Bad Oldesloe. Experten sollen klären, ob das Tier zuvor selbst Schafe tötete. Bauern ergreifen Maßnahmen. Wolfsbetreuer analysiert Situation.
Auf der Autobahn 1 ist ein Wolf von einem Auto erfasst und getötet worden. Es könnte sich um das Tier handeln, das vor einer Woche ein Dutzend Schafe in Groß Boden an der Kreisgrenze zu Lauenburg getötet hat. Der Vorfall auf der A 1 zwischen Bad Oldesloe und Bargteheide auf Höhe der Ortschaft Pölitz ereignete sich nämlich nur ein paar Kilometer von Groß Boden entfernt, wo Stephan Schächterle auf der Koppel seines Vaters kürzlich elf tote und mehrere verletzte Schafe vorfand, von denen eines im Nachhinein verstarb.
Söhne des Schafzüchters haben die Zäune erhöht
Zum Abendblatt sagte Schächterle am Donnerstag: „Ein Nachbar informierte mich über den Vorfall. Wenn man mit eigenen Augen dann die halb aufgerissenen Lämmer sieht, über deren Geburt man sich noch vor einiger Zeit gefreut hatte, trifft einen das schon sehr.“ Die zwölf toten Schafe gehörten seinem Vater, der sich aus gesundheitlichen Gründen zurzeit nicht um seine Tiere kümmern kann. Sein Sohn sieht täglich auf der Weide nach dem Rechten.
„Nach diesem Vorfall komme ich mit einem anderen Gefühl her.“ Gemeinsam mit seinem Bruder hat Stephan Schächterle inzwischen die Umzäunung der Schafwiese erhöht. „Die Untersuchungsergebnisse stehen ja noch aus. Aber wenn es ein Wolf war, muss er über den Zaun gesprungen sein.“ Inzwischen wurden alle Tiere auf Verletzungen hin untersucht. Ohne Befund. 170 Schafe waren während des Angriffs auf der Weide gewesen. „Es war alles andere als angenehm für mich, meinem Vater solch eine Nachricht zu überbringen. Zumal er gerade im Krankenhaus liegt. Die Schafzucht ist sein Lebenswerk“, sagt Stephan Schächterle.
Überfahrener Wolf war weibliches Jungtier
Bei dem Wolf, der nun auf der A 1 tödlich verletzt wurde, handelte es sich um ein weibliches Jungtier, etwa ein knappes Jahr alt. „In dem Alter werden sie von ihren Eltern genötigt, das Rudel zu verlassen“, sagt Jens Matzen, Wolfsbetreuer des Landes Schleswig-Holstein. Die Raubtiere gehen auf Wanderschaft und suchen sich ein eigenes Revier und einen Partner. Diese einsamen und unerfahrenen Wölfe sind es, die hin und wieder mit der Zivilisation in Kontakt kommen. Dass ein Wolf die Tiere in Groß Boden gerissen hat, hält Matzen für denkbar. „So etwas in diesem Ausmaß ist zwar selten, kann aber durchaus vorkommen“, sagt der Experte, der Wolfssichtungen im Norden untersucht.
In der Regel reißen Wölfe nur ein Tier, um zu fressen. Dass sie mehr Tiere erlegen als sie benötigen, sei die Ausnahme – und hänge auch mit der Nutztierzüchtung zusammen. „In Jahrhunderten der Züchtung wurde Schafen der natürliche Fluchtreflex abtrainiert, um sie leichter handhaben zu können“, erklärt Matzen. So komme es vor, dass Schafe „wie paralysiert“ dabei zusehen, wie ihre Artgenossen getötet werden, nicht fliehen. Der Wolf auf Nahrungssuche, so beschreibt es der Experte, sei durch dieses Verhalten der Schafe dann selbst irritiert. Er nutzt die Gelegenheit, tötet so viele Schafe wie möglich, um sich für die nächste Mahlzeit nicht erneut auf eine anstrengende Jagd begeben zu müssen.
Experten untersuchen die DNA-Proben
Anhand von DNA-Proben soll nun geklärt werden, ob der tote Wolf für den Vorfall in Groß Boden verantwortlich war. Mögliche Wolfsrisse häufen sich im Kreis Herzogtum Lauenburg: Einige Tage vor dem Vorfall in Groß Boden war in Duvensee das Schaf einer Familie in deren Garten in der Dorfmitte gerissen worden. Innerhalb von zwei Wochen gab es vier Angriffe auf domestizierte Tiere. Zuletzt in Klinkrade, etwa zehn Kilometer südöstlich von Groß Boden. Dort wurden ein Muttertier und ihr Lamm getötet. Ob es sich dabei um Wolfsangriffe handelte, ist noch nicht eindeutig belegt.
Bei jedem Riss werden Gewerbeproben entnommen. Der Kadaver der bei Bad Oldesloe überfahrenen Wölfin wurde ins Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierkunde nach Berlin gebracht. Dort wird die DNA-Probe analysiert.