Bad Oldesloe. Simone Solga ist mit ihrem Programm „Das gibt Ärger!“ im Kultur- und Bildungszentrum zu Gast. Darin holt sie zu einem Rundumschlag aus.
Auf der Bühne des Oldesloer Kultur- und Bildungszentrums (KuB) steht eine kleine zierliche Frau. Nach eigenen Angaben ist sie gerade erst aus „Deutschlands bestbewachter geschlossener Abteilung“ ausgebüxt und bittet nun offiziell um Asyl. Geschlossene Abteilung ist ihre bissige Umschreibung für das Kanzleramt und wer hier Asyl begehrt, ist niemand anderes als Kabarettistin Simone Solga in ihrer Paraderolle als Kanzlersouffleuse. „Das gibt Ärger!“ lautet der Titel ihres Programms, mit dem sie am Freitag Station im KuB machte. Sie habe die Balkanroute über Tremsbüttel und Rümpel genommen und sei so nach Bad Oldesloe gelangt. „Sie sind heute Abend meine Fluchthelfer“, lässt sie die Zuschauer wissen. Und wie zum Beweis für ihre Notlage stellt sie die rhetorische Frage, wer anderes als ein Mensch in tiefster Not freiwillig an einem Freitagabend ausgerechnet nach Bad Oldesloe komme.
Die Kabarettistin hat sich zuvor gut über ihre Gastgeber informiert. Immer wieder nimmt sie Bezug auf lokale Gegebenheiten, was beim Publikum ebenso oft Anlass zur Heiterkeit ist. „Kommen Sie, wir machen uns einen richtig schönen Abend und ich werde auch gar nicht mehr über Politik reden“, bietet sie den Zuschauern an und bricht das Versprechen nach exakt einer Sekunde.
Politische Korrektheit ist nicht die Sache der Kabarettistin
Nach Bemerkungen zu Annegret Kramp-Karrenbauers Karnevalswitz über intersexuelle Menschen setzt sie „der arme Jens Spahn“ hinterher und erklärt die Metamorphose von Annegret und Angela vom Schmetterling zur Raupe für abgeschlossen. Als wenig später ein Besucher den Saal verlässt, reagiert sie verwundert und will das nicht unkommentiert hinnehmen. „Wo wollen Sie denn hin? Es ist doch noch gar nicht vorbei“, ruft sie ihm hinterher. Als sie später zum brillanten Rundumschlag gegen das allgegenwärtige Gendern ausholt, zieht sie daraus aber undifferenzierte Schlüsse: „Soll ich dem Typen, der mir die Tür aufhält, sagen, er soll nicht in die Geschlechterrolle verfallen?“, fragt sie in den Saal. Sie finde Männer spannender, die der Frau nicht nur die Tür aufhielten, sondern gleich noch das Abendessen bezahlten. Frauen ständen nun mal auf Männlichkeit mit Sixpack und Knackarsch, das sei schon seit Jahrtausenden so, da könne man reden, wie man wolle. Die Alternative? Glatze, Ranzen und Plattfüße. Wie praktisch, dass Stereotypen so einfach sind.
Solga wirft schwedischen Umweltaktivistin Inkonsequenz vor
Auch Greta Thunberg bekommt ihr Fett weg: Die Kabarettistin wirft „der kleinen Greta“ vor, dass diese nicht konsequent sei. Den Standpunkt der Umweltaktivistin beschreibt sie so: „Unsere Umwelt hat nur eine Chance: Wir müssen sofort euer Leben ändern.“ Statt dessen solle Thunberg lieber auf Klassenreisen in ferne Länder verzichten, lautet Solgas Ratschlag.
Doch das Thema, das sie offensichtlich am meisten umtreibt, betrifft Flüchtlinge, Asyl und Islam. Dabei nimmt sie kein Blatt vor den Mund, denn Tabus sind nicht ihre Sache und politische Korrektheit schon gar nicht. Eher schon frei nach dem Motto: „Das wird man doch wohl noch mal sagen dürfen.“ Wer beispielsweise meine, der Islam gehöre zu Deutschland, müsse auch gleich das ganze Paket mit Burka und Kinderehen nehmen. Eine Schlussfolgerung, der nicht jeder Zuschauer folgen kann.
Mit ihrer Kritik an Islamisten, welche technische Möglichkeiten von aus ihrer Sicht Ungläubigen wie Amerikanern und Juden nutzen, um ihre Botschaften im Internet zu verbreiten, trifft sie dagegen voll ins Schwarze. Sie nimmt Bezug auf das aktuelle politische Geschehen, erwähnt den vereitelten Anschlag islamistischer Extremisten in Hessen. „Man mag sich gar nicht ausmalen, wie Allah sich schämt“, sagt sie. Sie wolle jedoch nicht mehr Polizei, sondern mehr Gründe für weniger Polizei. Sie fordert mehr Gerechtigkeit am Beispiel eines „herkunftsvariablen Neubürgers“ ein, der höchstens mit einer Bewährungsstrafe rechnen müsse, wenn er jemanden die Rolltreppe hinunterschubse. Vielleicht habe er ja den Begriff Rolltreppe falsch verstanden, schiebt sie spöttisch hinterher. Der Riss, der das Land in der Flüchtlingsdebatte teilt, scheint geradewegs durch die Kabarettistin hindurch zu gehen: In einem Gespräch mit sich selbst nimmt sie zwei völlig entgegengesetzte Positionen dazu ein, ohne sich für eine davon zu entscheiden.
Ob Politiker aller Couleur, Vegetarier, soziale Medien, Dieselausstoß oder Sicherheit: Solga demonstriert ihre Lust an der pointierten Zuspitzung. Sie schaut immer mal aufs Handy, bittet das Publikum um Verständnis, wenn sie bei Anrufen ihrer Chefin ans Telefon geht. Der schmiert sie Honig um den Bart, um ihre Flucht zu verschleiern.
Sie trifft den Geschmack des Publikums
Dann liest Solga eine Nachricht vor, die vom Oldesloer Bürgermeister Jörg Lembke stammen soll: Er biete ihr das Bleiberecht an, solange er im Amt sei. „Wenn Sie solche Leute wie mich hier nicht haben wollen, dann müssen Sie die Fluchtursachen bekämpfen“, lautet ihre unstrittige Analyse. „Ganz oft ist man auf einer Linie mit ihr, dann wiederum überhaupt nicht“, beschreibt Katrin Offen vom KuB nach der Vorstellung das Spannungsfeld. Gelächter und Schlussapplaus zeigen, dass Solga jedenfalls damit genau den Geschmack des Publikums getroffen hat.