Bad Oldesloe. Schöffengericht verurteilt 43-Jährigen zu zwei Jahren und drei Monate. Er hatte mit 2,5 Promille Tragödie bei Bad Oldesloe verursacht.

Zwei Jahre und drei Monate Haft wegen fahrlässiger Tötung, unerlaubten Entfernens vom Unfallort, Straßenverkehrsgefährdung, Trunkenheit im Straßenverkehr und Vortäuschens einer Straftat: Nahezu regungslos verfolgt Heiner B. (Name geändert) das Urteil im Saal 1 des Ahrensburger Amtsgerichts. Einzig ein Zucken an den Wangenknochen verrät die Anspannung des 43 Jahre alten Mannes, der den Tod zweier Menschen verantwortet. Dafür soll er jetzt ins Gefängnis. Hinzu kommt eine dreijährige Führerscheinsperre. „Wenn jemand so viel Schuld auf sich geladen hat, ist Haft unerlässlich“, sagte Richter Ulf Thiele in seiner Urteilsbegründung.

Am Abend des 26. Januar 2017 rammte B. mit seinem Mazda im Vollrausch auf der Autobahn 1 bei Bad Oldesloe einen Toyota, der in die Mittelleitplanke schleuderte. Der Fahrer (54) aus Bielefeld und ein Ersthelfer (44) verlieren wenig später ihr Leben, als ein Hyundai gegen das Wrack rast. Heiner B. war weitergefahren und hatte sich von einem Taxi in sein Haus nach Winsen/Luhe bringen lassen.

Angeklagter ließ Gelegenheiten zur Einkehr verstreichen

Richter Thiele prangerte das „allgemeine Verniedlichen von Alkohol im Straßenverkehr“ an. B. habe gewusst, dass er unter einer Alkoholkrankheit litt – und trotzdem nicht vorgesorgt. Nach eigener Angabe hatte er zwei Literflaschen Rotwein getrunken, als er sich in Rostock ins Auto setzte und auf den mehr als 200 Kilometer langen Heimweg machte. Auf einem Parkplatz seien drei 0,33-Liter-Dosen Gin Tonic hinzugekommen.

Das dreiköpfige Schöffengericht bemängelte, dass der Angeklagte reihenweise Gelegenheiten zur Einkehr verstreichen ließ. Der Unfall kurz vor der Autobahnausfahrt Bad Oldesloe hätte schockierend genug gewesen sein müssen, um zur Vernunft zu kommen. „Doch Sie dachten nur ans Abhauen, um nicht als Alkoholsünder erwischt zu werden“, sagte Thiele zu B. Sein Auto war stark demoliert, hatte einen platten Reifen und zwei ausgelöste Airbags.

Heiner B. hatte gelogen, tagsüber zu Hause zu sein

Auch nach einem Leitplanken-Kracher und Beinahe-Unfall direkt an der Abfahrt habe er keinen Schlussstrich gezogen, sondern nur seine „Unentdeckbarkeit“ im Auge gehabt. Den Wagen habe er nicht einfach stehen lassen, sondern im Gewerbegebiet versteckt, und dann den Taxi-Plan umgesetzt.

Um 22.46 Uhr klingelten Polizisten am Haus in Winsen. „Auch da hätte man innehalten und Verantwortung übernehmen können“, so Thiele. Doch B. habe gelogen, dass er den ganzen Tag zu Hause gewesen und sein Auto gestohlen worden sei.

Tage später vertrat er mit seiner damaligen Verteidigerin immer noch die Auffassung, nichts mit dem Unfall zu tun zu haben. In seinem Geständnis am ersten Verhandlungstag habe B. zwar „authentische Reue“ gezeigt. „Aber es ist nicht optimal, wenn man alles erst dann gesteht, wenn es in den Akten bewiesen ist“, so Thiele.

Beteiligte können binnen einer Woche Rechtsmittel einlegen

Das Gericht blieb nur gering unter der Forderung von Staatsanwalt Florian Büchmann, der zweieinhalb Jahre Haft für angemessen hielt. Er sah in B.’s Flucht ein durchdachtes Verhalten. B. sei trotz der 2,5 Promille, die ein Gutachter für den Unfallzeitpunkt errechnet hatte, „recht klar“ gewesen und deshalb nicht vermindert schuldfähig. Er habe nach dem Unfall auch noch fünf Telefonate mit seiner heutigen Verlobten geführt. Zeugen hätten zudem keine größeren kognitiven Beeinträchtigungen wahrgenommen. „Es war wahrscheinlich, dass in der Dunkelheit andere in das Wrack auf der Autobahn hineinfahren würden“, so Florian Büchmann. „Und es war Glück, dass einige Autos noch anhalten oder vorbeifahren konnten.“

Für Nebenklage-Anwalt Henning Jansen, der die Witwe des Opfers aus Bielefeld vertrat, führte „aus präventiven Gründen“ ebenfalls kein Weg an einer Haftstrafe vorbei. „Der Angeklagte ist von Rostock bis zur Kollision gefahren, und dann verliert er sich plötzlich im Nichterinnern“, so der Anwalt. „Das muss er auch so sagen, sonst wäre es ein vorsätzliches Unterlassungsdelikt.“

Für Jansen war nicht nachvollziehbar, dass es kein psychiatrisches Gutachten zur Unterbringung von Heiner B. in einer Entziehungsanstalt gab. Seinen entsprechenden Antrag dazu hatte das Gericht zuvor abgelehnt. Jansen bezeichnete den Angeklagten als „erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit“, da er bei Stress zu Alkohol greife und das nicht vom Autofahren trennen könne.

Angeklagter habe nach Unglück eine Entgiftung gemacht

Verteidiger Jan Langhans sah das vollkommen anders. Sein Mandant habe nach dem Unglück eine Entgiftung gemacht, sei in ambulanter Behandlung beim Hausarzt und einer Psychiaterin, wofür er ein Attest vorlegte. Langhans warf Nebenkläger Jansen „Stimmungsmache“ und „Hetze“ sowie „Schaum vorm Mund“ vor. Auch wenn Heiner B. sofort gestoppt hätte, hätte er die tödliche Folgekollision nicht verhindern können, da der zeitliche Abstand nur sehr gering gewesen sei.

„Mein Mandant hat die Tat aufgrund seiner Alkoholerkrankung begangen“, so Langhans. „Er hat sich falsch verhalten, aber keine perfide kriminelle Energie.“ B. sei nicht vorbestraft, arbeite seit Jahrzehnten als Bankkaufmann, lebe mit seiner Verlobten zusammen. „Wem ist mit einer Haft gedient?“, fragte der Verteidiger, der auf eineinhalb Jahre auf Bewährung und eine dreijährige Führerscheinsperre plädierte.

B. schäme sich „extrem“, das Unglück begleite ihn jeden Tag. Als Zeichen der Entschuldigung hatte der Verteidiger zuvor mit Anwältin Gergana Hüttmann, die die Witwe des Ersthelfers vertrat, eine freiwillige Zahlung von 7600 Euro vereinbart. „Meiner Mandantin geht es nicht um eine lange Strafe“, sagte Hüttmann, „denn das bringt ihren Mann auch nicht zurück.“ Wichtig sei, dass eine so schwere Krankheit wie Alkoholismus nicht allein zu beheben sei.

Gegen das Urteil können die Beteiligten jetzt binnen einer Woche Rechtsmittel einlegen.