Ahrensburg. Kritik der Woche: Atmosphäre, Musik und Stimmung im Bierzelt – feiern die Ahrensburger ebenso zünftig wie es die Bayern tun ?
Es könnte durchaus als mutiges Unterfangen bezeichnet werden, ein so urbayerisches Ereignis wie das Oktoberfest in den Norden Deutschlands zu transferieren. Das Fest ist hier nicht verwurzelt, nicht gewachsen. Und die Traditionen, auf denen es fußt, sind schlicht nicht vorhanden. Also alles nur ein billiger Abklatsch? Das Abendblatt hat sich mitten ins Getümmel des Ahrensburger Oktoberfests gestürzt, das noch bis Mittwoch, 3. Oktober, andauert. Wie authentisch feiern die Ahrensburger? Wir haben es getestet.
„Die Ahrensburger Innenstadt verwandelt sich zwischen der Großen Straße und dem Rondeel wieder zur Festmeile nach süddeutschem Vorbild“, heißt es im Ankündigungsflyer des Veranstalters. Wer ins Zelt will, muss erst einmal am Sicherheitspersonal vorbei zum Empfangstresen. Dort werden die Gäste vom so gut gelaunten wie freundlichen Serviceteam in Empfang genommen.
Weiß-blau dominiert das rustikale Ambiente: Blaue Stoffbahnen hängen unter dem weißen Zeltdach, die Tischdecken der Biergarnituren sind mit weiß-blauem Rautenmuster überzogen und weiße und blaue Luftballons bilden große Trauben. Es ist dröhnend laut, auf der Bühne an der Stirnseite haut die Band Bertls Buben einen Gassenhauer nach dem anderen raus.
Gäste tragen Trachten oder das, was sie dafür halten
Dass zum Oktoberfest Dirndl und Lederhosen gehören, ist mittlerweile bis nach Ahrensburg vorgedrungen, hat Dirndl-Trägerin Heidi Stille beobachtet. Sie erinnert sich an ihren ersten Besuch der Ahrensburger Oktoberfest-Version, als Trachten noch nicht in der Vielzahl vertreten waren wie heute.
Denn inzwischen werfen sich die meisten Besucher zünftig in Schale – oder das, was sie dafür halten. Die Jeans-Hotpants im Lederhosen-Style, die eine auf einer Bank tanzende Frau mit Snoopy-T-Shirt mit Schriftzug Oktoberfest kombiniert hat, löst mit Sicherheit bei Traditionalisten entweder Kopfschütteln oder Grauen aus.
Alkohol gehört dazu, steht aber nicht im Vordergrund
Allerdings dominieren bei den Damen tatsächlich Dirndl in vielen Längen und Formen von fantasievoll bis stilecht mit Schürze, weißer Bluse und Rocklänge bis übers Knie. Nur wenige Männer sind so wagemutig, mit spitzen Seppelhüten zu erscheinen, bei denen von kleidsam keinesfalls die Rede sein kann. Immerhin tragen einige Lederhosen, dafür sind Karohemden inflationär vorhanden.
Immerhin ist deutlich zu sehen, dass die Ahrensburger Gäste sich in der Großzahl viel Mühe geben, im zum Anlass passenden Outfit zu erscheinen, ohne das Ganze allzu bierernst anzugehen. Die Stimmung im Zelt ist von Anfang an gut und steigert sich im Laufe des Abends. Dabei ist es deutlich, wie viel Spaß alle beim Tanzen, Ratschen, Feiern haben, ganz gleich ob sie zum Veranstalterteam gehören, zur Band oder zum Publikum. Zwar gehört der Alkoholkonsum natürlich auch dazu und die Band ermuntert nach dem Motto „Oans, zwoa, g’suffa“ das Publikum immer wieder, die Krüge zu heben, aber im Vordergrund scheint er in Ahrensburg nicht zu stehen.
Von Ambiente und Musik fühlen sich alle angesprochen
Der Begeisterung der Gäste tut das keinen Abbruch, sie entdecken Bierzelttradition für sich. Erstaunlich viele können den Text des „Kufsteinlieds“ oder von „In München steht ein Hofbräuhaus“ mitsingen – oder mitgrölen. Sogar die ungewöhnliche Mischung aus volkstümlichen Liedern, Schlagern, Alpenrock, Bierzelthits und Hitparade kommt in dieser Atmosphäre bei allen Altersgruppen einfach super an. Steht die Band mal nicht auf der Bühne, läuft Musik vom Band, sind die Hits der 80er nicht weit und gleich strömt die jüngere Generation auf die Tanzfläche. Alles tanzt, und das auf drei Ebenen: Boden, Bänken, Tischen.
Auch wenn das Ahrensburger Oktoberfest nicht mit dem bayerischen Vorbild mithalten kann, braucht es sich nicht zu verstecken: Es bietet Anlass, Spaß mit Freunden zu haben, Bekannte treffen und zu feiern. Und das ist es doch schließlich, was zählt.