Ahrensburg. Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Geschäftsfrau aus Ahrensburg. Jetzt verhandelte Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs.
Die strafrechtliche Aufarbeitung der Vorgänge um das inzwischen geschlossene Ahrensburger Reisebüro Langeloh hat begonnen. Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat Inhaberin Angela Langeloh in einem ersten Schritt wegen Betruges und Urkundenfälschung in drei Fällen angeklagt. Doch die Geschäftsfrau erschien am Montagmittag nicht zum Prozess vor dem Amtsgericht in Ahrensburg.
Die Richterin erwägt nun, einen Strafbefehl gegen Langeloh zu erlassen. Die Entscheidung solle in den kommenden Tagen fallen, sagt Amtsgerichtsdirektor Michael Burmeister auf Abendblatt-Anfrage. „Die Angeklagte kann innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen. Dann müssten die Fälle noch einmal in ihrer Anwesenheit verhandelt werden“, sagt Ulla Hingst, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lübeck. „Ansonsten wirkt der Strafbefehl wie ein Urteil.“ Er sieht eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 20 Euro vor. Zudem ordnete die Richterin an, den „Gewinn“ in Höhe von 2240,92 Euro, den die Angeklagte durch den Betrug erlangt habe, von deren Konto einzuziehen.
Noch umfangreicheres Verfahren steht noch an
Es ist offenbar nur die Spitze des Eisbergs. In einem laut Staatsanwaltschaft „deutlich umfangreicheren Ermittlungsverfahren“ ist bislang noch keine Anklage erhoben worden. „Darin sind unter dem Oberbegriff Betrug diverse Fälle zusammengefasst“, sagt Hingst. Sie spricht von „sehr vielen Vorwürfen“. Die Akten befinden sich seit Monaten für Nachermittlungen bei der Kriminalpolizei in Ahrensburg. Wann der Prozess starten könnte, lässt sich laut Hingst noch nicht abschätzen. In dem aktuellen Verfahren seien nur „kleinere Fälle, bei denen die Ermittlungen bereits abgeschlossen waren“, verhandelt worden. Sie stammen aus den Jahren 2017 und 2018. „Die zuständige Staatsanwältin hat entschieden, sie schon mal vorzuziehen“, sagt Hingst.
Das Abendblatt hatte im Juli 2018 erstmals über Vorwürfe gegen das Reisebüro berichtet. Der Ahrensburger Alfried Haase hatte sich an die Redaktion gewandt und seine Erlebnisse rund um eine Asien-Reise öffentlich gemacht. In den folgenden Wochen meldeten sich 14 weitere Betroffene. Sie erzählten von Flügen und Hotels, die trotz Überweisung an das Reisebüro von diesem nicht bezahlt worden seien. Bei anderen seien Kreditkarten ohne Zustimmung belastet worden. Zum Teil fordern die Kunden einen fünfstelligen Betrag zurück.
Unternehmerin musste schon mehrfach Schadenersatz leisten
Gerichte verurteilten das Unternehmen mehrfach zu Schadenersatz-Zahlungen – so auch im Fall von Alfried Haase. Er fordert rund 12.000 Euro für Flüge, Hotel und Mietwagen, die er doppelt oder dreifach bezahlen musste. Das Geld hat er bisher nicht wiederbekommen. Auch der Einsatz eines Gerichtsvollziehers brachte keinen Erfolg.
Haase kämpft weiterhin darum, über den zivilrechtlichen Weg die Mehrkosten erstattet zu bekommen. Doch seine Hoffnung schwindet zunehmend. Wichtig sei es ihm, zumindest Antworten auf Fragen wie „Wo ist mein Geld geblieben?“ und „Warum konnte das alles passieren?“ zu erhalten. Etwas Licht ins Dunkel könnte ein Strafprozess bringen. Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat Alfried Haase im Dezember per Brief einen Zwischenbericht geschickt. Darin heißt es, eine Anklageerhebung sei „zeitnah beabsichtigt“.
Der Fall von Sabine und Garrelt Krull ist Teil des umfangreichen Ermittlungsverfahrens. Tochter Alina wurde nach Angaben der Eltern diese Woche erneut von der Ahrensburger Polizei befragt. Die Familie fordert vom Reisebüro mehr als 10.000 Euro für einen völlig chaotischen Australien-Urlaub zurück. Mehrmals seien ihre Kreditkarten während der Reise ohne Erlaubnis belastet worden. Und viele im Vorfeld ausgesuchte Hotels seien vom Reisebüro nicht reserviert worden.
Chance auf Rückzahlung noch unklar
Doch wie hoch sind die Chancen für Geschädigte, ihr Geld jemals wiederzubekommen? Eine Möglichkeit ist es, per Zivilklage Ansprüche geltend zu machen. Alfried Haase hat darüber einen Vollstreckungsbescheid vor Gericht erwirkt. Ein Problem dabei: Bei einem Zivilprozess entstehen Kosten, zum Beispiel für den Anwalt. Deshalb haben sich Liesel und Karl Nienaber gegen diesen Weg entschieden. „Wir glauben, dass die Aussichten auf Erfolg schlecht wären“, sagt Liesel Nienaber. „Wir haben unsere Erfahrungen unter ,Lehrgeld’ abgehakt.“ Das Ehepaar hatte im vergangenen Jahr Flüge ins portugiesische Faro bei Langeloh gebucht und dafür 518,04 Euro an die Firma überwiesen. Auf Nachfrage bei der Fluggesellschaft stellten die Ahrensburger fest, dass die Flüge kurzfristig storniert worden seien. Sie mussten noch einmal buchen – und ein zweites Mal zahlen. Nienaber ist froh, dass die ersten Fälle nun vor Gericht aufgerollt werden. „Es muss sein, dass sich Frau Langeloh für ihr Verhalten vor Gericht verantwortet.“
Auch die Krulls haben sich aus Kostengründen bisher gegen eine Zivilklage entschieden. „Es gibt aber noch die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche in einem Strafprozess geltend zu machen“, sagt ihr Anwalt Alexander Sommer aus Hamburg. Das sogenannte Adhäsionsverfahren führe seiner Erfahrung nach eher zum Erfolg. „Bei Zivilverfahren fehlt der Druck, um jemanden zur Zahlung zu bewegen“, sagt Sommer. „Im Strafprozess erklärt sich ein Angeklagter vor dem Richter eher zur Rückzahlung bereit, weil er sich davon ein milderes Urteil erhofft.“
Ein Geschädigter erhielt sein Geld zurück
„Es ist richtig, dass Frau Langeloh nun endlich zur Verantwortung gezogen wird“, sagt Dirk Främke, der in Ahrensburg einen Malerbetrieb führt. Er hatte zwischen 2014 und 2016 Ärger mit dem Reisebüro, erhielt nach einem Urteil des Landgerichts Lübeck schließlich sein Geld zurück. Er wandte sich an das Abendblatt, um andere zu warnen. „Ich hatte immer die Sorge, dass noch weiteren Menschen Schaden zugefügt wird.“
Für Angela Langeloh ist der aktuelle Strafprozess nicht der erste. Im Bundeszentralregister ist bereits eine frühere Verurteilung durch das Amtsgericht Ahrensburg zu einer Geldstrafe von 600 Euro vermerkt – wegen zweifachen Betrugs. Sie selbst war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.