Ahrensburg. 80 Jahre nach Pogromnacht: Teilnehmer beim „Gang des Erinnerns“ gedenken der Opfer und demonstrieren für Toleranz und Menschlichkeit.

Gegen das Vergessen zu kämpfen – dafür wollten die rund 200 Teilnehmer des „Gangs des Erinnerns“ am Freitag ein Zeichen setzen. Bereits zum siebten Mal führte der „Gang des Erinnerns“ durch Ahrensburg, in diesem Jahr zum ersten Mal unter dem Namen „Gang des Erinnerns und der Ermutigung“. Dabei soll der Opfer der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 vor genau 80 Jahren gedacht werden, er soll aber auch ein Zeichen für mehr Mitmenschlichkeit in der heutigen Zeit sein. Den Namenszusatz erklärt Winfried Kümpel-Jurgenowski vom „Runden Tisch Ahrensburg für Zivilcourage und Menschenrechte, gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus“, der den Gedenkgang ins Leben gerufen hat, so: „Wir denken im Lichte der Vergangenheit an die Gegenwart und Zukunft.“

Der „Gang des Erinnerns“ begann um 15 Uhr am Jüdischen Friedhof mit einem Vortrag von Schülern der Stormarnschule über das jüdische Leben in Ahrensburg bis 1945. Als das jüdische Lied „Shalom“ angestimmt wurde, machte sich unter den Anwesenden eine spürbar nachdenkliche Atmosphäre breit. Es folgte ein Vortrag der Historikerin Elke Petter über die Geschichte des Ahrensburger Friedhofs nach dem Ende der Nazi-Diktatur.

Ausstellung in der Selma-Lagerlöf-Schule bis 23. November

Die Gruppe folgte dem Wulfsdorfer Weg in Richtung Stadtzentrum zur zweiten Station, der Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule. Dort ist noch bis zum 23. November jeden Mittwoch und Donnerstag von 15.30 bis 18 Uhr die Wanderausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ des Nürnberger Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung zu sehen. Die Selma-Lagerlöf-Schule hatte Schüler im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft dazu ausgebildet, die Führungen durch die Ausstellung zu übernehmen. Im Mittelpunkt der Ausstellung von Birgit Mair stehen die zehn Opfer der NSU-Mordserie.

Der nächste Stopp war das Ahrensburger Rondeel. Schüler der 9. Klassen der Gemeinschaftsschule Am Heimgarten stellten ihre Arbeit zur jüdischen Ahrensburger Familie Lehmann vor, die bis zur Reichspogromnacht eine wohlhabende Händlerfamilie war. Magnus Lehmann starb, nachdem er von den Nationalsozialisten nach Minsk deportiert worden war.

Historikerin spricht über Antisemitismus

Ebenfalls am Rondeel stellten Schüler des Ahrensburger Eric-Kandel-Gymnasiums die Biografie der Jüdin Gertrud Eickhorst vor, damals Besitzerin der noch heute existierenden Adler-Apotheke in der Hagener Allee, die von den Nazis enteignet wurde.

Letzte Station war das Ahrensburger Rathaus. Zunächst stand ein Vortrag der Historikerin Miriam Rürup zum Thema „Antisemitismus damals und heute“ auf dem Programm, anschließend ließen die Veranstalter den Nachmittag mit einem Konzert des Kammerjazz Kollektivs aus Berlin ausklingen.

In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 war ein Großteil der Synagogen, jüdischen Geschäfte, Wohnungen und Friedhöfe zerstört worden, mehr als 400 Juden starben. Das Datum markierte auch das vorzeitige Ende jüdischen Lebens in Ahrensburg, die dortige Gemeinde wurde ausgelöscht.