Glinde. Stormarner Jusos werben auf neuen Wegen um Nachwuchs. Bei fast allen Jugendorganisationen der Parteien sinken die Mitgliederzahlen
Lecker essen und über Politik reden: So wollen junge Sozialdemokraten in Glinde ihre Altersgenossen in ungezwungener Atmosphäre für Politik begeistern. Um auch in der Nähe ansprechbar zu sein, haben sie einen Juso-Verband für den Stormarner Süden gegründet. In ihm sollen sich junge Menschen aus Reinbek, Glinde, Barsbüttel und Oststeinbek für sozialdemokratische Politik einsetzen.
Zu den Gründern gehören Jan Wegel und Justin Paßow aus Barsbüttel. „Wir fragen uns, ob junge Leute in der Politik gut vertreten werden“, sagt der 17-jährige Schüler, der seit wenigen Wochen Beisitzer im Vorstand der SPD seiner Heimatgemeinde ist: „Ich will etwas bewegen.“
Wie Wedel geht es vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Kreis Stormarn. In Zeiten, in denen das Selbstverständnis der Demokratie in Europa bröckelt, wollen sie diskutieren und mitmischen: bei der großen Politik, die in Berlin und Brüssel gemacht wird – und vor allem bei den vielen Baustellen in ihren Heimatstädten und -gemeinden.
Sie engagieren sich bei den Jusos, den Jungen Liberalen, bei der Jungen Union oder der Grünen Jugend. In Bargteheide hatte sich Mitte Februar zuletzt auch ein Ortsverband der Jungen Union gegründet.
Wedel und Paßow wünschen sich die Einrichtung eines Kinder- und Jugendbeirats in Barsbüttel, wie es ihn seit vergangenem Jahr beispielsweise in Glinde gibt. Die Politik in der Heimatgemeinde der Jusos lehnt einen solchen jedoch mehrheitlich ab. Für den 23-jährigen Paßow, der seit vergangenem Jahr der SPD-Fraktion angehört, ein Unding: „Es gibt schließlich auch einen Seniorenbeirat“.
Philipp Quast, der in Reinbek stellvertretender Ortsvorsitzender ist, stimmt zu: „Unser Stadtparlament ist zu alt und zu männlich.“ Dabei gibt es Interessentinnen wie Sarina Badafras. Die 17-Jährige aus Billstedt beklagt: „Ich darf wählen gehen, aber erst mit 18 gewählt werden.“
Mit Wolfgang Westphal (57) und Peter Nilsson (58) lassen sich heute auch zwei alte Hasen zu Pizza und Politik blicken. Beide gehören dem Ortsvorstand der SPD in Glinde an. „Wir haben jahrelang für einen Kinder- und Jugendbeirat gekämpft und uns für das Jugendzentrum stark gemacht“, sagt Westphal. Um zu wissen, was die junge Generation wolle, sei die Politik auf ihre Mitwirkung angewiesen. „Und das machen zu wenige“, sagt Westphal.
Das wird auch an diesem Sonntagnachmittag in Glinde deutlich. Wegel und Paßow hatten kurzfristig 2500 Flyer an den Schulen im Süden des Kreises verteilt und in sozialen Medien geworben. Gekommen ist nur ein Interessent. Die sieben weiteren jungen Anwesenden engagieren sich bereits in der Politik.
Eine gewisse Flaute im politischen Engagement der Jugend verdeutlichen auch die Mitgliederzahlen der parteinahen Jugendorganisationen im Kreis Stormarn: Waren etwa bei der Jungen Union im Jahr 2010 noch 477 Mitglieder aktiv, sind es aktuell nur noch 321. Bei den Jusos sind es 160, man verzeichne einen leichten Anstieg in den vergangenen vier Jahren, Zahlen aus den vergangenen Jahre habe man indes nicht. Sie werden auch bei den Stormarner Julis nicht erfasst: Aktuell seien dort 14 Mitglieder registriert. „Viele gehen zum Studium in die Großstädte und engagieren sich dort“, sagt Moritz Hausberg, Stellvertretender Landesvorsitzender der schleswig-holsteinischen Jungliberalen. Landesweit sei die Tendenz leicht steigend.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei einem Blick auf die Stormarner Grüne Jugend. Auch hier steigen die Mitgliederzahlen zwar leicht, Jugendliche, die sich engagieren, ließen sich aber in den vergangenen zehn Jahren an zwei Händen abzählen. Aktuell sind es neun. Ron Fischer, organisatorischer Geschäftsführer der Grünen Jugend Schleswig-Holstein, erklärt sich die geringe Mitgliederzahl im Kreis mit der Nähe zu Lübeck und Hamburg: „Dort gibt es gut vernetzte Gruppen, bei denen sich auch Stormarner anschließen.“
Mehr Engagement vor Ort wünscht sich Jungpolitiker Philipp Quast: „In Reinbek gab es einen Kinder- und Jugendbeirat, der jedoch wegen mangelnder Beteiligung wieder aufgelöst wurde.“ Dabei würden Schüler bei Veranstaltungen wie Jugend im Rathaus an die Politik herangeführt. „Sie gehen dann aber nicht den nächsten Schritt, sich selbst zu engagieren.“
Für Paßow könnte ein Grund der späte Beginn des Politik-Unterrichts in der Schule sein. „Der begann bei mir erst in der 11. Klasse“, so der Barsbütteler. Quast ergänzt: „Und dann wird meist über Bundespolitik gesprochen.“ Viele wüssten nicht, dass es gar nicht so schwer sei, Kontakt zum Bürgermeister ihrer Heimatgemeinde zu bekommen. Menschen in Stormarn für Politik zu begeistern, sei auch deshalb schwierig, weil viele durch die Arbeit nach Hamburg orientiert seien. „Wenn wir den Hamburger Bürgermeister nach Reinbek einladen, zieht das mehr Leute an, als wenn der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein kommt“, so Quast. Manuel Stapelfeldt aus Tonndorf, der für den Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Ole Thorben Buschhüter arbeitet, sagt: „Es gibt einen Social Gap und einen Generation Gap“ und meint damit, dass sich sowohl Jüngere und schlechter Gebildete Menschen oft weniger für Politik interessieren.
Anders ist das bei Anuj Rajan. Der 17-Jährige geht mit Jan Wegel in Hamburg zur Schule. Er ist der einzige, aber vielversprechende Neuling an dem Tag. „Seit wir mit der Schule den Abgeordneten Johannes Kahrs im Bundestag besucht haben, interessiere ich mich für Politik“, sagt er. Er suche jetzt nach einer Möglichkeit, sich einzubringen.
Ein Patentrezept, wie ihre Altersgenossen anzusprechen sind, haben die Jusos selbst noch nicht gefunden. Weitergehen soll es trotzdem. Jan Wegel: „Vielleicht organisieren wir beim nächsten Mal eine Party.“