Ahrensburg. Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck erwartet drastische Zunahme von allem bei bis zu 835 Meter langen Güterzügen.
Die Zahl der Güterzüge, die auf der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck durch den Kreis Stormarn rollen, steigt in den nächsten Jahren dramatisch. Die Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck rechnet nach dem Bau zusätzlicher Gleise für die S-Bahnlinie 4 mit 120 XXL-Zügen täglich. Die bis zu 835 Meter langen Züge mit etwa 40 Waggons sollen mitten durch Ahrensburg, Delingsdorf, Bargteheide, Bad Oldesloe und Reinfeld rollen – im Schnitt alle zwölf Minuten.
Hinzu kommen die Nah- und Fernverkehrszüge, deren Zahl sich ebenfalls erhöht. So haben die Gutachter der gerade veröffentlichten Realisierungsstudie zur Ahrensburger Südtangente auch einen Blick auf den Bahnverkehr geworfen. Für das Jahr 2025 prognostizieren sie, dass zwischen Hamburg und Ahrensburg täglich 173 Nahverkehrszüge (aktuell 124), 121 Güterzüge (aktuell nur 36) und 22 Fernzüge (aktuell 16) unterwegs sein werden.
Zusammen ergibt das 316 statt 176 Züge, was einem Plus von rund 80 Prozent entspricht. Unter dem Strich bedeutet dies, dass Tag und Nacht alle fünf Minuten ein Zug an den Häusern vorbeirollt. Momentan sind es mehr als acht Minuten.
Lärmbelastung für Anwohner wird steigen
Auch wenn die modernen Waggons sogenannte Flüsterbremsen haben, wird die Lärmbelästigung für Tausende Stormarner entlang der Strecke deutlich steigen. „Jetzt scheinen die Menschen endlich aufzuwachen“, sagt Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach nach einem Info-Abend der Bürgerinitiative in Hamburg-Rahlstedt. Dort hatten gut 400 Bürger und auch Politiker dagegen protestiert, dass die Super-Güterzüge durch Wohngebiete im Hamburger Osten fahren sollen.
Die Initiative fordert neue Bahngleise entlang der Autobahn 1. Dort könnte ein Teil des Güterverkehrs von und zum Fehmarnbelttunnel, der ICE-Verkehr zwischen Hamburg und Lübeck (ohne Halt in 26 Minuten mit bis zu 250 km/h) und der Regionalexpress (bis zu Tempo 200) mit Stopps in Bad Oldesloe und Reinfeld abgewickelt werden.
Ahrensburger Politik forderte schon 2003 Alternativroute
„Das Problem trifft ja nicht einen Stadtteil oder Ort allein, sondern alle an der Strecke“, sagt Bürgermeister Sarach. „Um etwas zu erreichen, wäre es gut, möglichst geschlossen aufzutreten.“ Ein gutes Beispiel seien die Ostseebäder, die gemeinsam eine neue Streckenführung erreicht hätten. Auch die beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein sowie der Bund seien in der Pflicht.
Sarach erinnert daran, dass er schon vor Jahren immer wieder auf die zu erwartende Güterzug-Lärmbelästigung hingewiesen habe. So brachte er 2013 eine Tieferlegung der Gleise in eine Art Trog ins Gespräch, um Ahrensburg nicht mit sechs Meter hohen Lärmschutzwänden zu einer geteilten Stadt zu machen. Damals sei er von vielen Seiten dafür verlacht worden, dass er die Menschen habe wachrütteln wollen.
Der Bürgermeister hält auch die Prüfung von Alternativrouten wie der bestehenden Strecke Lübeck–Büchen–Lüneburg (als Umfahrung von Hamburg) oder neu an der A 1 für sinnvoll. „Mit dem Neubau der S 4 gibt es hier wenigstens gesetzlichen Lärmschutz“, sagt er. „Bei einer reinen Ertüchtigung der Strecke haben die Anlieger dagegen keinen Anspruch.“
Landesregierungen lehnen Alternativroute ab
Die Ahrensburger Stadtverordneten hatten sogar bereits 2003 in einer Resolution die Landesregierung aufgefordert, eine alternative Strecke für Güterzüge zu suchen. „Dieser Verkehr macht unsere Stadt kaputt“, sagte der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Harald Düwel, der den Text entworfen hatte.
Dass es schon seit Jahrzehnten Diskussionen um eine Alternativroute zwischen Hamburg und Lübeck gibt, erinnert auch Stormarns Landrat Henning Görtz. Bisher hätten die beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein aber deutlich gesagt, dass dies keine Option sei. „Unser größtes Augenmerk liegt auf einem wirksamen Lärmschutz an der Strecke“, sagt Henning Görtz.
Auswirkungen hat die hohe Zugfrequenz auch auf die letzten Bahnübergänge in Stormarn. Bei dem dichten Verkehr auf den Gleisen bleibt keine Zeit mehr, die Schranken für Autos zu öffnen und zu schließen. In Ahrensburg ist im Zuge der Straße Brauner Hirtsch eine 120 Meter lange Brücke für rund 18 Millionen Euro geplant. In Reinfeld soll 2020 mit dem Bau einer Brücke von der Feldstraße zum Bahnhof begonnen werden, damit der Übergang in der Straße Am Zuschlag geschlossen werden kann.
Gegner wollen S-4-Planung auch per Klage verändern
Unterdessen hat die Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck bekräftigt, gegen die jetzt geplante S-4-Strecke von Hamburg nach Bad Oldesloe vor Gericht zu ziehen. Der Vereinsvorsitzende Claus-Peter Schmidt hatte unter anderem in Ahrensburg um Unterstützer für eine Sammelklage geworben. Die Gruppe hat eine auf Infrastrukturverfahren spezialisierte Anwältin eingeschaltet.
Die Initiative betont, nicht generell gegen die S 4 zu sein. Jedoch müssten dicht besiedelte Wohngebiete vor dem Lärm der Güterzüge im Europakorridor von Skandinavien nach Südspanien und -italien geschützt werden. Durch eine neue Güter-Linie an der A 1 würde für die S-Bahn zwischen Hasselbrook und Ahrensburg ein zusätzliches Gleis statt der jetzt geplanten zwei Gleise reichen.