Ahrensburg/Reinbek. Drei Stunden nach der Anzeige sicherten Beamte einen Jersbeker BMW in Breslau. Die Fahnder gingen dabei unbürokratisch vor.
Sie verüben ihre Taten momentan fast jede Woche in Stormarn – und sie sind hochprofessionell: Banden aus Polen, Tschechien oder anderen osteuropäischen Ländern haben es vor allem auf teure Autos der Marken BMW, Porsche oder Mercedes abgesehen. Gerade erst traf es den Eigentümer eines Porsches Turbo S in Reinbek. Die Täter hatten das rund 200.000 Euro teure Auto aus einer Tiefgarage gestohlen. Noch fehlt jede Spur von dem Fahrzeug oder den Autodieben. Denn mehr als die Hälfte der 2018 bundesweit gestohlenen Fahrzeuge bleibt dauerhaft verschwunden.
Die Polizei kam, als die Täter den BMW auseinandernahmen
Doch kürzlich gelang es der Stormarner Polizei innerhalb kürzester Zeit, einen in Jersbek gestohlenen BMW mithilfe von Kollegen in Polen sicherzustellen. Dieser seltene und schnelle Ermittlungserfolg gelang den Beamten nach Abendblatt-Informationen nur, weil sie dabei internationales Recht unbürokratisch nutzten.
Was war geschehen? Der Eigentümer eines BMW M 550i XDrive G5L im Gebrauchtwert von 110.000 Euro zeigte den Diebstahl seines Autos in Jersbek an. Schon drei Stunden später stellten polnische Ermittler in Wroclaw (Breslau) das wertvolle Fahrzeug sicher und ertappten die Täter beim Abschrauben von Fahrzeugteilen. Hätten die Beamten den im Schengener-Abkommen üblichen Weg gewählt, wäre das Hilfeersuchen aus Deutschland erst einmal in beiden Ländern durch die Hierarchien der Ermittlungsbehörden gewandert.
Assistenzsysteme mit SIM-Karte verbaut
Zu dem Coup hat eine Technik entscheidend beigetragen, die laut Landeskriminalamt (LKA) eine immer größere Rolle spielt: Die Beamten konnten das Fahrzeug per GPS in Polen orten.
In hochwertigen Fahrzeugen sind heutzutage Assistenzsysteme mit einer SIM-Karte verbaut, die eine Ortung möglich machen. Wenn Autodiebe hingegen genau wissen, in welchem Modul des Fahrzeugs die Karte verbaut ist, können sie das verräterische Teil ausbauen. „Dies kostet jedoch einige Zeit. Mitunter nutzen professionelle Täter auch Störsender, sogenannte Jammer, um das Mobilfunknetz rund um das Fahrzeug zu beeinträchtigen“ sagt der Sprecher des Landeskriminalamts, Uwe Keller.
Als die schleswig-holsteinische Polizei bei dem Fall des in Jersbek gestohlenen BMW herausfand, wo das Auto steht, hat sie sofort gehandelt. „Wir haben den Kollegen in Breslau den Tipp gegeben, dass sich nach unseren Informationen ein Wagen bei ihnen befindet, der in Stormarn gestohlen gemeldet wurde. Auch den Ort konnten wir angeben“, sagt der Ahrensburger Kripo-Chef Ralf Lorenzen auf Abendblatt-Anfrage. Mehr durften die Polizisten nicht sagen.
Üblicher Rechtsweg führt über mehrere Ermittlungsbehörden
Denn: „Wir sind nicht befugt, den Kollegen auf diesem Weg Anweisungen zu erteilen. Es gibt ein gemeinsames Fahndungssystem, aus dem heraus die polnischen Kollegen aus eigener Initiative Maßnahmen treffen“, sagt Lorenzen. Denn jedes Land behalte sich seine Hoheitsrechte vor. Die polnische Polizei fuhr umgehend zu dem Ort und entdeckte den als gestohlen gemeldeten BMW in einer Garage. Sie stellten das Fahrzeug sicher und nahmen die mutmaßlichen Täter vorläufig fest.
Der für solch einen Fall vorgeschriebene Rechtsweg nach dem Schengener Abkommen in der Europäischen Union und einigen weiteren Ländern dauert deutlich länger: Wird bei einer örtlichen Polizei ein Auto als gestohlen gemeldet, wenden sich die Ermittler mit einem Rechtshilfeersuchen an das Landeskriminalamt per E-Mail. Das LKA wendet sich an das Bundeskriminalamt (BKA) und dieses an die Behörde des jeweiligen Landes. In Polen wäre dies die Ermittlungsbehörde in Warschau. Diese wiederum würde diejenige Polizeistelle, bei der das Fahrzeug geortet wurde, mit der Sicherstellung beauftragen.
Sind die Ermittler vor Ort, können sie innerhalb von Sekunden feststellen, ob das Kennzeichen in einem europäischen Land als gestohlen gemeldet ist. Um die Rückführung der Autos kümmern sich dann die Versicherungen. Die erkennungsdienstliche Untersuchung der Täter regeln die Staatsanwaltschaften der beiden Länder untereinander.
Bilder aus Videokamera halfen
Im Fall des in Jersbek gestohlenen BMW könnten die Bilder, welche die Videokamera im Carport des Halters aufgenommen hatte, erheblich zur Beweisführung und Identifizierung der Täter beitragen. Noch kann die Lübecker Staatsanwaltschaft nach Angaben von Sprecherin Ulla Hingst keine Aussage über das Verfahren gegen die Verbrecher machen, da dies in der Hand der polnischen Behörden liege.
Bundesweit wurden im Jahr 2018 rund 33.000 Fahrzeuge entwendet. Von ihnen wurden 23 Prozent mehr als im Vorjahr in anderen Schengenstaaten, vor allem Osteuropa, entdeckt. In Stormarn wurden im vergangenen Jahr nach Angaben des Landeskriminalamtes 81 Fahrzeuge gestohlen. Mehr als die Hälfte davon waren hochwertige Autos der Marken BMW, Porsche, Mercedes oder Toyota. Die Polizei hat es jetzt zudem mit einer neuen Tätergruppe zu tun, die ihre Beute im Internet verkauft.
Zur Vorsorge gibt die Ahrensburger Kriminalpolizei einen Tipp, der simpel klingt, aber nicht immer beherzigt werde. Der Ahrensburger Kripo-Chef Ralf Lorenzen sagt: „Wenn man eine Garage hat, sollte der Wagen grundsätzlich abgeschlossen dort abgestellt werden.“