Grosshansdorf. Kritiker und Betreiber der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld ziehen unterschiedliche Bilanz nach Erörterungsterminen in Großhansdorf.
582 Einwendungen von 612 Bürgern und juristischen Personen – das war die umfangreiche Grundlage für den Erörterungstermin zum Neubau der Müllverbrennungsanlage in Stapelfeld. Dieser erstreckte sich im Waldreitersaal in Großhansdorf über drei Tage. Mitglieder von Naturschutzverbänden und Bürgerinitiativen sowie private Einwender waren gekommen, um ihre Bedenken gegen das Bauprojekt des Anlagenbetreibers EEW Energy from Waste geltend zu machen. Dabei wurde klar, wie verhärtet die Fronten zwischen den Beteiligten sind. Dementsprechend unterschiedlich fallen nun auch die Bewertungen des Termins aus.
Zum Hintergrund: Betreiber EEW hat beantragt, ein Müllheizkraftwerk (MHKW) mit einer Jahreskapazität von bis zu 350.000 Tonnen Restmüll zu bauen. Zudem ist eine Klärschlammverbrennungsanlage (KVA) für 32.500 Tonnen Trockensubstanz (plus 2500 Tonnen Reserve) vorgesehen. Baubeginn soll nächstes Jahr sein, um die beiden Öfen Mitte 2022 in Betrieb nehmen zu können.
Betreiber EEW zieht trotzdem ein positives Fazit
Die Genehmigungen für den Bau und den Betrieb beider Anlagen muss das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) erteilen. Teil des Genehmigungsverfahrens waren die Erörterungstermine, die vom LLUR organisiert und moderiert wurden. Bei der Behörde mussten die Einwendungen, also Einsprüche, gegen das Vorhaben eingereicht werden. Kritiker sorgen sich vor allem um Schadstoffe, die von den neuen Anlagen ausgehen und befürchten Gefahren für die Gesundheit.
Trotz aller Differenzen und Kritikpunkte, die auch bei der Erörterung deutlich wurden, zieht Betreiber EEW ein positives Fazit der Termine. „Im Ergebnis haben beide Seiten – die EEW als Vorhabenträgerin und die Einwenderinnen und Einwender – in der dreitägigen Erörterung die Grundlage geschaffen, auf der das LLUR eine objektive Entscheidung über die Genehmigungsanträge herbeiführen kann“, sagt das Unternehmen auf Abendblatt-Anfrage.
„Wir haben den Termin gern genutzt, auf die Einwendungen einzugehen und, unterstützt von unabhängigen Gutachtern, kritisierte Sachverhalte aufzuklären“, sagt EEW-Projektleiter Holger Heinig. Der Betreiber bekräftigt die bei der Erörterung gemachte Ankündigung, freiwillige zusätzliche Maßnahmen wie weitere Schadstoff-Messungen im Probebetrieb der neuen Anlagen, „intensiv zu prüfen“, wie es heißt.
Genehmigungsantrag mehr als ein halbes Jahr vor EU-Beschluss eingereicht
Die Umwelt- und Naturschutzverbände sind dagegen weiterhin unzufrieden mit der EEW-Planung. „Während der Anhörung zeigten sich zahlreiche erhebliche Mängel, die als unbeachtliche Verfahrensmängel von der Genehmigungsbehörde abgetan wurden“, sagen die Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Stapelfeld und der Verein „Das bessere Müllkonzept S-H“. Sie sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund (Nabu) kritisieren vor allem, dass vom Antragsteller EEW der sofort anzuwendende und rechtsgültige Durchführungsbeschluss der Europäischen Union (EU) zur besten verfügbaren Technik nicht berücksichtigt wurde. Der Anwalt der EEW habe stattdessen die Anwendbarkeit des EU-Beschlusses für die geplanten Neubauten bestritten.
Demgegenüber sagt EEW auf Abendblatt-Anfrage, dass der Betreiber seinen Genehmigungsantrag mehr als ein halbes Jahr vor dem EU-Beschluss beim LLUR eingereicht habe. „Wie in solchen Fällen üblich, werden im Laufe des Verfahrens geänderte rechtliche Rahmenbedingungen von der Behörde natürlich berücksichtigt“, gibt das Unternehmen zu.
Die beteiligten Verbände und Initiativen kritisieren zudem die Genehmigungsbehörde LLUR wegen zahlreicher Verfahrensmängel beim und im Vorfeld des Erörterungstermins. So haben sie und andere Einwender am dritten Erörterungstag abends gegen 18 Uhr den Saal unter Protest verlassen. Zuvor hatte die LLUR zunächst angekündigt, die Anhörung am nächsten Tag fortzusetzen, sie dann aber am Abend noch abgeschlossen. Die Einwender wollten stattdessen einen neuen Termin in 2020. Deshalb und wegen anderer Punkte wie fehlerhafte Bekanntmachungen und Änderungen in der Tagesordnung prüfen die Verbände und Initiativen derzeit eine Dienstbeschwerde beim Umweltministerium gegen das Landesamt.
Ahrensburger wünschen sich künftig mehr Kooperation
Der BUND will als Nächstes weitere Unterlagen einsehen, die ihm bisher nicht vorlagen. „Wir wollen Einsicht in das in nichtöffentlicher Sitzung verhandelte Vertragsdokument zwischen Kreis und EEW nehmen, falls dieses emissionsrelevante Informationen enthält“, sagt Petra Ludwig-Sidow vom BUND.
Die Bürgervereine aus dem Ahrensburger Süden schließen sich einer gemeinsamen Erklärung der Kritik der Umweltverbände an. „Der Betreiber EEW war nicht bereit, uns zu zeigen, dass er alles für den Schutz der Umwelt tut“, sagt Jürgen Siemers, Vorsitzender des Bürger- und Grundeigentümervereins Waldgut Hagen. „Wir wünschen uns mehr Kooperation.“
Das Landesamt als Genehmigungsbehörde sagt zu der von ihr organisierten Erörterung: „Sie war geprägt von einem großen, fachlichen Engagement der Einwender und zum Teil emotionalem Vortrag.“ Die vorgebrachten Einwendungen würden in den Genehmigungsbescheiden behandelt, dazu gebe es jeweils ein eigenes Kapitel. Dies gelte auch für die behaupteten Verfahrensmängel. „Die Behandlung von Verfahrensfragen erfolgt auch im Rahmen der Bescheiderstellung“, sagt Martin Schmidt, Sprecher des LLUR. Zur Anwendbarkeit des EU-Beschlusses zur besten verfügbaren Technik legt sich das Amt noch nicht fest: „Die Geltung für die Genehmigungsverfahren wird geprüft.“
Auch bei der Frage, wann das LLUR seine Bescheide zu den Neubau-Anträgen von EEW erlässt, hält sich die Behörde zurück. „Das ist noch völlig unklar“, sagt Sprecher Martin Schmidt.