Barsbüttel. CDU und SPD bestimmten bis Mai den Kurs der Gemeinde. Die enge Verbindung ist nun gelöst. Das liegt auch an einem neuen Fraktionschef.

Was in Berlin derzeit so gar nicht zusammenpasst, funktioniert in Barsbüttel schon seit der Kommunalwahl im vergangenen Mai nicht mehr: die Große Koalition. Bis dato hatten CDU und SPD eine Mehrheit in der Gemeindevertretung, arbeiteten eng zusammen – ohne Koalitionsvertrag. Auf Geheimtreffen wurde ausgelotet, welche Projekte umgesetzt werden, ohne die anderen Parteien zu berücksichtigen. Nun ist die Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB) stärkste politische Kraft im Ort, benötigt aber auch Partner für das Durchbringen ihrer Vorhaben – und nähert sich den Christdemokraten an, die offen sind und sich von den Sozialdemokraten abkehren. Es ist das Ende einer Polit-Ehe.

Das Auseinanderdriften zeigte sich zuletzt beim Projekt Dorfgemeinschaftshaus im Ortsteil Willinghusen, einer gemeinsamen Idee von Christ- und Sozialdemokraten. Zwei Millionen Euro waren für den Bau eingeplant. Vereine wie der örtliche Sportclub WSC wurden eingebunden, konnten ihre Wünsche äußern. Heraus kam eine Variante, bei der die Immobilie auf 2,6 Millionen Euro geschätzt wurde. „Diese war vor Ort verhandelt und abgesprochen, dann haben CDU und BfB für eine günstigere Lösung gestimmt“, sagt Hermann Hanser von der SPD.

Christdemokraten haben sich nach Wahl personell erneuert

Der 68-Jährige ist seit 2002 Fraktionsvorsitzender und einer der Baumeister der ehemaligen geheimen Großen Koalition in der 13.700-Einwohner-Gemeinde. Neben Hanser gehörten der vertrauten Runde seine Parteikollegen Klaus-Jürgen Krüger, Marion Meyer sowie die CDU-Politiker Volkmar Dietel, Friedrich-Wilhelm Tehge und Wolfgang Böckmann, der bis 2001 SPD-Mitglied war, an. Tehge, früher Polizist und Jahrzehnte in der Gewerkschaft aktiv, ist ein Christdemokrat mit ausgeprägter Sympathie für die Genossen und mit Krüger befreundet.

Nach der Kommunalwahl hat sich die CDU-Fraktion jedoch neu aufgestellt. Dietel ist nicht mehr Fraktionschef. Er und der ehemalige Bürgervorsteher Tehge sind die einzig verbliebenen Gemeindevertreter der Partei aus der vergangenen Wahlperiode. An der Fraktionsspitze steht jetzt Henri Schmidt, der seit 2016 in Barsbüttel lebt und davor lange das Wahlkreisbüro des früheren Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten Jürgen Klimke leitete.

Image der Christdemorkaten wieder aufpolieren

Henri Schmidt ist neuer Fraktionsvorsitzender der CDU in Barsbüttel
Henri Schmidt ist neuer Fraktionsvorsitzender der CDU in Barsbüttel © René Soukup | René Soukup

Der 35-Jährige hat die Aufgabe, das Image der Barsbütteler Christdemokraten wieder aufzupolieren. Denn im Mai schmierte die CDU ab, verlor bei der Wahl 12,7 Prozent und stürzte von Position eins hinter BfB und SPD auf Rang drei. Schmidt, Mitglied der Geschäftsführung eines amerikanischen IT-Unternehmens, sagt: „Offensichtlich ist unser Wahlkreis erzkonservativ, wir haben Stimmen an die Wählergemeinschaft verloren, müssen die Bürger wieder für uns begeistern.“ Unter seiner Regie sind die informellen Treffen mit der SPD ausgesetzt. Würden die früheren Partner die FDP mit ins Boot holen, hätte das Trio in der Gemeindevertretung eine Mehrheit.

Schmidt will sich aber nicht festlegen und ist zu allen Seiten offen. Er sagt: „Ich muss uns ein Profil geben, das sich von den Sozialdemokraten abhebt.“ Inhaltlich habe der Wähler nicht mehr zwischen beiden Parteien unterscheiden können. Gespräche hinter verschlossenen Türen finde er wichtig, diese seien für ihn mit sämtlichen Fraktionen denkbar. Schmidt fügt an, dass er zu den Grünen „einen besonders guten Draht“ habe.

„In der CDU gibt es mehr Diskussionsprozesse“

Über die Verbindung zur BfB sagt der CDU-Politiker: „Mit Fraktionschef Rainer Eickenrodt tausche ich mich aus, wir denken häufig in die gleiche Richtung.“ Von der Wählergemeinschaft gibt es in Sachen personelle Neuausrichtung des Konkurrenten keine negativen Kommentare. „Unter Verhältnis zu den Christdemokraten ist deutlich offener geworden, insbesondere zu den neuen Mitgliedern der Fraktion“, berichtet Eickenrodt. Schmidt sei sehr sachorientiert, das empfinde er als angenehm. „Wir haben eine vernünftige Arbeitsebene erreicht.“ Das Verhältnis zur SPD sei nach wie vor schlecht.

Derzeit befindet sich die CDU noch in der Findungsphase, sagt Friedrich-Wilhelm Tehge, der seinen neuen Fraktionschef als „zielstrebig und kompromissfähig“ beschreibt. Grünen-Politiker Joachim Germer bezeichnet Schmidt als „klug und versiert.“ Er sagt: „Mir fällt auf, dass es in der CDU nun mehr Diskussionsprozesse gibt.“

BfB möchte weniger Potenzialflächen für Wohnungsbau

In der vergangenen Wahlperiode hatten Christ- und Sozialdemokraten einen Neubau des Rathauses am Stiefenhoferplatz erwogen. Das kam bei der Bevölkerung nicht gut an. Nach einem Bürgerentscheid im November 2015 mussten die Planungen eingestellt werden. Sehr zur Freude der Wählergemeinschaft, die auch gegen den neuen Flächennutzungsplan wetterte, den CDU und SPD absegneten. Die BfB möchte weniger Potenzialflächen für Wohnungsbau und mehr grüne Areale erhalten. Dieses Thema hatte sie zu einem Schwerpunkt im Wahlkampf gemacht. Den F-Plan hat das Land übrigens an die Gemeinde zurückgegeben. Der Bereich Lärmschutz muss überarbeitet werden.

Bfb am stärksten

Die Kommunalwahlam 6. Mai kam in Barsbüttel einem politischen Erdbeben gleich. Größter Gewinner war die Wählergemeinschaft BfB. Sie verdoppelte ihren Stimmenanteil nahezu auf 33,4 Prozent. Die SPD kam auf 26,4 (minus 5,7), für die CDU votierten 24,1 Prozent. Fünf Jahre zuvor waren es noch 36,8. Grüne legten von 10,2 auf 12,3 Prozent zu, die Liberalen von 3,0 auf 3,9.

In der Gemeinvertretung, die 23 Köpfe umfasst, stellt die Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel jetzt acht Vertreter. Vor der Wahl waren es vier. Die SPD hat in dem Gremium sechs Sitze (2013 waren es sieben). Der Anteil der CDU-Vertreter ist deutlich geschrumpft von neun auf fünf. Die Grünen sind jetzt mit drei anstatt zwei Politikern stimmberechtigt, die FDP hat nach wie vor einen Sitz.

Durch die neuen Mehrheitsverhältnisse kann die BfB jetzt ihre Vorhaben durchsetzen, wenn sie von Grünen und Liberalen unterstützt wird. Mit nur einem Partner an der Seite kommen für die Wählergemeinschaft Christ- und Sozialdemokraten infrage, um Projekte in der Gemeindevertretung zu beschließen. suk

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