Ahrensburg. Der 55 Jahre alter VW-Fahrer leistet Widerstand. Ein Schuss fällt. Der Mann wird fixiert und erleidet einen Kreislaufstillstand.

Am frühen Freitagnachmittag wird der mehr als zwei Meter hohe Sichtschutzzaun an der Straße Bahntrasse in Ahrensburg, der sich über rund 30 Meter erstreckt, endlich abgebaut. Nach stundenlanger Sperrung können Autofahrer auf diesem Weg wieder in die City gelangen. Dort, wo ein 55-Jähriger aus der Schlossstadt in der Nacht ums Leben kam. Er hatte sich eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert, wurde gestoppt. Der Mann griff die Beamten an, wurde daraufhin fixiert und erlitt einen Kreislaufstillstand.

Viele Anwohner haben davon nichts mitbekommen, obwohl auch Schüsse fielen. An der Stelle wurden zwei Patronenhülsen gefunden. Eine Frau, die namentlich nicht genannt werden möchte und unweit der Straße lebt, sagte dem Abendblatt am Vormittag: „Ich wollte morgens in die Stadt laufen, aber man kam nicht durch. Alles war weiträumig abgesperrt, überall Polizei.“ Niemand habe gewusst, was vorgefallen sei. In ihrer Stimme schwingt Verunsicherung mit. In diesem Moment staut sich der Verkehr auf der freien Spur stadtauswärts, ein Lkw-Fahrer lässt das Fenster herunter und ruft dem Polizisten, der vor dem Zaun und neben seinem Dienstwagen positioniert ist, zu: „Was ist denn hier bloß passiert?“ Doch er erhält keine Antwort.

Tod nach Verfolgungsfahrt in Ahrensburg: Die Polizei hat eine Fahrbahn der Straße Bahntrasse abgesperrt.
Tod nach Verfolgungsfahrt in Ahrensburg: Die Polizei hat eine Fahrbahn der Straße Bahntrasse abgesperrt. © René Soukup | René Soukup

Wenige Meter weiter hinter dem Schutzzaun sind rund zwei Dutzend Beamte zu erkennen, Rechtsmediziner untersuchen den Tatort. Immer wieder bleiben Passanten am Absperrband, das ein Vorankommen auch auf dem Radweg und den Zugang zu zwei gelben Häusern verhindert, stehen. Radfahrer halten an, um einen Blick auf das Treiben zu erhaschen. Das gelingt aber nicht wirklich. Der Zaun schützt ob seiner Beschaffenheit vor Neugierigen und sorgt für Spekulationen unter den Schaulustigen.

Mann soll Halteanweisung missachtet haben – Polizei schießt

„Da hat’s wohl gekracht“, meint ein Mann zu wissen. Ein älterer Herr ist sich sicher: „Da muss etwas Schlimmes passiert sein, sonst würden die das nicht mit Sichtschutz absperren.“ Ein Anwohner, der gerade auf dem Rückweg vom Einkaufen ist, berichtet: „Das geht schon seit dem frühen Morgen so, die lassen die Leute nicht mal zu Fuß hier lang, um zu ihren Häusern zu kommen.“ Inzwischen sind auch Reporter hinzugekommen, ein Kameramann filmt das Treiben. Gegen Mittag öffnen Beamte hektisch den Schutzzaun. Die ersten Einsatzfahrzeuge der Polizei verlassen den Ort des Geschehens.

In dem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck. Laut ihrem Sprecher Christian Braunwarth forderte die Polizei den Ahrensburger um 2.22 Uhr auf, mit seinem VW Crafter, einem Transporter, anzuhalten. Er war zu schnell unterwegs gewesen, missachtete jedoch die Anweisung und drückte aufs Gaspedal. Daraufhin schalteten die Polizisten das Blaulicht ein und nahmen die Verfolgung auf. Es ging quer durch die Ahrensburger Innenstadt. Mehrere Streifenwagen waren involviert. Um das Fahrzeug zu stoppen, zielte ein Polizist auf einen Reifen – und traf. Laut Staatsanwaltschaft habe man zwei Einschusslöcher bei der Untersuchung gefunden. Auch das Fenster der Beifahrertür ging bei der Verfolgungsjagd kaputt.

Reanimationsversuche bleiben erfolglos

Braunwarth berichtet, dass der VW um 2.26 Uhr gestoppt wurde. Dann wollten die Beamten den Stormarner aus dem Auto holen. „Gegen die polizeilichen Maßnahmen gab es jedoch erheblichen körperlichen Widerstand, worauf der Mann fixiert wurde“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Mehrere Beamte hätten dabei mitgewirkt, ohne jedoch Handschellen zu nutzen. Im Klartext heißt das: Der Ahrensburger hat die Polizisten angegriffen. „In der Folge hat der Mann einen Kreislaufstillstand erlitten und musste reanimiert werden“, so Braunwarth.

Erst versuchten die Beamten, ihm das Leben zu retten – und riefen den Rettungsdienst. Ein Notarzt kam kurze Zeit später hinzu und übernahm. Um 3.14 Uhr beendete er die Reanimation. Der Ahrensburger war tot. Ob er unter Alkohol- oder sonstigen Drogeneinfluss stand, darüber konnte die Staatsanwaltschaft keine Angaben machen. Der Leichnam wurde noch am Freitag nach Lübeck ins Institut für Rechtsmedizin gebracht. Dort nahmen Spezialisten eine Obduktion vor, um die Todesursache zu klären. Ergebnisse werden laut Staatsanwaltschaft erst in der kommenden Woche präsentiert.