Zarpen/Ahrensburg. Weniger Mitglieder, Nachwuchsmangel bei Pastoren: Es wird neue Pfarrbezirke geben und manche Angebote dürften nicht zu halten sein.

„Botox für die Kirche“ - so bezeichnet Pastor Nils Wolffson die für das kommende Jahr geplante Sanierung des knapp 800 Jahre alten Gotteshauses in Zarpen. Die Deckenmalereien sollen erneuert und der sich von den Wänden lösende Putz unterspritzt werden. Als Metapher könnte dies aber auch für die Umstrukturierung der Nordkirche stehen, kurz „Prozess KK 2030“, mit dem auch der Kirchenkreis Plön-Segeberg auf den Mangel an Pastoren reagieren will. Berechnungen zufolge werden bis zum Jahr 2030 rund ein Drittel weniger Pfarrstellen übrig sein.

Stefan Wulf ist besorgt: „Wir beschreiten einen Weg, der die Bürger immer weiter von der Kirche wegleitet.“
Stefan Wulf ist besorgt: „Wir beschreiten einen Weg, der die Bürger immer weiter von der Kirche wegleitet.“ © Melissa Jahn | Melissa Jahn

„Ich identifiziere mich mit meiner Kirche – und mit dem dazugehörigen Pastor“, sagt Stefan Wulf, der zusammen mit etwa 30 weiteren Gemeindemitgliedern der Einladung zur Versammlung gefolgt war. „Wenn ich ein Anliegen habe, möchte ich weder nach Reinfeld fahren, noch den Pastor in einer der umliegenden Gemeinden suchen müssen.“ Der 49-jährige Badendorfer ist besorgt und betrachtet den aktuellen Umstrukturierungsprozess mehr als kritisch. Zwar gehe er bei Weitem nicht jeden Sonntag in die Kirche, sei aber auch bewusst nie ausgetreten. „Wir sollten die Kirche im Dorf lassen“, sagt Wulf, seit 2016 Amtsdirektor von Nordstormarn. „Wir beschreiten sonst einen Weg, der die Bürger immer weiter von der Kirche wegleitet.“

Pensionierungswelle kommt, der Nachwuchs fehlt noch

900 Pfarrstellen – das ist die Zahl der Pastoren, die der Nordkirche in den kommenden Jahren verloren gehen werden. Grund sind eine Welle von Pensionierungen und Nachwuchsmangel. „Diese Zahlen können noch abweichen und hängen davon ab, wie viele Studenten zu welchem Zeitpunkt ihr Theologiestudium beenden werden“, sagt Pastor Nils Wolffson. „Fakt ist aber, dass die Stellen gleichmäßig besetzt und ländliche Gemeinden nicht schlechter gestellt werden sollen.“

Von der Kirchengemeinde zum Kirchspiel: Die Kirche in Zarpen.
Von der Kirchengemeinde zum Kirchspiel: Die Kirche in Zarpen. © Melissa Jahn | Melissa Jahn

Künftig sollen Kirchspiele, also größere Pfarrbezirke, bestehende Gemeinden ersetzen. Für Nordstormarn mit den Gemeinden Klein Wesenberg, Hamberge, Reinfeld und Zarpen bedeutet der Prozess eine Reduzierung von fünf auf dreieinhalb Pfarrstellen. Während derzeit 2500 Mitglieder aus zehn Dörfern der Kirchengemeinde Zarpen angehören, soll ein Pastor künftig für 2300 Menschen zuständig sein, erwartete Austritte bereits einbezogen. Dies bedeutet aber auch: Während die weiteste Ausdehnung der Kirchengemeinde Zarpen derzeit elf Kilometer beträgt, niemand mehr als acht Minuten Fahrtzeit zur Kirche in Kauf nehmen muss, könnte die Distanz bereits in naher Zukunft wesentlich größer werden.

Den Anfang des Stellenabbaus machen Klein Wesenberg und Hamberge, wenn Pastor Erhard Graf zum 1. Januar 2020 in den Ruhestand geht. Seine Stelle soll nicht mehr nachbesetzt werden. Anfang 2019 verlässt Pastor Bernd Berger seine Gemeinde in Reinfeld, Pastorin Isabelle Wolffson geht in Zarpen in den Mutterschutz. „Ob und wie diese Stellen neu besetzt werden, wird sich zeigen“, sagt Nils Wolffson. „Wir müssen nun Vorschläge erarbeiten, wie die Vertretung und vor allem der Prozess des Kirchspiels funktionieren können.“

Pastoren sollen sich mehr auf Kernaufgaben konzentrieren

Obwohl die genaue Ausgestaltung noch nicht feststeht, ist das Ehepaar Wolffson positiv eingestellt, freut sich sogar auf die Umstrukturierung. „Wir kooperieren jetzt schon mit umliegenden Gemeinden“, sagt Isabelle Wolffson. „Dies funktioniert super und muss nur ausgebaut werden.“ Damit die Arbeitsbelastung nicht steigt, sollen sich Pastoren künftig wieder mehr auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, Verwaltung und Ehrenamt mehr eingebunden werden. „Ein Pastor kann zeitlich versetzt denselben Einschulungsgottesdienst mehrmals abhalten“, so die Pastorin. „Die eingesparte Zeit von fünf bis sechs Stunden kann für andere Dinge verwendet werden.“

Pastor Nils Wolffson erläutert den Prozess zur Umstrukturierung der Nordkirche.
Pastor Nils Wolffson erläutert den Prozess zur Umstrukturierung der Nordkirche. © Melissa Jahn | Melissa Jahn

Es gehe darum, praktische Lösungen zu finden, die Qualität zu erhalten und einen Erfahrungs-Pool zu bilden, auf den zurückgegriffen werden kann. Aber es gehe auch darum, Kirchenstrukturen zu erneuern – und Angebote einzustellen. „Als junge Pastorin sehe ich, dass bestimmte Dinge schon seit langer Zeit nicht mehr laufen“, sagt Isabelle Wolffson. „Wir müssen uns an den aktuellen Bedürfnissen der Menschen orientieren.“ Was das sei, benennt Wolffson konkret. „Der 10-Uhr Gottesdienst am Sonntag wird nicht mehr wie früher genutzt – im Sommer teilweise von weniger als 20 Besuchern.“

Bereits jetzt legt das junge Pastorenehepaar einen Schwerpunkt auf Gottesdienste zu besonderen Anlässen. Erst in diesem Jahr wurde das 135-jährige Orgeljubiläum gefeiert, ein Pfadfinderfest zu Ehren der neugegründeten Jugendgruppe oder ein Taufgottesdienst am Moorteich. „Es ist mein Job, Hoffnung zu predigen“, so Nils Wolffson. „Aber ich bin mir sicher, dass sich aus diesen neuen Wegen Möglichkeiten und Chancen ergeben werden.“

Bis 2014 soll die neue Struktur umgesetzt sein

Die Nordkirche teilt Stormarn in den Kirchenkreis Plön-Segeberg mit sechs Gemeinden (Bad Oldesloe, Bargfeld-Stegen, Hamberge, Klein Wesenberg, Reinfeld, Zarpen) sowie den Kirchenkreis Hamburg-Ost mit 15 Gemeinden (Ahrensburg, Bargteheide, Barsbüttel, Eichede, Glinde, Großhansdorf, Hoisbüttel, Lütjensee, Neuschönningstedt-Ohe, Reinbek, Schönningstedt, Siek, Steinburg, Tangstedt, Trittau). Künftig könnte diese Verteilung jedoch ganz anders aussehen, wenn statt Gemeinden Kirchspiele gebildet werden. Bis zum Jahr 2030 wird es ein Drittel weniger Pastoren geben. Allein im Kirchenkreis Plön-Segeberg bedeutet dies 44 statt 67 Pfarrstellen – im Kirchenkreis Hamburg-Ost sogar nur noch 135 von 264. Der Prozess ist jedoch erst im November dieses Jahres gestartet. Noch können sich die Gemeinden an der Ausgestaltung beteiligen. Die Synode, das Parlament der etwa 120.000 evangelischer Christen in dieser Region, empfiehlt eine Umsetzung im angegeben Zeitrahmen bis 2024. Nicht abgebaut werden soll hingegen die Verwaltung.