Bargteheide. Wie die einstige Musterkommune nach 14 Jahren wieder in die Schuldenfalle rutscht. Ohne strammes Sparprogramm droht Kreditaufnahme.
Lange Zeit galt die Stadt als Stormarner Musterkommune. 14 Jahre lange war sie schuldenfrei. Ein Prädikat, dass Bargteheide im Sommer 2019 mit keiner anderen Stadt im Kreis und landesweit nur mit den Kommunen Geesthacht, Bad Schwartau und Rellingen teilen musste. „Doch damit ist es jetzt vorbei. Die Rücklagen sind Ende des Jahres aufgebraucht. Im kommenden Jahr wird die Stadt Kredite in Höhe von 11,47 Millionen Euro aufnehmen müssen, wenn von der Politik nicht massiv gegengesteuert wird“, sagt Kämmerer Joachim Teschke.
Die Stadt sei Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden
Als der Finanzexperte 2001 vom damaligen Bürgermeister Werner Mitsch ins Rathaus geholt wurde, war der Haushalt nicht ausgeglichen. Zudem kämpfte die Stadt mit einem aufwachsenden Schuldenberg. Der Höchststand wurde mit 8,23 Millionen Euro 2004 erreicht. Drei Jahre später, am 15. November 2007, war die Stadt schuldenfrei.
„Es war ein gemeinsamer Erfolg der Anstrengungen von Stadtverwaltung und Kommunalpolitik“, sagt Teschke. Die Ausgaben seien gesenkt und die Einnahmesituation über Gebühren, Beiträge und Realsteuerhebesätze mit Augenmaß verbessert worden. Und natürlich habe Bargteheide auch von einer prosperierenden Gewerbeansiedlung profitiert, die für ein sprudelndes Gewerbesteueraufkommen sorgte.
Doch dann ist die Stadt Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Weil Schuldenfreiheit dazu verleitet, sich mehr zu leisten, als auf Dauer finanzierbar ist. „Die Ansprüche sind enorm gestiegen, es ist zu einer regelrechten Maßlosigkeit bei gewünschten Baumaßnahmen gekommen“, moniert Teschke.
Prioritätenliste umfasste ursprünglich 35 Bauprojekte
Beleg dafür ist eine Prioritätenliste, um die es eine von allen Fraktionen der Stadtvertretung mit Verve geführte Debatte gab, die keine zwölf Monate zurückliegt. 35 Bauprojekte mit einem Auftragsvolumen von insgesamt mehr als 70 Millionen Euro bis 2025 hatte die Verwaltung aufgelistet. Letztlich waren zwölf Projekte mit vorrangiger Bearbeitung identifiziert worden.
Bei den fünf vordringlichsten Vorhaben rangierte der Neubau der Feuerwache vor dem Neubau einer Sporthalle am Kopernikus-Gymnasium, der Erweiterung der Kita Mühlentor, der Sanierung aller leichtathletischen Anlagen im Sportzentrum Am Volkspark und der Sanierung des Freibads.
Hinweise wurden von Fraktionen nicht ernstgenommen
Natürlich spielten bei der einen und anderen Maßnahme auch zeitlich begrenzt zur Verfügung stehende Fördermittel eine Rolle. „Was bei der Entscheidung für bestimmte Neubauprojekte aber immer wieder vergessen wird, ist die Tatsache, dass sie immer auch massive Folgekosten nach sich ziehen, die fortan den Verwaltungshaushalt belasten“, erklärt Teschke. In der Regel handelt es sich um Betriebskosten, Aufwendungen für notwendige Sanierungen, in Einzelfällen auch um Personalkosten.
Teschke hat in seinen Vorlagen für die Haushaltsberatungen in den zurückliegenden Jahren immer wieder auf diese Effekte hingewiesen. Ernstgenommen wurden sie von vielen Fraktionen nicht. Im Bestreben, der eigenen Klientel zu gefallen, und mit Blick auf die nächste Wahl ist munter ein Projekt nach dem anderen an den Start gebracht worden.
Die Einnahmesituation sei weitgehend gleich geblieben
Dabei wurde immer öfter aus dem Blick verloren, dass einige Vorhaben finanziell gründlich aus dem Ruder gelaufen sind. Ein prägnantes Beispiel ist die neue Feuerwache. Eine Sanierung am alten Standort wurde ursprünglich mit rund drei Millionen Euro prognostiziert, ein Neubau mit fünf Millionen. Nach ersten Raumplanungen beliefen sich die geschätzten Kosten bereits auf zehn Millionen Euro. Inzwischen ist angesichts der vielen Probleme auf dem Areal an der Bahnhofstraße klar, dass dieser reine Zweckbau wohl mit mindestens 15 Millionen Euro zu Buche schlagen wird.
„Man sollte Schuldenfreiheit nicht wie ein Mantra vor sich hertragen“, sagte Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht noch vor einem Jahr. Zumal in den kommenden Jahren weiter in Pflichtaufgaben wie etwa Kita- und Schulbauten investiert werden müsse.
Dass in den guten Jahren trotz ständig steigender Inflation und damit einhergehenden Kostensteigerungen in allen Bereichen Gebühren, Beiträge und Steuerhebesätze nicht maßvoll angehoben wurden, fällt der Stadt nun auf die Füße. „Während sich die Ausgaben deutlich erhöht haben, ist die Einnahmesituation weitgehend gleich geblieben. Das rächt sich jetzt“, sagt Teschke.
Verwaltungshaushalt ist um zehn Millionen Euro gestiegen
Erschwerend hinzu kamen in diesem Jahr die finanziellen Folgen der Corona-Krise und eine fehlerhafte Steuerschätzung durch das Land, mit bis zu sechs Millionen Euro, die dem städtischen Haushalt fehlen werden. Innerhalb von nur zwei Jahren ist der Verwaltungshaushalt, unter anderem durch einen üppigen Stellenaufbau, um zehn Millionen Euro auf jetzt 54,85 Millionen Euro gestiegen, der Vermögenshaushalt umfasst 26,6 Millionen Euro.
Eine Kreditaufnahme schon in diesem Jahr konnte nur abgewendet werden, weil die Stadt 15,34 Millionen Euro aus ihren Rücklagen in den Etat pumpt. Davon fließen rund zehn Millionen in laufende Bauprojekte, fünf in den Verwaltungshaushalt. Damit ist das Polster bis auf 441.000 Euro abgeschmolzen.
„Klar ist, dass sich die Stadt nicht mehr alles wird leisten können und sich auf das absolut Notwendige beschränken muss“, fordert Kämmerer Joachim Teschke. Sollte die Politik den prognostizierten Kreditbedarf nicht deutlich reduzieren, werde es Probleme mit der Kommunalaufsicht geben. Ohne einen schnellstmöglichen Konsolidierungsprozess könne Bargteheide schon 2023 mit 30 Millionen in der Kreide stehen.