Bad Oldesloe. Rege Mitarbeiterbeteiligung an Zukunftswerkstatt des Kreditinstituts. Vorstand sieht Online-Banking nicht als Weisheit letzter Schluss.

In seinen ersten viereinhalb Monaten als neuer Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Holstein war Thomas Piehl viel unterwegs. „Ich habe gut 80 Prozent unserer Filialen besucht“, sagt der 57 Jahre alte Großhansdorfer. Dabei hat er die meisten der rund 1000 Mitarbeiter auch persönlich kennengelernt. Bei 37 Standorten zwischen Hamburg und der Ostseeinsel Fehmarn – die SB-Stationen nicht mitgezählt – kamen Zehntausende Kilometer zusammen.

Ursprünglich sollte der Wechsel als Chef der Sparkasse Lüneburg an die Spitze der gut doppelt so großen Sparkasse Holstein erst Anfang Januar dieses Jahres erfolgen. Doch beide Seiten einigten sich auf den 1. Oktober. Die weiteste Reise unternahm Piehl gleich an seinem ersten Arbeitstag. Auf der Autobahn 1 fuhr er frühmorgens 125 Kilometer nach Burg/Fehmarn, bevor er auf dem Rückweg sein neues Büro in der Eutiner Zentrale bezog. „Der Sparkassenkunde erwartet, dass er auf einen Menschen trifft, der ihn in seinem Anliegen ernst nimmt“, sagt Piehl. „Das ist auf Fehmarn genauso wie in Hamburg.“

Kunden in der Stadt und auf dem Dorf

Unterschiede gebe es allerdings bei der Nachfrage nach den Angeboten und beim Marktumfeld. In der Großstadt stehe die Sparkasse im Wettbewerb mit Großbanken, in ländlichen Regionen dagegen mit anderen lokalen Instituten wie der Volksbank. „Wir werden in Zukunft eher in Regionen denken als in Vertriebslinien“, sagt Thomas Piehl, der nach dem Abitur erst eine Lehre und dann Karriere bei der Hamburger Sparkasse (Haspa) machte. 2010 wechselte er nach Lüneburg.

Wie die Zukunft der Sparkasse Holstein 2025+ aussehen soll, das können alle Beschäftigten derzeit mitbestimmen: in der Zukunftswerkstatt. Das kommt gut an. Die Auftaktveranstaltung in der Mensa der Ida-Ehre-Schule in Bad Oldesloe war bis auf den letzten Platz belegt. Von rund 1000 Mitarbeitern beteiligen sich rund 400 an einem der Werkstatt-Termine. „Die Plätze waren in kürzester Zeit weg“, sagt Viviane Kehr, Leiterin der Filiale in Bramfeld und im Kernteam der Zukunftswerkstatt. Erstmals befragt die Sparkasse ihre Mitarbeiter auf diesem direkten Weg. Das Werkzeug sind Flipcharts, Plakate und Filzstifte.

Mitarbeiter diskutieren Zukunft ihrer Bank

Christian Hardt und Anke Gebert bei der Arbeit in der Zukunftswerkstatt.
Christian Hardt und Anke Gebert bei der Arbeit in der Zukunftswerkstatt. © Finn Fischer | Finn Fischer

„Der Markt ist immer im Wandel. Da ist es toll, bei so einer Gelegenheit Vorschläge zu machen und mitgestalten zu können“, sagt Anke Gebert vom Vermögensmanagement in Bad Oldesloe. Dass solche Projekte auch den Zusammenhalt stärken, findet Christian Jahnke, der für Personalstrategien zuständig ist. Eine große Rolle spielt dabei die Digitalisierung. „Die Technologien bieten Chancen, bedeuten aber auch Herausforderungen“, sagt Christian Hardt, stellvertretender Abteilungsleiter Kreditsekretariat in Bad Oldesloe. Das betreffe etwa das bargeldlose Bezahlen oder Bankgeschäfte über das Internet. Hardt: „Einige Kunden schätzen den direkten Kontakt mit einem Berater in der Filiale, andere wollen lieber alles online erledigen können.“ Im Interview mit dem Abendblatt spricht der Vorstandsvorsitzende Thomas Piehl über die künftige Unternehmensstrategie.

Ende März tritt Großbritannien aus der Europäischen Union aus. Wie groß sind die Brexit-Folgen für die Sparkasse Holstein und für den Kreis Stormarn?

Vorstandschef Thomas Piehl, leger gekleidet in der Zukunftswerkstatt.
Vorstandschef Thomas Piehl, leger gekleidet in der Zukunftswerkstatt. © Sparkasse Holstein | Sparkasse Holstein

Thomas Piehl: Wir haben das mit unseren Kunden, die international tätig sind, besprochen. Wer Verbindungen nach Großbritannien hat, blickt schon sehr sensibel darauf, wie sich Kurse und Lieferbeziehungen verändern. Ich glaub’ aber nicht, dass hier jemand richtig wackelt. Allerdings wird vieles, was jetzt normal ist, plötzlich nicht mehr normal sein, weil man zum Beispiel wieder Zolldokumente braucht. Auf unsere Arbeit in der Sparkasse hat der Brexit dagegen kaum Auswirkungen.

Von London nach Hamburg: Ihr Institut hat sich in der Hansestadt Hamburg in den vergangenen Jahren stärker engagiert, dort auch neue Filialen eröffnet. Wollen Sie diese Strategie fortsetzen?

Die Entwicklungsachse Hamburg–Fehmarn hat für uns eine hohe Bedeutung, und Wirtschaft macht nicht an der Stadtgrenze halt. Für uns als regionale Sparkasse ist es wichtig, an dieser Entwicklungsachse zu partizipieren. Da werden wir gucken, wo wir noch etwas verbessern müssen.

Sind Sie denn mit der bisherigen Entwicklung in Hamburg zufrieden?

Ja. In den Filialen wachsen wir kontinuierlich und erhalten viele positive Rückmeldungen von unseren Hamburger Kunden zu unserem frischen Auftritt.

Sind für den Kreis Stormarn Veränderungen geplant?

Wir gucken uns in unserem gerade gestarteten Projekt 2025+ ganz generell an, wie wir uns aufstellen müssen, damit wir weiterhin erfolgreich bleiben. Unsere Sparkasse ist ja sogar im Bundesvergleich wirtschaftlich mit führend. Wir beschäftigen uns mit den Strategien für die nächsten Jahre, die wir bis September entwickeln werden.

In diesen Bereich fällt auch die Zukunftswerkstatt. Wie funktioniert die genau?

Die Idee ist, die Menschen in unserer Sparkasse zu mobilisieren, sich aktiv am Entwicklungsprozess 2025+ zu beteiligen. Vorgesehen waren Veranstaltungen an fünf Orten im Geschäftsgebiet. Wir hatten fünfmal 50 Menschen erwartet, waren nach eineinhalb Tagen schon ausgebucht. Deshalb haben wir die bestehenden Workshops etwas aufgestockt und zwei weitere Termine angeboten, so dass wir jetzt 400 Anmeldungen haben. Wie beim Auftakt in der Ida-Ehre-Schule in Bad Oldesloe haben wir immer Locations, die Gedankengut befördern: Werkstatt-Atmosphäre, ganz einfach, hierarchiefrei.

Gibt es inhaltliche Vorgaben?

Wir haben sechs Fragen zu unserer Zukunft und den künftigen Wünschen und Bedürfnissen unserer Kunden. Die Fragen sind so formuliert, dass unsere Mitarbeiter all ihre Ideen äußern können. Hinzu kommt eine weiße Wand, auf die alles kann, was schon immer mal gesagt werden sollte. Die Gruppen mischen sich im sogenannten World-Café-Format. Jeder arbeitet an fünf Wänden.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Die Treffen dauern bis in den März. Anfang April werden die Ergebnisse der Geschäftsleitung vorgestellt. Wir sind auch ganz gespannt, denn wir mischen uns nicht ein. Ich halte überall die Eröffnungsrede, und dann geh’ ich. Damit niemand denkt, er müsse irgendwas erzählen, was der Vorstand vielleicht gern hören möchte.

Wie begegnen sie dem Trend, dass immer mehr Deutsche ihre Bankgeschäfte online erledigen? Nach neuen Statistiken sind es schon 50 Prozent.

Zur Digitalisierung haben wir eine Roadmap, wie wir uns fortentwickeln. Es gibt in der Sparkassenorganisation eine Benchmark, mit der bewertet wird, wie viel man schon tut. Da sind wir bundesweit auch vorn dabei. Die Technik für Videoberatung steht, wir testen das mit unseren Spezialisten im Auslandsgeschäft, die als Videoberater in die Firmenkundencenter zugeschaltet werden können – zum Beispiel bei speziellen Fragen zum Brexit. Vom Grundsatz her finden wir menschliches Banking natürlich immer besser als Video. Wir versuchen nach wie vor, die Menschen in unsere Filialen zu bekommen, weil es auch das ist, was uns von anderen unterscheidet.

Spürt auch die Sparkasse Holstein den zunehmenden Wettbewerb um den Nachwuchs? Die Zeiten, in denen es mehrere Hundert Schulabgänger als Bewerber auf eine Lehrstelle gab, dürften doch lange vorbei sein.

Wir merken das, haben aber weiter eine gute Bewerberlage. Weil Personal an allen Stellen gesucht wird, überlegt sich der eine oder andere doch, mal woanders hinzugehen. Nicht weil er zwingend unzufrieden ist, sondern etwas Neues erleben will. Gerade die jungen Leute sind da heute sehr, sehr flexibel, wollen nach der Ausbildung in eine größere Stadt oder ins Ausland. Wir müssen da etwas tun, was die Bindung und die Attraktivität angeht. Selbst wenn die Menschen weggehen, müssen wir organisieren, dass sie vielleicht irgendwann wieder zurückkehren. Das wollen wir nicht dem Zufall überlassen.

Mit ihren Stiftungen fördert die Sparkasse zahlreiche Projekte in der Region. Wie entwickelt sich dieses Engagement?

Ende Februar präsentieren wir unseren neuen Jahresbericht. Die Zahlen zeigen, dass uns gesellschaftliches Engagement sehr wichtig ist. Das wird so bleiben. Unter dem Dach der einzelnen Stiftungen lassen sich sicher auch weitere Ideen verwirklichen.

Und was ist für Sie persönlich nach den ersten viereinhalb Monaten im Amt besonders wichtig?

Mein Kernanliegen ist es, dass wir die Sparkasse näher an die Menschen bringen. Da haben wir Potenzial für die nächsten Jahre, und daran arbeiten wir sehr stark. Wir nehmen wahr, dass die Menschen uns natürlich über digitale Wege erreichen wollen, es aber auch eine Rückbesinnung gibt, dass man gewisse Dinge mit Menschen erledigen möchte, denen man vertraut.

So kann die Sparkasse im globalen Wettbewerb bestehen?

Genau. Wir erleben, dass nur 20 Prozent der Menschen alles online erledigen. 80 Prozent wollen sich bei wertigen Entscheidungen mit Menschen auseinandersetzen. Deswegen werden wir auch nicht die Fläche verlassen, sondern sie eher stärken. Ich glaube daran, dass das gut und auch ein Menschenbedürfnis ist. Trotzdem werden wir uns digital weiterentwickeln. Das ist die gleiche Welt, in der Vertrauen ebenfalls einen Wert hat.