Grönwohld. In einer Serie stellen wir Künstler aus Stormarn vor. Was treibt sie an? Heute: Der 82-Jährige Horst Wohlers aus Grönwohld. Ein Porträt.

Kurz hinter dem Grönwohlder Ortsschild steht ein Gebäude, das für manch einen ein echtes Kunstwerk ist. Für die zuständige Behörde zum Beispiel, die das idyllisch gelegene Bauwerk vor einigen Jahrzehnten unter Denkmalschutz stellte. Vor Hunderten Jahren erbaut, diente es eine lange Zeit als Produktionsstätte für Feindraht, später dann als Papiermühle. Heute allerdings erfüllt die Grönwohlder Drahtmühle einen ganz anderen Zweck – sie ist das Zuhause eines Künstlers und dessen Frau.

Horst Wohlers heißt der Mann, um den es geht. Wer den 82-Jährigen besuchen möchte, muss ungepflasterte Wege passieren und einen bronzefarbenen Türklopfer auf massives Holz schlagen. Wenig später öffnet Wohlers, begrüßt seinen Gast und bittet ihn hinein. „25 Jahre lang haben wir die Drahtmühle restauriert“, sagt der Künstler, während er an einem Tisch in seinem hellen Wohnzimmer Platz nimmt. Vor den Fenstern fließt ein Bach. „1974 ging es los. Mitte der 80er-Jahre waren wir soweit, dass wir einziehen konnten.“

Denkmalbehörde zweifelte an Drahtmühlen-Restaurierung

„Wir“ – das sind Horst Wohlers und seine Frau Helga. Seit 51 Jahren sind die beiden verheiratet. Wie es dazu kam, dass sich das Hamburger Ehepaar ausgerechnet eine Ruine in einer kleinen Gemeinde als neues Zuhause aussuchte? „Ich hatte eine Kommilitonin, die als Restauratorin in Schleswig-Holstein arbeitete“, sagt Wohlers. Sie habe das Gebäude entdeckt. Horst und Helga Wohlers entschieden, die Ruine zu kaufen und sie instand zu setzen. „Die Denkmalschutzbehörde hat gezittert“, sagt Wohlers. „Sie waren sich nicht sicher, ob wir das durchziehen.“

Aber das tat das Ehepaar. „Wir ahnten allerdings nicht, wie viel Arbeit auf uns zukommt“, sagt Wohlers. „Und auch nicht, wie schön es am Ende sein wird.“ Letzten Endes dauerte es ein Vierteljahrhundert, die Drahtmühle zu restaurieren. Ein Langzeitprojekt, das noch immer nicht abgeschlossen sei. „Auf dem Grundstück fallen ständig Arbeiten an“, sagt Wohlers und lächelt. „Es geht immer weiter.“

Das Gröbste hat der 82-Jährige allerdings geschafft. Heute wohnen er und seine Frau in einem Denkmal. Als das Gebäude einzugsbereit war, sei der ehemalige Kreisbaudirektor Burkhard von Hennigs auf Horst Wohlers zugekommen. „Er sagte zu mir: ,Herr Wohlers, jetzt können sie vielleicht die Wassermühle in Trittau in Angriff nehmen.’“, sagt Wohlers und lacht dabei.

Chaos und Ordnung sind die Themen seines Schaffens

Was dem Künstler bei der Restaurierung geholfen hat, war seine berufliche Laufbahn. Im Jahr 1950 begann er in den Ottensener Eisenwerken eine Lehre als Maschinenbauer. „Bis 1963 war ich in diesem Bereich tätig“, so Wohlers. Zur Kunst kam er erst später. „Abends besuchte ich immer Zeichenkurse in der Hamburger Hochschule für Bildende Künste.“ Der dort unterrichtende Professor sprach Wohlers schon bald an, lobte seine Arbeiten und empfahl ihm, sich fortan auf die Kunst zu konzentrieren. Ein Rat, den Wohlers befolgte. Von 1964 bis 1970 studierte er freie Kunst und absolvierte ein Lehramtsstudium. Danach arbeitete er als Kunsterzieher an einem Gymnasium.

Mittlerweile ist Wohlers pensioniert. So bleibt mehr Zeit, die er in seinem Atelier verbringen kann. Dort schafft der Grönwohlder große Faltobjekte, die oft aus PVC-Platten bestehen. Bei der NordArt in Büdelsdorf, einer internationalen Kunstschau, die einmal jährlich über die Bühne geht, präsentiert er sie der Öffentlichkeit. „Weil sie so groß sind, müssen die Skulpturen in einem Lkw dorthin transportiert werden“, sagt Wohlers.

„Das, was man betrachtet, verändert sich“

Einige seiner Werke vermachte der 82-Jährige verschiedenen Institutionen, seine Installationen schmücken etwa Kirchen. Andere bewahrt Wohlers im Keller seiner Drahtmühle auf. Um den zu erreichen, klappt er in seinem Atelier eine Doppelflügeltür auf, die parallel zum Boden liegt und daher ein wenig an eine Falltür erinnert. Hinter ihr kommt eine Treppe zum Vorschein.

Unten angekommen erhält der Besucher einen Eindruck über die Kunst des Horst Wohlers. Große Faltobjekte hängen an Fäden von der Decke, liegen auf Tischen und auf dem Boden. In einer Ecke steht eine Art Holzkasten, in dem zwei mit etlichen Löchern versehene Platten hintereinander montiert sind. Wer sie betrachtet, erkennt in ihnen ein Muster, das sich je nach Perspektive verändert. „Man sieht zwei Dinge gleichzeitig und nimmt so etwas drittes wahr“, sagt Wohlers. „Das, was man betrachtet, verändert sich.“

Und das ist es auch, was der Grönwohlder mit seiner Kunst ausdrücken möchte. „Die Welt ist nur eine Erscheinung“, sagt der Vater eines Sohnes. In seinen Werken setzte er sich schon immer mit „Chaos und Ordnung“ auseinander. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass sich Wohlers so für die Drahtmühle interessierte – seinem vielleicht größten Kunstwerk.

Faltobjekt von Horst Wohlers Foto: HORST WOHLERS Horst Wohlers Die Idee zum Werk:

Horst Wohlers: „Mit meinen Werken möchte ich beim Betrachter einen Standortwechsel erreichen. Er soll merken, dass sich das, was er sieht, je nach Perspektive verändert. Wie etwa meine Faltobjekte erscheinen, hängt von der Art und dem Einfall des Lichtes ab und davon, von wo man sie betrachtet. Das Bild meiner Kunst ändert sich, weil der Beobachter seine Sichtweise ändert. Und so ist es mit allem. Jeder hat seinen eigenen Horizont, die Welt ist nur eine Erscheinung. Das ist es, was ich mit meiner Kunst sagen möchte.“