Bad Oldesloe. Die Arbeitslosenquote sinkt auf Rekordtief. Insbesondere gute Lage des Kreises ist Grund dafür. Doch DGB kritisiert die Euphorie.
Landesweit hat Stormarn wieder den niedrigsten Wert und kann stolz drauf sein: In keinem anderen Kreis in Schleswig-Holstein ist die Arbeitslosigkeit so niedrig wie hier. Die Gründe dafür sind vielseitig und laut einer Prognose ist ein Ende des Trends nicht zu erkennen. Doch es gibt auch Nachteile.
3,2 Prozent Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt 2018 – im Zehn-Jahres-Vergleich ist es der niedrigste Wert, der für Stormarn ermittelt wurde. 2009 waren noch 4,6 Prozent der Stormarner arbeitslos gemeldet. Aktuell ist die Zahl sogar noch niedriger. Im Monatsvergleich lag die Quote zuletzt bei 2,9 Prozent. Damit waren im Dezember 3816 Stormarner ohne Arbeit. Bei solche Zahlen spricht man laut Heike Grote-Seifert, Chefin der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe, von Vollbeschäftigung.
Geografische Lage ist Schlüssel zum Erfolg
Die optimale Lage Stormarns zwischen den Hafenstädten Hamburg und Lübeck und die gute Infrastruktur seien ein Grund für diesen Erfolg. Auch eine gute Wirtschaftsförderung und -politik sorgten dafür, dass Arbeitsplätze entstehen. „Und auch die Menschen, die in Hamburg gut verdienen und hier leben, dürfen nicht außer Acht gelassen werden“, sagt Grote-Seifert. Sie verstärkten die Kaufkraft im Kreis und trügen somit auch zur Vollbeschäftigung bei.
Kritik kommt an dieser Stelle vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). „Leider freut sich die Agentur für Arbeit zu früh, denn ehrlicherweise sollten wir von Vollbeschäftigung erst reden, wenn die Unterbeschäftigungsquote unter drei Prozent gesunken ist“, sagt Andreas Guhr, stellvertretender Kreisvorsitzender der DGB. Denn die Agentur für Arbeit bezieht nicht alle Menschen in ihre Arbeitslosenquote ein, die einen Job suchen. Absolviert jemand eine Weiterbildung oder ein Praktikum, fällt er aus der Statistik. Somit gilt zum Beispiel ein Jobsuchender, der auf Kosten der Behörde einen Gabelstapler-Führerschein macht, nicht als arbeitslos. Auch Menschen, die an einem Bewerbungstraining teilnehmen, fallen raus. Die Arbeitsagentur spricht dann nicht mehr von Arbeitslosigkeit sondern von „Unterbeschäftigung“. Rechnet man beide Zahlen zusammen, sind in Stormarn 5754 Menschen (Dezember 2018) auf Arbeitssuche. Die „Unterbeschäftigungsquote“ liegt bei 4,4 Prozent.
Zahl der freien Stellen hat sich mehr als verdoppelt
Doch auch dieser Wert ist in den vergangen Jahren deutlich zurückgegangen. So waren 2009 in Stormarn 6949 Menschen laut Definition unterbeschäftigt. Zehn Jahre später waren 5921 Menschen auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Das ergibt ein Minus von 14,8 Prozentpunkten. Hinzu kommt, dass auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen zuletzt bei 1025 lag. Das sind 16,2 Prozentpunkte weniger als 2009.
Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe. „Wir werden bei uns Stellen abbauen“, erklärt Grote-Seifert. Derzeit arbeiten rund 140 Mitarbeiter in der Stormarner Behörde. „Dieses Jahr sollen zwei Stellen wegfallen, im kommenden Jahr drei“, so die Agenturchefin.
Anders sieht es hingegen bei den meisten Stormarner Betrieben aus. Die Zahl der offenen Stellen hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. So wurden der Oldesloer Arbeitsagentur 872 freie Stellen im Jahr 2009 gemeldet. Im vergangenen Jahr waren es 2192. Ein Drittel davon sind Jobs von Zeitarbeitsfirmen.
Arbeitslosigkeit vor allem bei geringer Qualifikation
Die Behörde spricht bei der immer größer werdenden Zahl von unbesetzten Stellen von der „Kehrseite der Medaille“. Allerdings glaubt Grote-Seifert, dass Firmen in Zeiten, in denen sie ihre offenen Stellen nur schwer besetzen können, diese dann auch eher der Agentur für Arbeit melden. Dies dürfte 2009 noch nicht der Fall gewesen sein.
Damit die offenen Stellen besetzt werden können, „müssen wir verstärkt in die Qualifikation investieren“, sagt Grit Behrens, die seit Anfang des Jahres als Geschäftsführerin „Operativ“ bei der Oldesloer Agentur arbeitet und für die Vermittlung und Betreuung der Arbeitssuchenden verantwortlich ist.
Jeder zweite Arbeitslose sei gering qualifiziert. „Der Bedarf ist also da“, sagt Behrens. Rund 5,7 Millionen Euro hat die Arbeitsagentur 2018 in ihrem Zuständigkeitsbereich, zu dem auch der Kreis Herzogtum Lauenburg gehört, für die Qualifizierung von Arbeitskräften ausgegeben. „Künftig werden es 7,3 Millionen Euro sein“, sagt Agenturchefin Grote-Seifert. Möglich macht dies das neue Qualifizierungschancengesetz, mit dem auch die Weiterbildung Geringqualifizierter in Betrieben gefördert wird.
Vor allem Pflegeeinrichtungen profitieren von neuem Gesetz
Insbesondere im Pflegebereich werde dies schon genutzt. So wurden 70 Prozent der Ausgaben für die Fortbildung von Pflegehelfern zu Fachkräften investiert. Künftig dürfte die Digitalisierung auch in anderen Branchen für einen erhöhten Bedarf an Weiterbildung von Beschäftigten sorgen. „Wir sprechen von Präventionskosten“, sagt Behördensprecher Stefan Schröder.
Ob mit solchen Maßnahmen die Arbeitslosenquote in Stormarn weiter sinken wird, ist jedoch unklar. Zwar prognostiziert das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung einen weiteren Rückgang der Arbeitslosenzahlen in Schleswig-Holstein, aber die Agentur für Arbeit weiß auch, dass sich das Blatt schnell wenden kann. Schröder: „Während der Wirtschaftskrise wurde in keinem anderen Kreis mehr Kurzarbeitergeld als in Stormarn gezahlt.“