Steinburg. Ein Besuch in der Tierpension in Steinburg. Inhaberin Nicole Nowak therapiert auch und lehrt Vierbeinern richtiges Verhalten.

Das weiße Haus ist 70 Quadratmeter groß und hat drei Räume, die nicht nur wegen der Terracotta-Wandfliesen mediterran daherkommen. In einem Holzschrank sind Handtücher abgelegt, die Wände in hellem Farbton gestrichen. Drei schwarze Couchgarnituren aus Leder verteilen sich auf die drei Zimmer. Eine Ferienbleibe auf Mallorca? Denkste. Das Gebäude ist Schlafstätte ausschließlich für Vierbeiner. Willkommen in der Hundepension Arche Nowak in der rund 2800 Einwohner zählenden Gemeinde Steinburg.

Hier gibt es das Rundum-Sorglos-Paket für Tiere inklusive Psychotherapie und Schule, wo zum Beispiel das richtige Verhalten an der Leine und auch ohne gelehrt wird. Die Einrichtung ist weit über die Grenzen des Kreises bekannt, viele Kunden kommen aus Hamburg. Sie fahren über Autobahn und Bundesstraße, die letzten Meter führen über einen holprigen Sandweg. Links davon ist ein Kornfeld, rechts eine Wiese, auf der ein Dutzend weiße Kühe weiden. Ländliche Idylle pur. In der Regel empfängt Kalle die Gäste, ein 48 Kilo schwerer dunkler Dogge-Labrador-Mischling, der es auf 79 Zentimeter Schulterhöhe bringt – allerdings nicht bellend. Er bevorzugt das Schnüffeln und ist einer von vier eigenen Hunden der Inhaberin Nicole Nowak.

Mischling Kalle behält trotz tierischer Gäste das Sagen

Die 52-Jährige sagt: „Kalle ist der Chef, hat eine Präsenz. Er muss nur knurren, dann parieren die anderen Hunde.“ Und davon gibt es viele. Einige kommen tageweise und werden abends wieder abgeholt, andere bleiben mehrere Wochen und machen All-inclusive-Urlaub. Beim Schlafen gibt es feste Gruppen, die durch Türen voneinander getrennt sind. Zwinger sind hier nicht vorhanden. Maximal 20 Tiere beherbergt Nowak gleichzeitig. Insbesondere in den Schulferien sind alle Plätze belegt. Es existiert eine Warteliste, auf der momentan zehn Personen registriert sind.

Judit Jaschinski hat sich rechtzeitig angemeldet. Die 32-Jährige ist vor Kurzem aus Hamburg-Meiendorf mit ihrem Lebensgefährten in die nähere Umgebung gezogen. Sie bringt Mischling Mulan vorbei. Es ist das zweite Mal. Premiere war am Tag zuvor. „Der Hund war total entspannt, als er nach Hause kam. Es tut ihm gut, unter Artgenossen zu sein“, sagt die Halterin. Als Nowak die Tür des eingezäunten und großflächigen Außenbereichs für die Tiere auf dem vorderen Teil des 10.000 Quadratmeter großen Areals öffnet, läuft Mulan auf die anderen Hunde zu. Sie beschnuppern sich, wedeln mit den Schwänzen. Die Integration ist schnell gelungen. Es ist 9.10 Uhr, als sich Jaschinski von ihrem Liebling verabschiedet, ins Auto steigt und zur Arbeit fährt.

Das Schlafhaus: Hier übernachten die Hunde auf Couchgarnituren und in Boxen.
Das Schlafhaus: Hier übernachten die Hunde auf Couchgarnituren und in Boxen. © Michael Rauhe

Zu diesem Zeitpunkt ist Nicole Nowak schon seit drei Stunden auf Achse. Ihr Tag beginnt um kurz nach sechs, allerdings nicht mit einem ausgiebigen Frühstück. Erst werden die Tiere rausgelassen, Wassernäpfe aufgefüllt. Nicht zu vergessen die Reinigung. Mehrmals am Tag ist Putzen angesagt. Um 7 Uhr kommen die ersten Tagesgäste, eine Stunde später oft eine der vier Teilzeitkräfte. „Dann kann ich auch ein Brot essen“, sagt Nowak. Zwischendurch muss sie sich um die beiden Töchter Mailin (elf Jahre) und Mara (15) kümmern, die nach der Schule gerne mitanpacken.

Ehemann Bernd unterstützt bei vielen Aufgaben

Auch Ehemann Bernd hilft, sammelt zum Beispiel Kot ein und mäht Rasenflächen, auf denen die Tiere unterwegs sind. Das ist allerdings nicht sein Hauptjob. Der 53-Jährige ist selbstständiger Event-Manager, verleiht und verkauft Kopfhörer. Mit diesen Utensilien stattet er die Aida-Flotte aus. Die Familie hat auch noch drei Pferde und zwölf Hühner. Nicole Nowaks Arbeitstag endet meistens gegen 22 Uhr, manchmal macht sie danach aber noch administrative Sachen im Büro. Heute ist die Steinburgerin nicht wirklich ausgeschlafen. In den zwei Nächten zuvor hatte ein Hund sie durch lautes Bellen jeweils gegen Mitternacht geweckt. Schwamm drüber. Die Tierliebhaberin würde sich darüber nie beschweren. Auch nicht, dass sie mit wenigen Ausnahmen 365 Tage im Jahr im Dienst ist. Sie sagt: „Das ist mein Ding. Ich könnte ohne Menschen leben, aber nicht ohne Tiere.“ Auf Familienurlaub waren die Nowaks erst zweimal: vor Jahren einmal in Kanada und 2018 für eine Woche mit dem Schiff. Vorerst ist kein weiterer Urlaub geplant.

Natalie Hinz aus Trittau bringt ihren Retro-Mops Mo zweimal in der Woche in die Tagespension
Natalie Hinz aus Trittau bringt ihren Retro-Mops Mo zweimal in der Woche in die Tagespension © Michael Rauhe

Um 9.45 Uhr parkt das nächste Auto vor der Pforte. Natalie Hinz aus Trittau hat ihren Retro-Mops Mo auf dem Arm. Sie bringt den Kleinen zweimal die Woche in die Tagespension, zahlt pro Besuch 19 Euro – und das seit vier Monaten. Eine lohnende Investition, findet die Geschäftsfrau: „Ich möchte, dass Mo mit anderen Hunden zusammenkommt. Hier ist sie ausgelastet, es ist ja wie in einem Kindergarten.“ Hinz und ihr Mo haben eine Art Eignungstest bestanden. Dabei schaut sich Nowak Tiere sowie Halter bei einem gemeinsamen Kennenlerntermin genau an. Sie sagt: „Ich nehme keine Hunde, die zu dominant sind.“ Sie könne gut einschätzen, wer sich prügele und Unruhe in die Gruppe bringe. Bei Mo war das Urteil schnell gefällt. Es war die richtige Entscheidung. Mo scheint das nochmal bestätigen zu wollen, indem er mit dem Kopf am Bauch eines anderen Tieres reibt. Es sind auch solche Momente, die Nicole Nowak ein Glücksgefühl verschaffen.

Einmal wurde die Pensionseignerin von einem Vierbeiner gebissen. Er schnappte nach der Hand, Blut floss. Nowak kann sich noch genau an jenen Abend, an dem es schon dunkel war, erinnern: „Das war ein Notfall. Der Halter kam in eine Klinik, Nachbarn haben den verunsicherten Hund vorbeigebracht.“ Sie habe ihn angenommen, ohne sich das Tier genauer anzuschauen. Dann sei es halt passiert. Vorwürfe macht sie dem Hund aber nicht. Das Verhalten sei der Situation geschuldet.

Trainingsfläche wird gerade für 12.000 Euro modernisiert

Nowak ist in Hamburg aufgewachsen und hatte im Alter von neun Jahren ihren ersten eigenen Hund. Es war ein Pudel. Beruflich schlug sie einen anderen Weg ein, ging in die Immobilienbranche. Der Wunsch, mit Tieren zu arbeiten, reifte jedoch immer mehr. Sie studierte Tierheilpraktik und Tierpsychologie, machte sich 1995 mit einer Hundeschule in der Hansestadt selbstständig und war die erste Tierpsychologin in Hamburg.

2001 zog sie von der Großstadt nach Steinburg und schaffte sich dort ein Umfeld, das sie nie wieder eintauschen will. Die beiden Wohnhäuser sind durch ein eingeschossiges Gebäude verbunden, in dem eine Quarantänestation kranken Tieren Unterschlupf bietet. Dort schlafen jene Vierbeiner, die zum Beispiel von einem Schnupfen geplagt sind.

Nowak verfügt über jede Menge medizinische Expertise. Sie gründete einen Tierschutzverein und war früher in ihrer Funktion als Vorsitzende mit Tierärzten aus Berlin mehrmals in Portugal. „Dort haben wir uns in Heimen um Tiere gekümmert. Die Arzte haben operiert, ich war unter anderem für das Entwurmen sowie das Impfen zuständig“, erzählt sie.

Um die Vierbeiner in ihrer Einrichtung auf den richtigen Weg zu bringen und angemessenes Verhalten zu lehren, arbeitet die Expertin mit Körpersprache und verzichtet auf technische Hilfsmittel. Sie hebt zum Beispiel die Stimme und fasst die Hunde auch mal energischer an, allerdings ohne zu hauen. „Dieser Akt simuliert zubeißen“, sagt Nowak. Derzeit sind auf ihrem Areal Bagger unterwegs. Die Hundespezialistin modernisiert die Trainings- und Spielfläche hinter dem Schlafhaus. Das Projekt kostet 12.000 Euro.