Bad Oldesloe/Reinbek. „Unsere Zukunft ist bedroht“, sagen die Initiatoren einer Großdemonstration in Bad Oldesloe. Rund 500 Teilnehmer werden erwartet.
Wenn es morgen zur vierten Stunde klingelt, werden viele Schüler in Stormarn nicht auf ihrem Platz im Klassenraum sitzen. Sie beteiligen sich an der Bewegung Fridays for Future, um sich mit der Umweltaktivistin Greta Thunberg zu solidarisieren. Die junge Schwedin erlangte internationale Berühmtheit, nachdem sie vor dem Reichstag in Stockholm einen Schulstreik für besseres Klima startete. Sie gilt heute als Galionsfigur der Klimaschutzbewegung.
Am Freitag vor einer Woche hatten unter anderem Schüler aus Ahrensburg eine große Friday for Future-Demo in Hamburg besucht. Auch in Bad Oldesloe findet der Protest, mit dem auf die verfehlte globale Klimaschutzpolitik der vergangenen Jahre aufmerksam gemacht werden soll, viele jugendliche Unterstützer. Schüler der Ida-Ehre-Schule (IES) haben für diesen Freitag zu einer Demonstration auf dem Marktplatz aufgerufen und laden alle Schüler des Kreises ein, sich zu beteiligen.
Angemeldet sind 500 Teilnehmer. „Unsere Zukunft ist bedroht, deswegen müssen wir etwas unternehmen. Die Politik und die vorherigen Generationen haben nicht genug gegen den Klimawandel getan“, sagt Tom Petersen. Der 18-Jährige besucht die elfte Klasse der IES und ist einer der Mitinitiatoren der Oldesloer Schülerdemo. „Wir wollen, dass wir, unsere Kinder und unsere Enkel noch in einer Welt leben, die bewohnbar ist.“ Die von Greta Thunberg ins Leben gerufene Klimaschutzbewegung sei längst überfällig gewesen.
Die Schüler brauchen eine Entschuldigung der Eltern
Grund für die Schülerproteste ist unter anderem der extrem heiße und trockene Sommer 2018. Im vergangenen Jahr hatte es monatelang in weiten Teilen Europas kaum geregnet. Die Felder verdorrten, in Schweden und Südeuropa waren Dutzende Waldbrände ausgebrochen. Laut Klimaexperten sind Wetterextreme wie diese auf die Klimaerwärmung zurückzuführen.
„Unser Ziel ist auch, dass der Klimawandel noch mehr und vor allem in den unteren Klassenstufen unterrichtet wird“, sagt Schüler Tjark Wittfoth (15). Um an der Demonstration während der Schulzeit teilzunehmen, hat er die Erlaubnis seiner Eltern. Ebenso wie Friederike Wrohn (16): „Meine Mutter ist da ziemlich cool, solange ich das jetzt nicht jeden Freitag mache. Sie findet es gut, dass ich mich für das Klima einsetze.“
Die Schulleitung der Ida-Ehre-Schule stellt sich dem Bedürfnis der Schüler, sich für den Umweltschutz stark zu machen, nicht in den Weg. „Wer legal und ohne Konflikte an der Demonstration teilnehmen möchte, braucht eine Entschuldigung von einem Erziehungsberechtigten“, sagt Schulleiter Andreas Bielke auf Abendblatt-Anfrage. Er wolle sich den Schülern da nicht in den Weg stellen. Allerdings, betont Bielke, sei die Demo keine Schulveranstaltung. Daher wären Schüler, die ohne Erlaubnis der Schule fernbleiben, nicht versichert. Deswegen könnte Schulschwänzen ohne elterliche Erlaubnis sanktioniert werden. „Grundsätzlich wäre es mir aber natürlich lieber, wenn die Schüler sich in ihrer Freizeit nach der Schule für ihre Belange einsetzen“, sagt Andreas Bielke.
Demonstration ist während der Schulzeit
Das ist aber nicht die Idee der Aktion, wie die Schüler betonen. Weil es in Bad Oldesloe viele Schüler gibt, die außerhalb wohnen und mit dem Bus fahren, wäre eine Demonstration am Nachmittag nicht so gut besucht. Außerdem geht es vor allem darum, Aufmerksamkeit zu erregen. „Und deswegen muss das während der Schulzeit sein“, sagt Friederike Wrohn. Die meisten der erwarteten Demo-Teilnehmer werden von der Stadtschule kommen.
Laut Schulleiterin Sabine Prinz wird am Freitag der Unterricht während der Demonstration ausfallen: „Wir gehen als ganze Schule zur Demo, weil das zu unserem Konzept als Klimaschule passt. Das ist gelebte Beteiligung.“ Das solle den Kindern zeigen, das auch etwas getan werden könne. „Man kann nicht immer nur klagen. Und was gibt es Wichtigeres, als sich für das Klima einzusetzen“, sagt Prinz.
Zum Beispiel Unterricht, meint hingegen die Landtagsabgeordnete Anita Klahn (FDP). Sie kritisiert die Demo während der Schulzeit. Grundsätzlich begrüße sie den Einsatz der Jugendlichen, wie sie auf Abendblatt-Anfrage sagt. Allerdings nicht während des Unterrichts. „Ich finde die Aktion gut. Auch, dass sich die Schüler politisch engagieren“, sagt die Oldesloerin. Allerdings gebe es die Schulpflicht, die müsse eine Schulleitung durchsetzen. „Sonst kommt der Nächste mit einem anderen wichtigen Thema und schwänzt die Schule“, sagt Klahn. Die Schüler sollten sich lieber während des Unterrichtes mit dem Thema Klimawandel und seinen Folgen auseinandersetzen und durch das Gelernte Veränderungen herbeiführen.
Heute gibt es eine Plakat-Bastelaktion im „Inihaus“
Ob die Stormarner Schulen das Protest-Bedürfnis von Schülern unterstützen, wird unterschiedlich gehandhabt. „Es treffen zwei Systeme aufeinander. Zum einen ist da die Schulpflicht, zum anderen das demokratische Recht zu protestieren. Und das können eben auch Schüler nutzen“, sagt die Schulleiterin der Sachsenwaldschule in Reinbek, Helga Scheller-Schiewek. Auch ihr wäre es lieber, geschehe das außerhalb der Schulzeit. Und ergänzt: „Wenn es ein Streik ist, kann die Schule da ja ohnehin wenig machen. Wenn Schüler da erst um Erlaubnis fragen, wäre es kein Streik mehr.“ Aber an ihrer Schule habe der Klimaschutz ohnehin einen hohen Stellenwert. So habe ein Schulprojekt vor zwei Jahren etwa beim Deutschen Klimapreis gewonnen.
Die Demonstration Friday for Future ist für Freitag, 1. Februar, auf dem Oldesloer Marktplatz angemeldet. Bereits heute veranstaltet das alternative Jugendhaus „Inihaus“ an der Turmstraße 14 a in Stormarns Kreisstadt Bad Oldesloe eine Plakat-Bastelaktion dazu.
Weitere Infos: Junge Aktivistin findet viele Nachahmer
Fridays for Future geht auf das Engagement der Aktivistin Greta Thunberg zurück. Die Schwedin weigerte sich seit Ende der Sommerferien 2018, in die Schule zu gehen. Die heute 16-Jährige protestierte regelmäßig mit einem Schild mit der Aufschrift „Skolstrejk för klimatet“ („Schulstreik für das Klima“) vor dem schwedischen Reichstag in Stockholm. „Wir Kinder tun oft nicht das, was ihr Erwachsenen von uns verlangt. Aber wir ahmen euch nach. Und weil ihr Erwachsenen euch nicht für meine Zukunft interessiert, werde ich eure Regeln nicht beachten“, begründete Greta Thunberg ihren Streik. Nach eigenen Angaben beschäftigte sie sich im Alter von acht Jahren erstmals mit dem Thema, schaltet zum Energiesparen im Haus häufig die Beleuchtung aus. Bald hatte das Mädchen zahlreiche Unterstützer. Auch in Belgien, Frankreich, Finnland, Dänemark und Deutschland fand der Protest Nachahmer.