Ammersbek. Ingeborg Reckling engagiert sich seit Gründung der Gemeinde 1978 für ihre Heimat. Sie war sogar auch 23 Jahre Bürgervorsteherin.
Ganz gelassen. So spricht Ingeborg Reckling über ihren 40-jährigen ehrenamtlichen Einsatz für Ammersbek. So gelassen, wie sie als Bürgervorsteherin 23 Jahre lang die Sitzungen der Gemeindevertreter geleitet hat. Für dieses einzigartige Engagement wird ihr bei einem Festakt heute Abend die Ehrenbürgerschaft verliehen.
Ihre Zurückhaltung bedeutet keineswegs, dass sie nicht sehr stolz ist. „Das ist eine unheimlich tolle Anerkennung“, sagt die 73-Jährige. „Doch in meinem täglichen Leben ändert sich ja nichts.“ Ingeborg Reckling weiß die Dinge einzuschätzen. Und dass Übertreibungen nicht nur bei der Suche nach guten politischen Entscheidungen wenig hilfreich sind.
Früher trafen sich Politiker in Schulen und Kneipen
„Es ist ihrem persönlichen Einsatz mit zu verdanken, dass die ersten 40 Jahre des im Jahre 1978 vollzogenen Zusammenschlusses der Gemeinden Bünningstedt und Hoisbüttel zur Gemeinde Ammersbek erfolgreich waren“, heißt es in der Ernennungsurkunde. 1974 war die in Hamburg-Bramfeld aufgewachsene Reckling mit Ende 20 nach Hoisbüttel gezogen. Bei der Gründung Ammersbeks kandidierte sie für die SPD, in der sie zuvor schon Mitglied war, und zog 1978 sofort direkt in die erste Gemeindevertretung ein.
Weil es keinen eigenen Saal gab, trafen sich die Kommunalpolitiker in Schulen, bei der Kirchengemeinde und in Kneipen. „In der Gaststätte Harms war es so eng, dass die Zuschauer uns im Nacken saßen und alle Unterlagen lesen konnten“, sagt Reckling. Lächelnd fügt sie hinzu: „Die Sitzungen endeten meistens am Tresen.“ In Aktenordnern hat sie mit Protokollen, Notizen und Zeitungsberichten ihr eigenes Archiv aus dieser Zeit angelegt.
Den Bundespräsidenten im Schloss Bellevue getroffen
Dort ist auch ein Artikel über ihre Wahl zur Bürgervorsteherin 1990 abgeheftet. „Damals war es einfacher, Ideen einzubringen. Die Entscheidungen waren greifbarer“, sagt Reckling. Wenn heute über den Wegenutzungsvertrag Strom oder dicke Gebührensatzungen beraten werde, könnten Laien die Tragweite gar nicht mehr abschätzen. „Rechtlich wird alles immer komplizierter, da bleibt nichts anderes übrig, als sich auf die Experten zu verlassen.“
Hinzu komme, dass die Kompromissbereitschaft der Bürger stark abgenommen habe. Ob Bauvorhaben in der Nachbarschaft oder Straßensanierung: Protestinitiativen erschwerten den Weg zu Entscheidungen. Allen Beteiligten koste das Zeit und Nerven.
Schwieriger Moment: Abwahl des Bürgermeisters
Schwierig seien auch die Monate mit der Abwahl von Bürgermeister Paul Niggemann Anfang 2001 gewesen. Die Gemeindevertreter enthoben den Verwaltungschef damals nahezu einstimmig des Amtes. „So etwas macht man nicht jeden Tag“, sagt Reckling gewohnt zurückhaltend. Zuvor hatte es Kritik von Parteien, aber auch Mitarbeitern und Bürgern am Arbeitsstil des Bürgermeisters gegeben.
Die Freude an ihrer Aufgabe hat Ingeborg Reckling trotzdem nicht einen Moment verloren – schließlich lässt sie sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. „Ich hab das immer alles mit viel Spaß gemacht“, sagt sie. Ehe- und Altersjubiläen, Vereinsfeiern und Empfänge habe sie nicht als Pflicht empfunden. „Ich habe die Termine gern wahrgenommen und dabei auch viele Menschen kennengelernt.“
Partnerschaft zu Montoir liegt ihr am Herzen
Wie den beiden Ehrenbürger-Vorgängern liegt ihr die Ammersbeker Partnerschaft zu Montoir besonders am Herzen: Sie hat fast jeden Besuch – traditionell am Himmelfahrtswochenende – miterlebt. Unvergessen sind auch die Verleihung der Freiherr-vom-Stein-Gedenkmedaille für verdiente Kommunalpolitiker im Kieler Landtag (2004) und ein Besuch beim damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck im Schloss Bellevue (2016) in Berlin.
Doch in erster Linie habe sie immer für ihren Heimatort da sein wollen, so Ingeborg Reckling. „Die meisten Menschen denken ja, ein Bürgervorsteher sei so eine Art Bürgerbüro der Verwaltung.“ Deshalb wurde sie regelmäßig auf der Straße oder beim Einkaufen von Einwohnern angesprochen und um Rat gebeten. „Ich habe immer versucht, mich um alle Anfragen zu kümmern und zu recherchieren“, sagt sie.
Freiwilliges Ausscheiden von Reckling
Bei der Gemeindewahl im Mai dieses Jahres ist die ehemalige Hochbau-Ingenieurin, die bis zur Pensionierung 2009 als Planerin in der Hamburger Baubehörde gearbeitet hat, nicht noch einmal angetreten. „Ich hab mir gesagt, dass ich aufhören sollte, bevor mir ein Bürgermeister gegenübersteht, der mein Enkel sein könnte“, sagt sie schmunzelnd. Der erste Ammersbeker Verwaltungschef Werner Schwiderski war auf den Tag genauso alt wie sie.
Nach ihrem freiwilligen Ausscheiden hat Reckling die ersten Treffen der Gemeindevertretung selbstverständlich verfolgt – von einem Stuhl in den Zuschauerreihen. „Das war schon ein komisches Gefühl nach vier Jahrzehnten auf der anderen Seite“, sagt sie.
Das private Gemeindearchiv will jetzt sortiert werden
Die hinzugewonnene Freizeit will die 73-Jährige nutzen, um ihr persönliches Ammersbek-Archiv zu sortieren. Dazu gehören nicht nur Berichte und Protokolle. „Ich habe mit Fotos von Gebäuden auch den Wandels des Dorfes festgehalten“, sagt sie. „Die Bilder müssen beschriftet und geordnet werden.“
Zuvor folgt heute Abend der nächste Rollenwechsel. Über Jahrzehnte verabschiedete Bürgervorsteherin Reckling alle ehemaligen Gemeindevertreter, jetzt gehört sie zu dieser Gruppe. Die neue Ehrenbürgerin wird’s nehmen wie immer: ganz gelassen.