Bad Oldesloe. Grüne fordern nach Ärger um ungeleerte Rest- und Bioabfalltonnen die Kommunalisierung. CDU und SPD zeigen sich gesprächsbereit.
Die Stormarner Grünen wollen Konsequenzen aus dem mehrmonatigen Müllchaos in diesem Sommer ziehen. Die Kreistagsfraktion fordert die Kommunalisierung der Müllabfuhr in den beiden Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg. „Der gesamte Betrieb sollte in eigener Regie geführt werden, Fahrzeuge angeschafft und Mitarbeiter eingestellt werden“, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sabine Rautenberg aus Großhansdorf.
So ist die Entsorgung bisher organisiert
Bisher organisiert die Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH, siehe rechts) im Auftrag der Kreise, die weiterhin eine Aufsichtsfunktion haben, die Entsorgung. Sie schreibt die Aufträge aus, sichtet die Angebote und wählt schließlich die Privatfirmen aus. Für den Sechs-Jahres-Zeitraum von 2015 bis 2020 bekam die Grabau Entsorgung GmbH (GEG) aus Geesthacht den Zuschlag für die Leerung der Rest- und Biomülltonnen.
Auch die Lastwagen sollen umweltfreundlicher werden
Die funktionierte lange reibungslos. Doch im April dieses Jahres gab es häufig Verspätungen von mehreren Tagen. Etliche Lastwagenfahrer hatten gekündigt, um wegen besserer Bezahlung die Firma wechseln zu können. Hinzu kam eine Krankheitswelle unter den restlichen Beschäftigten. Bis Juli standen die vollen Tonnen teilweise zwei Wochen an den Straßen, erboste Kunden schimpften über ein Müllchaos. Erst im August normalisierte sich die Lage.
„Die Abfuhrkrise im Sommer hat gezeigt, dass auf die Leistungsfähigkeit externer Partner nicht immer Verlass ist“, so Sabine Rautenberg. „Wenn es zu Störungen kommt, kann der Auftraggeber nicht unmittelbar eingreifen“, sagt sie. Man müsse dem Partner zunächst die Gelegenheit geben, die Störung selbst zu beseitigen. Das Grundproblem: Die AWSH habe zu jeder Zeit einen Blick auf den Vertragspartner gehabt, aber selbst erst mit Verzögerung tätig werden können.
Grüne finden bei CDU und SPD offene Ohren
Für den Grünen-Kreistagsabgeordneten Gerold Rahmann, der Vorsitzender des zuständigen Umweltausschusses ist, ist klar: „Wir müssen die Steuerung der Abfuhr selbst in die Hand nehmen, um jederzeit handlungsfähig zu sein.“ Die Fraktion ist überzeugt, dass die AWSH eine effektive und dienstleistungsorientierte Abfuhr leisten kann und dies zukünftig übernehmen sollte. „Die Kommunalisierung ist für uns die konsequente Weiterführung unserer Forderung zur Kommunalwahl, eine energieeffiziente Fahrzeugflotte für den Abfalltransport einzusetzen“, sagt Sabine Rautenberg.
Die Grünen (zwölf von 64 Sitzen im Kreistag) finden bei den beiden anderen großen Fraktionen CDU (24 Sitze) und SPD (14 Sitze) durchaus offene Ohren. „Man kann über alles nachdenken und sollte alles durchrechnen“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Joachim Wagner aus Oststeinbek. Aber erst dann könne man sich für eine Variante entscheiden. Handlungsdruck sieht er nicht. „Über 20 Jahre hat es ja gut geklappt, da muss man nicht wegen einer Sache in diesem Sommer alles ändern“, so Wagner. „Und wenn einen die Lkw-Fahrer verlassen, hat jedes Unternehmen dieselben Probleme.“ Vorgaben zum Einsatz von besonders energieeffizienten Fahrzeugen könne man auch in der Ausschreibung machen.
Hauptproblem trifft die gesamte Logistikbranche
Das sieht der SPD-Fraktionschef Reinhard Mendel ähnlich. „Wir können über alles diskutieren“, sagt der Tangstedter. „Die von den Grünen genannten Gründe stehen aber nicht zwingend für Veränderungen.“ Deshalb sei das Verfahren „ergebnisoffen“.
Das Hauptproblem – der Mangel an Lkw-Fahrern – treffe die gesamte Logistikbranche. „Es fehlt die Fahrschule der Nation“, sagt Mendel. „Früher machten bei der Bundeswehr viele junge Männer automatisch den Lkw-Führerschein, heute hat den von den Arbeitsuchenden so gut wie keiner.“
FDP ist strikt gegen eine Kommunalisierung
Klar positioniert hat sich bereits die FDP (fünf Sitze). „Wir sind strikt gegen eine Kommunalisierung“, sagt der Fraktionsvorsitzende Karl-Reinhold Wurch aus Bad Oldesloe. Das Thema sei bereits in der Zeit der wochenlangen Verspätungen bei der Müllabfuhr hochgekocht, dann aber nicht weiter verfolgt worden. „Der Betrieb hat sich ja schneller normalisiert als gedacht“, so Wurch. Die FDP ist überzeugt, dass ein eigenes Unternehmen die Aufgabe nicht besser erledigen kann als Private und plädiert dafür, an der europaweiten Ausschreibung festzuhalten.
Ein kommunaler Betrieb minimiere das Risiko keineswegs. „Im Gegenteil“, sagt Wurch, „dann haben wir die Probleme alle zwei Jahre, wenn es bei Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst zu Streiks kommt.“ Der Liberale erinnert sich, dass die Linken-Fraktionsvorsitzende und Gewerkschafterin Heidi Beutin mal gesagt habe, dass die Müllmänner die schärfste Waffe bei Tarifkonflikten seien.
2015 bekamen die Grabauer den Auftrag
Für die AWSH sind viele Wege möglich. „Wir warten die Beschlüsse der Kreistage ab und werden sie dann umsetzen“, sagt Geschäftsführer Dennis Kissel. „Wenn gewünscht, werden wir auch Vor- und Nachteile aller Organisationsformen darlegen.“
Unterdessen bereitet der Aufsichtsrat, dessen Vorsitz Stormarns Landrat Henning Görtz ausübt, die nächste Ausschreibung vor. „Da die Spezialfahrzeuge mindestens acht Monate Lieferzeit haben, muss die Entscheidung Anfang 2020 feststehen“, sagt Görtz. Von 2006 bis 2014 leerte die Firma Otto Dörner die grauen und braunen Tonnen in Stormarn. 2015 bekam die Grabau Entsorgung GmbH den Auftrag.