Bad Oldesloe. Regionalleitstelle in Bad Oldesloe testet das System bereits. Ersthelfer in der Nähe werden per Smartphone zum Einsatzort gerufen.

Die Integrierte Regionalleitstelle Süd in Bad Oldesloe testet seit Kurzem die Ersthelfer-App „Meine Stadt rettet“. Sie soll dazu beitragen, dass Stormarner im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstands schneller Hilfe bekommen als bisher. „Bei der Wiederbelebung zählt jede Sekunde“, sagt Leitstellenchef Carsten Horn. „Je kürzer das therapiefreie Intervall ist, desto höher sind die Überlebenschancen des Patienten.“

In Deutschland erleiden nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums jährlich mehr als 50.000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Nur jeder Zehnte überlebt den Notfall. Die Behörde schätzt, dass 10.000 weitere Leben gerettet werden könnten, wenn sich mehr Menschen eine sofortige Herzdruckmassage zutrauen würden. Denn bis das alarmierte Rettungsfahrzeug vor Ort ist, dauert es im Durchschnitt neun Minuten. Die gesetzliche Hilfsfrist ist in Schleswig-Holstein mit zwölf Minuten sogar noch länger. Die App „Meine Stadt rettet“ setzt auf die Annahme, dass Ersthelfer oft viel schneller beim Patienten sein und mit der überlebenswichtigen Herzdruckmassage beginnen könnten. Mit einem flächendeckenden Netz von Ersthelfern sei Hilfe in drei bis vier Minuten möglich, heißt es. Die Ersthelfer sollen die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes überbrücken. Jede eingesparte Minute erhöht die Überlebenschance nach Angaben der Regionalleitstelle um zehn Prozent.

Seit 2017 wird das GPS-basierte System bereits in Lübeck genutzt, auch die für die Kreise Pinneberg, Steinburg und Dithmarschen zuständige Elmshorner Leitstelle verwendet die App. Entwickelt wurde sie vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und mehreren Partnern.

Ersthelfer bekommen im Notfall eine Push-Nachricht

So funktioniert das System: Zunächst müssen sich Stormarner die kostenlose App „Meine Stadt rettet“ bei Google Play oder im App-Store von Apple herunterladen. Eine Freischaltung erfolgt jedoch nur, wenn der Retter einen Qualifikationsnachweis vorlegen kann. „Wer eine gültige Erste-Hilfe-Bescheinigung hat, die nicht älter als zwei Jahre ist, kann sich registrieren“, sagt Horn. Akzeptiert werden auch Notfallsanitäter, Rettungsassistenten, Rettungssanitäter, Krankenpfleger und andere Sanitäter mit entsprechendem Ausbildungsnachweis. „Wenn bei uns in der Regionalleitstelle ein Notruf eingeht, fragt das System ab sofort automatisch ab, ob ein registrierter App-Retter in der Nähe ist“, sagt Carsten Horn. „Dieser bekommt dann eine Push-Nachricht mit dem Aufenthaltsort des Patienten.“ Zudem kann er sich über eine Karte die Defibrillatoren in der Nähe anzeigen lassen. Eine Pflicht, jederzeit erreichbar zu sein und jeden Einsatz zu übernehmen, gebe es für die Ehrenamtler nicht. Der Retter müsse aber zu- oder absagen, wenn er angefragt werde. Anschließend besteht auch die Möglichkeit, direkt mit der Leitstelle zu telefonieren.

Seit zwei Wochen nutzt die Integrierte Regionalleitstelle Süd, die neben Stormarn auch für die Kreise Herzogtum Lauenburg und Ostholstein zuständig ist, das System für einen „Test im Echtbetrieb“. Carsten Horn hat bereits ein Informationsschreiben an Rettungsdienste, Feuerwehrverbände und den Katastrophenschutz in den drei Kreisen verschickt, damit diese möglichst viele ihrer Mitarbeiter und Mitglieder zum Mitmachen animieren. „Das System ist einfach gut. Ich hoffe sehr, dass sich viele Menschen registrieren“, sagt Horn zum Abendblatt. „Das erhöht die Chancen, dass im Notfall ein Ersthelfer in der Nähe ist und helfen kann.“

Gesundheitsminister ist Schirmherr des Projekts

Stormarns Landrat Henning Görtz (CDU)
Stormarns Landrat Henning Görtz (CDU) © HA | WAS Stormarn

In den kommenden Wochen soll die Testphase für die App beendet werden und der offizielle Startschuss fallen. „Wir suchen dafür nur noch einen Termin“, sagt Stormarns Landrat Henning Görtz. Die Aktion „mobile Retter“ sei rechtlich, technisch und organisatorisch vorbereitet. „Sie wird dazu beitragen, unseren Kreis noch ein bisschen sicherer zu machen“, sagt Görtz. Das Konzept funktioniere aber nur, wenn sich möglichst viele ausgebildete Ersthelfer bereit erklärten, mitzumachen. „Zudem müssen sich weitere Freiwillige finden, die sich ausbilden lassen“, sagt der Landrat. „Ich bin sicher, dass uns das in Stormarn gelingen wird, denn in unserem Kreis sind Hilfsbereitschaft und bürgerschaftliches Engagement besonders ausgeprägt.“

Schleswig-Holsteins Gesundheitmsminister Heiner Garg
Schleswig-Holsteins Gesundheitmsminister Heiner Garg © picture alliance / Christian Charisius | dpa Picture-Alliance / Christian Charisius

Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg hat die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen. Der FDP-Politiker wünscht sich, dass die Anwendung im nördlich- sten Bundesland flächendeckend eingesetzt wird. Er sagt: „Die Retter-App ist ein Beispiel, wie die Digitalisierung im Gesundheitswesen konkret helfen kann: Durch eine gute Idee, ein einfaches Smartphone und freiwillige Ersthelfer kann mit der App die Zeit zwischen der Verständigung des Notrufes unter 112 bis zum Eintreffen der professionellen Helfer verkürzt werden.“

Erste-Hilfe-Kurse für neue Retter sind geplant

An der grundsätzlichen Rettungskette ändert sich durch das neue System nichts. „Der Rettungsdienst wird in unveränderter Weise alarmiert, die App dient nur als Ergänzung“, sagt Leitstellenchef Carsten Horn. Versichert sind die Helfer bei ihrem Einsatz unter anderem über den Kommunalen Schadensausgleich. Für den Kreis Stormarn kostet die Nutzung der App laut Horn nichts. Die geplante Brigitte-Voss-Stiftung aus Oststeinbek will das Ansinnen aber unterstützen. Sie soll unter dem Dach der Bürger-Stiftung Stormarn gegründet werden und zum Beispiel Erste-Hilfe-Kurse finanzieren, um noch mehr Ersthelfer auszubilden.