Ahrensburg. Ahrensburger Demeter-Gut Wulfsdorf bietet Flächen zur Pacht für Aussaat von Wildblumen an. Initiative des Umweltministeriums verlängert.

Wenn Dorothea Bogs über ihre schwarz-gelb-geringelten Schützlinge spricht, redet sie vom „Bien“. Gemeint ist dann die gesamte Gemeinschaft eines Bienenvolks: ein Organismus aus Arbeiterinnen, Drohnen und einer Königin, in dem einer das Überleben des anderen sichert. Eben diese besondere Allianz will Bogs in ihrer Imkerei auf dem Ahrensburger Demeter-Gut Wulfsdorf schützen.

Mit aktiven und passiven Patenschaften sollen Menschen für das Leben der Insekten sensibilisiert werden. Nebenbei profitieren auch andere Zweige des Ökobetriebs: Auf der Suche nach Nektar bestäuben Bienen Blumen in der Kompostgärtnerei, Gemüsepflanzen auf Feldern, oder sorgen für Ertrag auf rund 800 Obstbäumen. Den Honig verkaufen die Landwirte im Hofladen.

Der Ökohof will Menschen beim Thema mitnehmen

„Bienen brauchen Bauern und Bauern brauchen Bienen“, sagt Stephan Gersteuer, Generalsekräter des Bauernverbandes Schleswig-Holstein. „Bienen sind systemrelevant“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) kürzlich. In Bayern haben sich jüngst weit mehr als eine Million Bürger dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ angeschlossen. Die Angst vor dem Bienensterben hat die Deutschen alarmiert.

Dabei geht es beim Thema längst nicht um die Honiglieferanten allein. „Viele Artengruppen sind betroffen“, sagt Norbert Voigt, Bienen- und Insektenexperte beim Schleswig-Holsteinischen Heimatbund: „Neben Bienen – und hier vor allem Wildbienen – auch Schmetterlinge, Käfer und viele andere teilweise kaum bekannte Insektengruppen.“ Eine ganz neue Entwicklung sei das nicht, sagt Voigt: „Ein Artensterben kann weltweit bereits seit Jahrzehnten beobachtet werden.“

Vor knapp 30 Jahren hat Georg Lutz das Gut Wulfsdorf gegründet. „Artenvielfalt war schon immer Teil unseres Konzeptes“, sagt er. Im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft habe der ökologische Anbau zwar viele positive Effekte auf die Artenvielfalt. Dennoch seien zusätzliche Bemühungen notwendig: weitere Feuchtbiotope, Knicks sowie Strauch- und Baumstreifen sowie Obstbaumreihen mit alten Sorten sollen in den kommenden Jahren entstehen.

Menschen können mit Zehn Euro Aussaat im April unterstützen

Den Anfang macht der Öko-Betrieb jetzt mit einer Mitmachaktion: Für zehn Euro können Menschen, denen die Insektenvielfalt am Herzen liegt, das Gut bei der Anlage von einjährigen Blühstreifen- und Flächen helfen. „Mit diesem Betrag können wir auf 25 Quadratmeter im April Wildblumen säen“, sagt Lutz., „für jede Zuwendung werden wir die Fläche zudem auf eigene Kosten verdoppeln.“ Auf monetäre Unterstützung sei Lutz angewiesen, da es sich bei Blühwiesen nicht um landwirtschaftliche Nutzflächen handelt, Fördermittel für den ökologischen Landbau also ausbleiben.

Bürger aus der Umgebung mit ins Boot zu holen, habe zudem positive Nebeneffekte: „Wir wollen die Menschen mitnehmen, einen Impuls geben“, sagt Lutz. In Zukunft soll es auch Veranstaltungen rund um das Thema geben. „Wir planen noch, wie wir das machen.“ Die Reaktionen auf den Aufruf zur Mithilfe per Newsletter seien erfreulich. Nach wenigen Tagen seien schon 700 Euro auf dem Konto.

Über das hohe Interesse am Thema freut sich auch Insekten-Experte Norbert Voigt, der immer häufiger zu Vorträgen in Kommunen in der Region eingeladen wird. Schuld an der Entwicklung sei ein „Bündel an Faktoren“: Insektizide würden ebenso wie Düngemittel in der freien Landschaft und im Siedlungsbereich immer noch zu umfangreich eingesetzt werden. Hinzu komme der Verlust an Lebensräumen für die Insekten – der Rückgang von artenreichem Grünland, Dünen- und Heidelandschaften, sowie von Flächen mit Magerrasen, nährstoffarme Biotope mit besonderen Kräutern und Gräsern. „Viele Insekten haben spezielle Bedürfnisse“, sagt Voigt, „die Insektenvielfalt hängt unmittelbar mit der Pflanzenvielfalt zusammen.“

Wer selbst pflanzen möchte, braucht noch etwas Geduld

Werden Populationen von Insekten kleiner oder sterben gar ganz aus, habe das einen empfindlichen Einfluss auf die Ökosysteme: „Insekten sind für das Recycling in der Natur zuständig, führen altes Holz, abgestorbene Pflanzen, Kot oder Aaß wieder in die Stoffkreisläufe zurück.“ Zudem sind Insekten Schädlingsbekämpfer und Nahrungsgrundlage für andere Tiere. „Entsprechend der vielfältigen Gründe gibt es zahlreiche Handlungsfelder“, sagt Voigt. Gartenbesitzer seien ebenso gefragt wie Kommunen, Land- und Forstwirtschaftsbetriebe und natürlich auch die Politik.

Auch Georg Lutz sieht das Insektensterben als gesamtgesellschaftliches Problem. Der ökologischen Landwirtschaft komme aber eine Schlüsselrolle zu. Lutz beobachtet zudem, dass auch die konventionelle Landwirtschaft immer mehr nachziehe, besonders junge Kollegen würden alte Strukturen aufbrechen: „Da kann etwas Gutes entstehen.“

Ähnlich sieht es Stephan Gersteuer vom Bauernverband: „Der Unterschied zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft wird immer geringer.“ Überall im Land entstünden auf den Feldern derzeit Blühstreifen. Gleichwohl dränge der Verband weiterhin darauf, dass die Ursachen des Insektensterbens genauer ermittelt werden. Gersteuer: „Es gibt viele mögliche Ursachen, nur einige haben etwas mit der Landwirtschaft zu tun.“

Auch in Stormarn lässt sich derweil ein Umdenken beobachten. Das Kieler Umweltministerium setzt die im vergangenen Jahr gestartete Initiative „Schleswig-Holstein blüht auf“ in diesem Jahr fort. Sie fördert Landwirte, Unternehmer und Gemeinden mit kostenlosem Saatgut – auch im Kreis Stormarn. 2018 hat sich etwa die Stadt Bargteheide beteiligt. Im Glinder Rathaus können zu den Öffnungszeiten zum Preis von 90 Cent Samentüten für Wildblumen erworben werden.

Wer pflanzen möchte, muss allerdings noch warten. „Wir werden im April säen“, sagt Ökobauer Lutz zum Abendblatt, „es gibt schöne Blühmischungen, auch in Bioläden.“