Bad Oldesloe. Ein Drittel neue Einträge im Stormarnlexikon: Von Abenteurer Rüdiger Nehberg über Fotojournalist Raimund Marfels bis Walddörferbahn.
Das Stormarnlexikon ist stark gewachsen. Die Zahl der Artikel im Online-Nachschlagewerk des Kreises ist um ein Drittel auf mehr als 100 gestiegen. „Die Corona-Krise führt dazu, dass jetzt Artikel schneller fertiggestellt werden konnten“, sagt Kreisarchivar Stefan Watzlawzik. Wegen der Pandemie haben die Autoren, die zum großen Teil nebenberuflich schreiben, mehr Zeit.
31 neue Artikel geschulter Autoren
Im November 2018 gaben das Kreisarchiv Stormarn und die Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn den Startschuss für das frei zugängliche Online-Lexikon. Nach und nach füllen zuvor geschulte Autoren die Wissensbank. „Die 31 neuen Artikel reichen von Orten über Wirtschaftsunternehmen und Persönlichkeiten bis hin zu Vereinen und historischen Themen“, sagt Watzlawzik.
Ein neuer Text zeichnet das Leben eines der berühmtesten Stormarners nach: Der Abenteurer und Menschenrechtler Rüdiger Nehberg (4.5.1935 bis 1.4.2020) zog Anfang der 1980er in die verfallene Wassermühle nach Rausdorf, die er für seine Zwecke renovierte. Schon früh konzentrierte sich der Bäcker- und Konditormeister, der mit seiner ersten Frau mehrere Filialen in Hamburg führte, auf Kurse fürs Überlebenstraining, Reisen und Bücher darüber.
Nehberg erkundete Deutschland zu Fuß
Per Boot erkundete Nehberg dreimal den Blauen Nil (1975 wurde dabei sein Freund und Kameramann Michael Teichmann erschossen) und den Omo-Fluss in Äthiopien, durchlief dort die Danakilwüste. Er wanderte in 23 Tagen ohne Geld von Nord nach Süd durch Deutschland, ernährte sich von den Dingen am Wegesrand. Den Atlantik überquerte er mit einem Tretboot, einem Bambusfloß und einem Einbaum.
„Sir Vival“, wie der Überlebenskünstler in Anlehnung ans englische „Survival“ hieß, setzte seine Bekanntheit ein, um für die bedrohten Yanomami-Indianer in Brasilien zu kämpfen. Mit seiner zweiten Frau Annette Weber, die er 2009 heiratete, gründete er den Verein Target, der sich für die Abschaffung der in vielen islamischen Staaten üblichen weiblichen Genitalverstümmelung stark macht. 2008 bekam Nehberg das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Fotojournalist hinterließ mehr als 47.000 Negative
Ein weiterer Mann, der ständig unterwegs war – allerdings in einer weit weniger gefährlichen und kleineren Region –, war Raimund Marfels (11.3.1917 bis 26.10.1990). Der Oldesloer Fotojournalist dokumentierte die Entwicklung des Kreises von 1949 bis 1989. Zeitweilig arbeitete er sogar auch als Polizeifotograf bei der Dokumentation von Verbrechen. Sein Nachlass mit mehr als 47.000 Negativen ist eine wichtige Bildquelle für das Kreisarchiv. Dieses ist jetzt auch selbst mit einem Eintrag in der Datenbank zu finden.
Ein weiterer Text behandelt die Druckerei Pockrandt in Bargteheide, die seit 115 Jahren besteht und ein weibliches Auge als Logo hat. An den Kreis Stormarn in preußischer Zeit erinnert der unter Denkmalschutz stehende jüdische Friedhof Wandsbek. Der älteste Grabstein stammt aus dem Jahr 1663. Und die Walddörferbahn (heute U 1 nach Großhansdorf) hatte eine bis 1919 fertig gebaute Haltestelle, die nie in Betrieb genommen wurde: den heute verfallenen Bahnhof Beimoor.
Datenbank ist in 19 Kategorien aufgeteilt
Dem barocken Taufengel in der Reinfelder Matthias-Claudius-Kirche ist ein eigener Text gewidmet. Die etwa 1,60 Meter große Holzfigur wurde bei Taufen früher mittels einer Zugvorrichtung herabgelassen und hängt heute an einer Kette über dem Taufbecken. Von der Reinbeker Nathan-Söderblom-Kirche erfährt der Leser, dass die vier Glocken die Namen „Gemeinschaft“, „Apostellehre“, „Gebet“ und „Brotbrechen“ tragen. Die in 19 Kategorien unterteilte Datenbank wird ständig erweitert. „Wir sind mit dem Lexikon inhaltlich und räumlich breit aufgestellt, die Themen reichen von Hamberge bis Hamburg“, sagt Koordinator Stefan Watzlawzik.
Lob gibt’s von der Sparkassen-Kulturstiftung, die die Hälfte der jährlich 40.000 Euro für das Projekt beisteuert. Geschäftsführer Jörg Schumacher sagt: „Das Stormarnlexikon ist ein tolles Projekt, vor allem ist die gute Qualität der Artikel hervorzuheben.“ Er hofft, dass die Schreibfreude auch in Nach-Corona-Zeiten anhält: Je mehr Autoren sich beteiligten, desto schneller stehe das Wissen über den Kreis allen zur Verfügung.
Autoren gesucht
Eine Autorenschulung für weitere Mitschreiber am Stormarnlexikon plant das Kreisarchiv für Mitte Oktober. Alle Autoren werden nach einer ausführlichen Anleitung von einem Redaktionsteam betreut. Der genaue Termin wird noch bekannt gegeben. Die Texte werden nach Länge vergütet. Infos erhalten Interessenten per E-Mail an kreisarchiv@kreis-stormarn.de.
Die 31 neuen Artikel behandeln folgende Themen: Rüdiger Nehberg, Gemeinde Meddewade, Landgemeinde Meddewade, Landgemeinde Hamberge, Geschichts- und Museumsverein Reinbek, Gut Wulksfelde, Hamburger Verkehrsverbund, Jüdischer Friedhof Wandsbek, Fotograf Raimund Marfels, Herrenhaus Jersbek, Kreisarchiv Stormarn, Johannes Ströh KG, Nachkriegszeit in Stormarn, Papiermühle Oldesloe, Matthias-Claudius-Kirche Reinfeld, Taufengel in der Matthias-Claudius-Kirche, Nathan-Söderblom-Kirche Reinbek, Maria-Magdalenen-Kirche Reinbek, Jersbeker Allee, Jugend-Sinfonieorchester Ahrensburg, Bahnstrecke Rahlstedt-Volksdorf-Wohldorf, Walddörferbahn, Orts- und Volkskundliche Sammlung Bargteheide, Druckerei Pockrandt, Heimatmuseum Oldesloe, Haus & Grund in Stormarn, Architekt Hugo Groothoff, Rowohlt-Verlag (Gebäude), Stormarnsches Dorfmuseum, Sachsenwald, Wolfgang Bachofer (Glinde).