Trittau/Ahrensburg. Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn startet neuen Zyklus mit den Künstlerinnen Jessica Halm und Lulu MacDonald.
Vor der gläsernen Front des Atelierhauses der Wassermühle Trittau steht ein Pärchen und drückt sich an den Fenstern die Nasen platt. Drinnen windet sich eine bunte Riesenschlange aus Geschirr, oft in Form von Früchten und Gemüse, bis zur Decke empor. Die Skulptur ist Teil einer Werkschau von Lulu MacDonald, deren Titel schon viel darüber verrät, was den geneigten Betrachter erwartet: „You Are What You Eat, Mhmm Nuts“ – Du bist was Du isst, mhmm verrückt.
Das Thema Essen zieht sich wie ein roter Faden durch die Exponate der Ausstellung. In den Galerieräumen der Wassermühle finden sich opulente Stillleben, komponiert aus weiterem Geschirr und Blumen, neben Schaufensterpuppen, dekoriert mit von MacDonald entworfenen Kleidern mit Gemüsemotiven und Hüten, die von Obst gekrönt werden.
Sammeln heißt das Leitthema des Jahres
„Mit ihren Werken passt Lulu MacDonald perfekt zum Leitthema unserer Ausstellungen in diesem Jahr“, sagt Katharina Schlüter, Geschäftsführerin der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn. Unter dem Motto „Sammeln“ sollen künstlerische Positionen gezeigt werden, die sich mit dem Zusammentragen und Archivieren beschäftigen.
Die gebürtige Engländerin Lulu MacDonald, die auf der britischen Kanalinsel Jersey aufgewachsen ist, hat eine Faible für ausgefallenes Geschirr. „Ich arbeite viel mit Keramik und liebe das Spiel mit der Räumlichkeit, wenn aus Einzelstücken Skulpturen werden“, sagt die 29-Jährige. Sie hat in London und Hamburg studiert, wo sie bis heute lebt.
Dem Garten als Sehnsuchtsort nachgespürt
Immer wieder hinterfragt die Künstlerin, wie sich die Natur unserer von einer Bilderflut übersättigten und vom Fortschritt geprägten wie auch geplagten Welt widersetzen kann. Zeigen will sie zudem, wie der Mensch durch Politik, Medien und das soziale Umfeld beeinflusst und konstituiert wird. Dabei entstehen Werke, die an die Erfahrungen und Erinnerungen vieler Menschen anknüpfen. Mit der immer wiederkehrenden Darstellung von Pflanzen und Früchten verweist sie zudem gern auf den Garten als Sehnsuchtsort und Symbol für Geborgenheit und Familie.
MacDonald lässt sich von digitalen Bildern in Datenbanken und Material aus persönlichen Archiven ebenso inspirieren, wie von ikonischen Momenten der Kunstgeschichte. So sind auch beeindruckende zweidimensionale Arbeiten wie Tapeten und Folien entstanden. Die wie ihre Skulpturen und Installationen zu vielfältigen Assoziationen und Perspektivwechseln animieren.
Die Struktur des Marstalls aufgegriffen
An der Grenze zwischen Fläche und Objekt bewegt sich auch Jessica Halm, die im Marstall in Ahrensburg ausstellt. Dort ist Mitte Januar ein Labyrinth aus Stoffpaneelen entstanden, die innerhalb von elf Monaten von ihr bestickt oder bedruckt worden sind. Durch Bänder sind sie zwar miteinander verknüpft, aber keineswegs dauerhaft verbunden.
„Ich habe die durch die Säulen vorgegebene, flurartige Struktur des Marstalls aufgegriffen“, sagt die 42 Jahre alte Hamburgerin. Die 17, großformatigen Paneele, die durch ihre Hängung zuweilen tanzend wirken, sollen indes ein Gesellschaftsgeflecht symbolisieren, das einer ständigen Veränderung unterworfen ist. „Weil sich die Paneele durch lösen der Bänder neu verknüpfen lassen, entstehen alternative Pfade, neue Beziehungen. Deshalb hat die Installation für mich einen offenen Charakter“, so Halm.
Anleihe bei Romanheld von Emily Brontës
Der Ausstellungstitel „Heathcliff“ bezieht sich auf die männliche Romanfigur aus Emily Brontës Buch „Wuthering Heights“, das 1847 unter ihrem Pseudonym Ellis Bell erstmals veröffentlicht wurde. Der tragische Antiheld Heathcliff steht in Halms Kunst repräsentativ für das viktorianische Zeitalter, das unsere heutige industrialisierte und globalisierte Welt stark geprägt hat.
Jessica Halm hat sich lange ganz auf die Malerei konzentriert. Die plastischen Werke ermöglichten ihr aber, die Zweidimensionalität der Leinwand in den dreidimensionalen Raum zu erweitern. „Da war eine starke Sehnsucht nach der Arbeit mit Material, das sich bearbeiten und formen und meine inneren Bilder noch besser zum Ausdruck bringen lässt“, beschreibt Halm die Hinwendung zu Skulpturen und Installationen.
Momentan nur digitale Rundgänge möglich
Was beide Künstlerinnen vermissen, ist der Austausch mit Besuchern, deren Reaktionen und Rückkopplungen. „Meine Arbeit ist ja darauf ausgerichtet, dass die Besucher Teil der Installation werden“, sagt Jessica Halm. So bestehe die große Hoffnung, dass durch baldige Lockerungen des Corona-Lockdowns Besuche in Marstall und Wassermühle doch noch vor dem Ende der Ausstellungen möglich werden.
„Momentan können sie leider nur digital besucht werden. Das eröffnet allerdings auch die große Chance auf noch mehr Aufmerksamkeit, da über die Onlinepräsenz mehr Menschen erreicht werden können“, so Katharina Schlüter. Seit Anfang der Woche ist ein digitaler Rundgang der Werkschau von Jessica Halm möglich. Der Rundgang in der Wassermühle soll Anfang kommender Woche folgen.
„Heathcliff“ Werke von Jessica Halm, bis 7. März, Galerie im Marstall Ahrensburg, Lübecker Str. 8. Online: www.galerie-im-marstall.de.
„You Are What You Eat, Mhmm Nuts“ Werke von Lulu MacDonald, bis 21. März Wassermühle Trittau, Am Mühlenteich 3. Online: www.galerie-wassermuehle-trittau.de