Reinbek. Den Grundstein für das heutige, moderne E-Werk Sachsenwald legte der Uhrmacher Ernst Sperling im Jahr 1899. Es hat sich einiges getan.

Von einem kleinen privaten Elektrizitätswerk in einer alten Kornwassermühle zum Strom-, Gas- und Wärmelieferanten einer ganzen Region – in den zurückliegenden 120 Jahren hat sich beim Energieversorger aus Reinbek einiges getan. Gelegentlich blickt auch Thomas Kanitz gern einmal zurück. Erst vor wenigen Wochen empfing der Geschäftsführer des E-Werks Sachsenwald eine Delegation aus Polen und unternahm mit seinen Gästen eine Reise durch die Geschichte des Unternehmens.

Schmunzelnd berichtet der gebürtige Ostwestfale von den Anfängen der Elektrifizierung – als der Hamburger Uhrmacher Ernst Sperling im Jahr 1899 sein kleines Kraftwerk am Billeteich in Betrieb nahm und zunächst nur für 74 wohlhabende Kunden und deren Villen in Alt-Reinbek und Wentorf 14.200 Kilowattstunden Strom produzierte. Heute sind es mehr als 90.000 Einwohner, die vom E-Werk an der Hermann-Körner-Straße versorgt werden.

Das Leitungsnetz ist heute 1620 Kilometer lang

Reinbek war im Kreis Stormarn eine der ersten Gemeinden, die über Elektrizität verfügte. Auf dieser Postkarte aus der Zeit um 1900 ist das E-Werk zu sehen.
Reinbek war im Kreis Stormarn eine der ersten Gemeinden, die über Elektrizität verfügte. Auf dieser Postkarte aus der Zeit um 1900 ist das E-Werk zu sehen. © Archiv Reinbek

Mehr als 328 Gigawattstunden fließen durch das 1620 Kilometer lange Leitungsnetz in die Haushalte und Betriebe der sieben Kommunen Reinbek, Barsbüttel, Glinde, Oststeinbek, Wohltorf, Wentorf und Aumühle. Ein enormes Wachstum verzeichnete das Unternehmen 2012, als es im Zuge des Konzessionswettbewerbs durch Zukäufe seine Stromnetzlänge mehr als verdoppelte.

„Durch Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen gab es damals einen hohen Investitionsbedarf“, berichtet Thomas Kanitz. Auch an den Aufbau der Gassparte 2006 kann sich der diplomierte Elektro-Ingenieur gut erinnern: „Wir gingen praktisch von null auf hundert und standen vor echten personellen und organisatorischen Herausforderungen.“ Die Expansion glückte, inzwischen zählt das Unternehmen rund 80 Mitarbeiter.

Das E-Werk gehört zu den etablierten Versorgern in Schleswig-Holstein und beliefert etwa 72.000 Einwohner in sechs Kommunen mit Gas. Einzig Glinde wird (noch) nicht versorgt. Das könnte sich ändern, wenn 2023 die Gaskonzession ausläuft und für die nächsten 20 Jahre neu vergeben wird.

Wärmeversorgung ist ein weiteres Geschäftsfeld

In einem dritten Geschäftsbereich hat sich das Unternehmen einer anderen Form der Wärmeversorgung verschrieben, verpachtet und betreibt Blockheizkraftwerke – eine umweltschonende Alternative zum Heizen mit Gas. Darüber hinaus sind die Reinbeker für die Straßenbeleuchtung in der Region zuständig. Sie betreuen 14.000 „Lichtpunkte“, (Laternen). Als Dienstleister ist der Energieversorger auch außerhalb der Metropolregion im Einsatz. „Wir sind mobil. Zurzeit stellen unsere Mitarbeiter die öffentliche Beleuchtung in Heiligenhafen auf LED um“, verrät Kanitz.

Auch das Thema „Elektro-Mobilität“ spielt für die Reinbeker eine immer wichtigere Rolle. So werden bis Ende 2019 in der Region 25 Ladestationen für Elektrofahrzeuge ans Netz gehen. „Erst kürzlich haben wir die erste Schnellladesäule im Gewerbegebiet Oststeinbek in Betrieb genommen“, sagt Thomas Kanitz. Doch den Strom fürs Auto gibt es nicht nur an Tankstellen, sondern auf Wunsch auch zu Hause. Mit sogenannten „Wallboxen“ bietet das E-Werk eine Ladeoption für private Haushalte.

Mitarbeiter leben in Wohnungen auf Werksgelände

Für den wirtschaftlichen Erfolg findet Thomas Kanitz einfache Erklärungen: „Wir sind vor Ort für unsere Kunden da. Das ist kein platter Spruch. Wir sind hier in Reinbek und zudem mit einem mobilen Büro in den übrigen Partnerkommunen immer direkt ansprechbar, unser Bereitschaftsdienst 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr erreichbar.“ Mitarbeiter seien rund um die Uhr vor Ort, leben zum Teil in den werkseigenen Wohnungen auf dem Firmengelände. Zudem seien die Preise in den vergangenen 20 Jahren sehr fair gewesen. „Als kommunales Unternehmen haben wir nicht den Druck eines großen Energiekonzerns“, erklärt Thomas Kanitz.

4,5 Millionen Euro Gewinn im Jahr 2017

Der Geschäftsbericht 2017 weist einen Gewinn von 4,5 Millionen Euro aus – Geld, das in den Kommunen bleibt und für heimische Projekte verwendet werden kann. Es gehe darum, den Menschen der Region etwas zurückzugeben: Der Energieversorger unterstützt Vereine, Verbände und öffentliche Einrichtungen.

„Wir erstellen keine Hochglanzbroschüren und machen keine teure überregionale Werbung, sondern konzentrieren uns aufs Versorgungsgebiet“, sagt Thomas Kanitz. Das Unternehmen tritt als Sponsor bei Veranstaltungen, wie zum Beispiel Stadtfesten, und bei Sportvereinen in Erscheinung. Das Geld wird möglichst gleichmäßig verteilt. So tragen inzwischen alle ersten Herren-Fußballmannschaften im Versorgungsgebiet das Logo des Energieversorgers auf ihrer Brust.

Ausbau der Breitband-Infrastrukturen

Das Unternehmen ist auf Wachstumskurs und hat eine Tochtergesellschaft, die Media Sachsenwald GmbH gegründet. Diese treibt den Ausbau von Breitband-Internetstrukturen voran. 2019 in Barsbüttel gestartet, soll die Region in zehn Jahren erschlossen und mit schnellem Internet versorgt werden. Von Norden aus erstrecken sich die Arbeiten durchs Versorgungsgebiet. 2020 sollen Reinbek und Glindes Gewerbegebiet erreicht sein.

Glasfasertechnik bis in die Wohnung

Marcel Kessler überwacht in der Netzleitstelle die Stromversorgung.
Marcel Kessler überwacht in der Netzleitstelle die Stromversorgung. © Christoph Hellwig | Christoph Hellwig

Im Zuge der schrittweisen Ersterschließung erhalten Kunden grundsätzlich einen kostenfreien Anschluss ans Glasfasernetz: „Fibre to the home“ – kurz FTTH. Dahinter steckt die Versorgung mit Glasfasertechnik bis in die Wohnung. Kunden erhalten auf diese Weise einen eigenen Highspeed-Internetzugang mit möglichen Datenübertragungsraten von bis zu 1000 Megabit pro Sekunde – sowohl im Up- als auch im Download. In den technischen Fortschritt und die einhergehende Digitalisierung investiert die Media Sachsenwald GmbH jährlich zwischen fünf und sieben Millionen Euro.

Wasserversorgung könnte ab 2023 hinzukommen

Strom, Gas, Wärme, Internet – das E-Werk wächst als Versorger. Zukünftig vielleicht mit einem weiteren Geschäftsfeld, denn im Versorgungsgebiet laufen 2023 die Konzessionen für Wasser aus. Dann könnte das E-Werk am öffentlichen Auswahlverfahren teilnehmen und bei einem Erfolg – wie andere Stadtwerke auch – zu einem Rundum-Versorger der Einwohner werden.

Zahlen und Hintergründe

Gesellschafterstruktur

Stadt Reinbek 38,52 %; Thüga Aktiengesellschaft 19,64 %; Gemeinde Wentorf 17,37 %; Service plus GmbH 16,02 %; Stadt Glinde 4,73 %; Gemeinde Oststeinbek 2,73 %; Gemeinde Barsbüttel 0,98 % (Angaben laut Geschäftsbericht 2017)

Woher kommt der Strom?

Das E-Werk Sachsenwald kauft Strom an der Europäischen Energiebörse EEX (European Energy Exchange) in Leipzig. Die Strombörse funktioniert wie andere Börsen auch, an denen mit Wertpapieren gehandelt wird. Der Strom wird etwa zwei Jahre vor Lieferbeginn gekauft, um reale Preise zu erzielen und Risiken im Zuge von Spekulationen zu minimieren. Zum Handel gehört die permanente Marktbeobachtung, um die Preisentwicklungen im Blick zu behalten. Durch viele Teilkäufe versucht der Reinbeker Energielieferant, einen günstigen Durchschnittspreis zu erzielen.

Wo das E-Werk seinen Strom kauft

Den größten Anteil am E-Werk Sachsenwald hält die Stadt Reinbek mit 38,52 Prozent. Weitere Gesellschafter sind die Thüga Aktiengesellschaft (19,64 %), Wentorf (17,37), die Service plus GmbH (16,02), Glinde (4,73), Oststeinbek (2,73), Barsbüttel (0,98). Das E-Werk Sachsenwald kauft Strom an der Europäischen Energiebörse EEX in Leipzig. Die Strombörse funktioniert wie andere Börsen, an denen mit Wertpapieren gehandelt wird. Der Strom wird etwa zwei Jahre vor Lieferbeginn gekauft, um reale Preise zu erzielen und Risiken im Zuge von Spekulationen zu minimieren. Zum Handel gehört die permanente Marktbeobachtung, um die Preisentwicklungen im Blick zu behalten. Durch viele Teilkäufe versucht der Reinbeker Energielieferant, einen günstigen Durchschnittspreis zu erzielen.