Bargteheide. Wunschreportage: Bis zu 3000 Gäste suchen im Freibad an heißen Tagen Abkühlung. Viele loben die „familiäre Atmosphäre“.
Eine dicke Wolkendecke hängt über dem Freizeitbad Bargteheide. Ein Bild, das Schwimmmeister Hans-Jörg Ottinger inzwischen nur allzu gut kennt. Während er im Juni bei Temperaturen von 30 Grad Celsius und viel Sonne noch bis zu 3000 Besucher pro Tag beaufsichtigen musste, sind es zurzeit nur etwa 300. Aber die Stammgäste seien immer da, sagt der 58-Jährige und schmunzelt. „Selbst wenn es schneien würde.“ Fast alle kennt er mit Namen.
So auch Sven Lüth. Der Filialleiter der örtlichen Haspa kommt täglich nach der Arbeit vorbei, um im 50-Meter-Becken seine 20 bis 30 Bahnen zu schwimmen. „Ich bin gern draußen an der frischen Luft“, sagt der 51-Jährige. „Das ist ein schöner Ausgleich zum Job und tut mir einfach gut.“ Kürzlich hat er sich im Verein angemeldet, um einmal pro Woche professionelles Schwimmtraining zu absolvieren. „Ich lerne gerade Kraulen“, sagt Lüth. Mit dabei ist auch Birgit Wilckens. Als Zahnmedizinische Fachangestellte habe sie eine „sehr unausgewogene Körperhaltung“. Das Schwimmen brauche sie auch aus gesundheitlichen Gründen. „Als ich vor acht Jahren zum ersten Mal das Freibad besucht habe, kannte ich niemanden“, sagt die Lasbekerin. Das hat sich längst geändert. „Jeder unterhält sich mit jedem – von jung bis alt. Das gefällt mir.“
Das Freibad wurde 1968 gebaut und kürzlich saniert
Die Stimmung sei immer gut. „Und wenn Jugendliche mal Blödsinn machen, lassen die Bademeister sie ein paar Strafbahnen schwimmen“, sagt die 60-Jährige. „Danach ist alles wieder gut.“ Verbale oder körperliche Auseinandersetzungen zwischen Badegästen, Pöbeleien in Richtung der Rettungsschwimmer: Was in manchen Schwimmbädern Alltag ist, gebe es in Bargteheide nicht. „Wir haben ein extrem familiäres Publikum, das Verhältnis untereinander ist ein besonderes“, sagt Hans-Jörg Ottinger. „Ich hoffe, das bleibt so und wir bekommen hier keine Großstadtverhältnisse.“
Der erfahrene Schwimmmeister weiß, wovon er spricht. Bevor er 2014 an seine ehemalige Ausbildungsstätte in Bargteheide zurückkehrte, hat er in Frankfurt gearbeitet. „Dort mussten wir einen privaten Sicherheitsdienst beschäftigen“, sagt Ottinger. „Wenn ich mich mal einen Tag nicht über Gäste aufregen musste, war das schon ein Grund zur Freude.“ Ganz anders in Bargteheide. „Die Gäste hier sind der Knaller“, sagt der 58-Jährige. Er geht ins Aufsichtshaus, holt ein Glas mit selbstgekochter Marmelade hervor. „Das habe ich heute von einer Schwimmerin geschenkt bekommen.“
Mit seiner Kollegin Jana Hey ist er an diesem Tag für die Badeaufsicht verantwortlich. Die Schichten werden immer zu zweit absolviert, an besucherstarken Tagen werden sie von Mitgliedern der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) unterstützt. „Bei 2000 bis 3000 Gästen schaffen wir es nicht allein“, sagt Hey. Die Personaldecke ist mit vier Mitarbeitern, davon zwei in Teilzeit, nicht gerade üppig. Doch der Versuch, das Team mit einem Auszubildenden zu verstärken, sei 2018 gescheitert, sagt Ottinger. Die Stadt habe keinen Interessenten gefunden. „Die Arbeitsbedingungen mit Schichtdienst sind für junge Leute nicht attraktiv genug.“
Vorher war hier ein Naturbad
Er lässt seinen Blick über die Anlage schweifen. Sie wurde 1968 gebaut, zuvor befand sich an der Stelle ein Naturbad. Von 2013 bis 2015 ließ die Stadt das Schwimmbad großflächig sanieren. Erst wurde eine neue Schwimmbadtechnik eingebaut, dann wurden das 1050 Quadratmeter große Sportbecken und das Nichtschwimmbecken (726 Quadratmeter) saniert. Nach der Sommersaison 2020 sollen auch die alten Umkleiden einem Neubau weichen.
Das Wasser in Bargteheide wird beheizt, im Sportbecken herrschen deshalb immer 23 Grad Celsius. Trotzdem zittern Jean (6), Eycke (7), Leon (9) und Amelie (8) ein bisschen, als sie sich kurz am Beckenrand festhalten und ausruhen. „Grinsebacken, weitermachen!“, ruft Trainerin Veronika Westphal vom TSV Bargteheide den Kindern deshalb schnell zu. Sie nehmen in den Ferien an einem zweiwöchigen Kursus teil, um sich auf das Schwimmabzeichen in Gold und Silber vorzubereiten.
Einige Besucher schwimmen bereits morgens um 6 Uhr
Westphal holt eine Stoppuhr hervor, lässt die Mädchen und Jungen vier Bahnen schwimmen. „So schön ihr könnt“, sagt sie. „Immer nach vorn gucken!“ Bis zu sechs Schwimmkurse pro Tag werden in den Ferien im Freizeitbad angeboten. „Die Kinder sind mittlerweile fast alle bis spätnachmittags in der Schule und die Eltern arbeiten“, sagt Ottinger. „Da bleibt außerhalb der Ferien keine Zeit für Schwimmunterricht.“
Zeit für ihr Hobby nehmen sich Heidi Andresen (77), Jutta Timmermann (79) und die anderen Frühschwimmer immer. Die zehn bis 15-köpfige Gruppe steht jeden Morgen vor dem Freizeitbad, wenn die Türen geöffnet werden. Dienstags bis freitags ist das bereits um 6 Uhr der Fall. Dann werden die täglichen 1000 Meter geschwommen.
„Es ist fantastisch hier, wie eine Großfamilie“, sagt Andresen. „Hier ist es leicht, Kontakte zu knüpfen, weil alle so freundlich sind.“ Wenn jemand Geburtstag hat, wird gern mal im Freibad zusammen gefrühstückt. Das Schlimmste sei die fast achtmonatige Zeit von Mitte September bis Mai, wenn das Freibad nicht geöffnet hat. „Das ist entsetzlich. Wir fiebern immer dem Saisonstart entgegen“, sagt die Bargteheiderin. Begeistert sind die Rentner von den besonderen Aktionen im Freibad, etwa dem Mondscheinschwimmen. An diesem Sonnabend können Gäste wieder von 21 bis 23.30 Uhr ihre Bahnen ziehen – mit bunter Beleuchtung und Musik.
Wechselhaftes Wetter hat auch Vorteile
Inzwischen hat es die Sonne zwischen den Wolken hindurch geschafft. Die Freundinnen Merle Stelling und Kirrien Westphal freuen sich, sie wurden für ihre Entscheidung belohnt. Eigentlich gehen die beiden 14-Jährigen nur bei Sonne ins Freibad. Doch das durchwachsende Wetter der vergangenen Wochen brachte sie dazu, etwas Neues auszuprobieren. Dafür haben sie die 60 Meter lange Wasserrutsche nun fast für sich allein. In den nächsten Tagen wird das anders aussehen. Denn die Temperaturen sollen auf 30 Grad Celsius ansteigen.
So können Sie im Internet über die Wunschreportage abstimmen
Jede Woche in der Sommerferienzeit können Sie, liebe Leserinnen und Leser, Ihre Regionalausgabe Stormarn des Hamburger Abendblattes mitgestalten. Sie können mitbestimmen, welche große Reportage Sie in der nächsten Wochenend-Ausgabe zu lesen bekommen werden. Wie das funktioniert? Wir stellen Ihnen jede Woche drei mögliche Themen zur Wahl. Die Geschichte, die die meisten Stimmen von Ihnen bekommt, werden wir dann recherchieren, fotografieren und für Sie aufschreiben. Zudem können Sie uns auch Ihre Ideen, Ihre Wünsche schicken. Diese werden wir dann prüfen und gegebenenfalls zur Abstimmung stellen. Wo können Sie mitmachen? Gehen Sie im Internet auf die Seite www.abendblatt.de/wunschreportage, geben Sie dort bis Dienstagnachmittag Ihre Stimme für Ihre Lieblingsgeschichte ab und – wenn Sie mögen – machen Sie uns einen Vorschlag für eine der nächsten Reportagen. Den schicken Sie uns am besten per E-Mail an stormarn@abendblatt.de. Natürlich können Sie uns auch außerhalb dieser Aktion auf Themen hinweisen, denen wir nachgehen sollen.