Ahrensburg/Bad Oldesloe. Eine Ahrensburger Initiative beklagt, dass Zahlungen zu Unrecht gestrichen werden. Das Jobcenter weist den Vorwurf jedoch zurück.

„Es ist diese hilflose Ohnmacht, die mich fassungslos macht“, sagt Karin Boß. „Die Behörden machen uns krank und ganz besonders das Jobcenter.“ Die 59 Jahre alte Ahrensburgerin begleitet seit mehr als drei Jahren ehrenamtlich rund 40 Syrer, die nach Deutschland geflohen sind. Vor allem bei Zuverdiensten von sogenannten SGB-II-Empfängern (Grundsicherung für Arbeitsuchende) gebe es immer wieder Probleme mit dem Geld. Die Flüchtlingshelferin wirft dem Jobcenter Willkür vor. Die Behörde weist den Vorwurf strikt zurück, spricht dagegen von sehr guter Zusammenarbeit.

„Es ist kein Einzelfall, sondern das achte Mal, dass bei einer Arbeitsaufnahme sofort alle Leistungen gestrichen wurden“, sagt Karin Boß. „Dabei wird nicht berücksichtigt, wie hoch das künftige Einkommen tatsächlich ist.“ Die Frau berichtet von einer zehnköpfigen Familie, die durch 100 Euro Zuverdienst der Tochter kein Geld mehr bekommen habe. Von einem Familienvater, dessen komplette Zahlungen wegen eines 450-Euro-Jobs eingestellt worden seien. Und von Fällen, wo selbst Essen und Babywindeln nicht gezahlt werden konnten.

Betreuerin hat bei Engpässen mit eigenem Geld ausgeholfen

„Bis der neue Antrag bearbeitet wird und wieder Geld fließt, können vier Monate vergehen“, sagt Karin Boß. „Als Folge sind in diesem Zeitraum keinerlei Miet- und Versorgungszahlungen möglich.“ Nicht selten habe die Betreuerin mit ihrem eigenen Geld ausgeholfen, was jedoch nur begrenzt möglich sei. Zusätzlich habe sie mit vielen Vermietern persönlich gesprochen, um Kündigungen abzuwenden. Grundsätzlich beobachte sie, dass es immer schwieriger werde, Wohnungen für SGB-II-Empfänger zu bekommen. Viele Makler antworteten mittlerweile nicht mehr auf Anfragen – woran nicht zuletzt die Zahlungsmoral des Jobcenters schuld sei.

Michael Cyrkel, Fachdienstleiter Rathaus Ahrensburg
Michael Cyrkel, Fachdienstleiter Rathaus Ahrensburg © HA

„Das Vorgehen der Behörden hat sich in den vergangenen Jahren zum Schlechten gewandelt“, sagt Boß. „Ich habe selbst zehn Jahre eine Wohnung an Sozialhilfeempfänger vermietet und nie finanzielle Ausfälle gehabt.“

Britta Ritterhoff, stellvertretende Vorsitzende beim Freundeskreis für Flüchtlinge in Ahrensburg, bekräftigt die Kritik. Grundsicherungs-Empfänger hätten keine Lobby und kaum Möglichkeiten, mit ihren Anliegen in der Öffentlichkeit durchzukommen, sagt Ritterhoff. „Wir können den Flüchtlingen nicht vorwerfen, dass sie keinen sanften Einstieg in den Arbeitsplatz suchen oder dass Schwarzarbeit immer mehr zunimmt. Dies sind Entwicklungen, die wir als Gesellschaft fördern.“

Doch sind diese Probleme auch anderen Organisationen bekannt? Die Antworten fallen unterschiedlich aus. So sieht Deetje Köhler, Kreisgeschäftsführerin beim Sozialverband Kreis Stormarn (SoVD), keine Lücken in der Leistungszahlung. Jürgen Eckert, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Stormarn, spricht von Einzelfällen.

Jobcenter-Geschäftsführerin spricht von nur einem Fall

Konkrete Beispiele kennt Michael Cyrkel, Fachdienstleiter für Soziale Hilfen und Wohnungsangelegenheiten im Ahrensburger Rathaus. Es gebe Leistungsbezieher, die wegen langer Bearbeitungszeiten Probleme mit Vermietern bekämen. „Ausziehen musste deswegen noch keiner“, sagt Cyrkel. „Dennoch sind Vermieter verärgert, und die Vorbehalte steigen.“ Die Gründe für verspätete Zahlungen sieht Cyrkel differenziert. Er bekomme nicht mit, ob alle Fristen bei der Antragstellung eingehalten wurden. Außerdem gebe es immer wieder sprachliche Probleme.

Doris Ziethen-Rennholz, Geschäftsführerin Jobcenter Stormarn
Doris Ziethen-Rennholz, Geschäftsführerin Jobcenter Stormarn © HA

Verständigungsschwierigkeiten seien in vielen Fällen der Grund, warum Anträge nicht innerhalb von 14 Arbeitstagen bearbeitet werden könnten, sagt die Geschäftsführerin des Jobcenters Stormarn, Doris Ziethen-Rennholz. Ihr sei allerdings nur ein einziger Fall bekannt, bei dem es tatsächlich zu einer verspäteten Zahlung gekommen sei. Ansonsten hätten die SGB-II-Bezieher ihr Geld jeden Monat auf dem Konto. „Solange das Gehalt nicht angerechnet ist, wird der alte Bescheid nicht aufgehoben“, sagt Ziethen-Rennholz. „Und bei kleinen Beträgen wird die Zahlung nur gekürzt.“

Die Beschwerden seien ihr unverständlich, da gerade die Zusammenarbeit mit dem Freundeskreis für Flüchtlinge in Ahrensburg sehr gut sei. Zudem sei die Mehrzahl der vorliegenden Beschwerden veraltet, die Zahlung bereits erfolgt.

Es sei bekannt, dass Anträge generell nicht einfach auszufüllen seien. Doch in allen Ämtern ständen Sprach- und Kulturmittler zur Verfügung, die die Kunden in ihrer Muttersprache begleiten. Das Ziel des Jobcenters sei es, Menschen in Arbeit zu bringen – und zwar nicht nur in Vollzeitjobs. Zunächst sei jede Art von Arbeit willkommen. „Jeder muss zunächst klein anfangen“, sagt Ziethen-Rennholz. „Deshalb wird jede Art von Arbeitsaufnahme von uns unterstützt.“

Die Arbeit mit Flüchtlingen sei Schwerpunkt des Jobcenters, sagt Landrat Henning Görtz. Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit teilt sich der Kreis die Trägerschaft der Behörde. „In diesem Zusammenhang legen wir Wert darauf, dass die Unterstützung so zeitnah wie möglich gewährt wird“, sagt Görtz. „Ich denke, dass das Jobcenter ein gutes Auge darauf hat.“

Da die Beschwerde bis auf Landesebene vorgedrungen ist, müssen einzelnen Fälle aufbereitet und geprüft werden, ob es weitere Zahlungsunterbrechungen gegeben hat. Das Arbeitsministerium in Schleswig-Holstein hat das Jobcenter zu einer Stellungnahme aufgefordert.