anwalt Maximilian Pancic. „Es war leichtes Geld.“ Inzwischen quäle ihn jedoch sein Gewissen. „Ich habe den alten Menschen ihr ganzes Erspartes genommen, das kann ich nicht wieder gutmachen“, las U.s Anwalt. Dennoch wolle er den Opfern Entschädigung zukommen lassen. „Mein Mandant spart und verkauft persönliche Wertgegenstände, um zumindest einen kleinen Betrag zurückzahlen zu können“, so Pancic. Beide Anwälte ließen keine Nachfragen an ihre Mandanten zu.

Das Verfahren soll am Freitag, 19. März, um 9 Uhr fortgesetzt werden. Dann möchte das Gericht mit der Vernehmung der Zeugen beginnen. Insgesamt sind fünf Verhandlungstage vorgesehen, das Urteil soll am 30. April fallen. Den Angeklagten drohen bis zu zehn Jahre Haft.