Bad Oldesloe. Die Brutpaare haben keinen Nachwuchs oder werfen Nachkommen aus Nestern. Störche in Stormarn konnten nur 38 Junge aufziehen.

Zehn Jahre lang haben Störche den Nistplatz in Bünningstedt (Ammersbek) ignoriert. In diesem Frühjahr aber verbreitete der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die fröhliche Kunde, dass dort erstmals ein Weißstorch-Paar zum Nisten eingetroffen sei. Die Nabu-Zentrale hielt diese Nachricht zunächst für Fake-News. Doch dann überzeugten sich weitere Experten von der Anwesenheit der beiden brutbereiten Schreitvögel. Die Hoffnung war groß, dass sich bald Nachwuchs einstellen würde. Babyglück in Ammersbek!

Jetzt aber musste der Nabu Bad Oldesloe verkünden, dass es dieses Mal an zwölf Standorten in Kreis Stormarn gar keine Storchenkinder mehr gibt, darunter auch in Bünningstedt. „Viele Storchenjunge sind durch Nahrungsmangel ums Leben gekommen“, klagt Andreas Hack, Storchenschutz-Gebietsbetreuer in Stormarn Süd-Ost. Er schlägt Alarm und sagt: „Der Klimawandel betrifft nicht nur die Eisbären in der Arktis, sondern zunehmend auch die Weißstörche.“

Anfang des Jahres waren insgesamt 31 Storchenpaare (Vorjahr: 29) aus ihren Winterquartieren nach Stormarn zurückgekehrt. Zwar bewerten Ornithologen diese Zahl als Rekord seit Beginn der regionalen Aufzeichnungen vor 45 Jahren. Dann aber kam der heiße Sommer mit extrem geringen Niederschlägen. Bis heute dauert die Dürre an, die nach Ansicht von Klimaforschern eine Folge des Erdwärmung ist. Während im vergangenen Jahr die kühle Witterung und der Dauerregen den Storchenbabys kräftig zu schaffen machten und die Population dezimierten, verschärfen nun Trockenheit und Hitze den Überlebenskampf im Horst.

Mancher Storch verspeist die eigenen Jungen

Normalerweise ist der Tisch im Frühjahr reich gedeckt. Die Jungtiere verspeisen am liebsten die schnabelgerechten Regenwürmer. Aber in diesem Jahr konnten die Elternvögel kaum welche finden. Wegen der Trockenheit flohen die Würmer in tiefere, feuchte Erdschichten. Weil der Nachwuchs deshalb nicht die bewährte Babykost bekam, spielten sich in den Nestern zunehmend dramatische Szenen ab. „Die schwächsten Jungen wurden von den Eltern aus dem Nest geworfen oder selbst verspeist“, sagt Kerstin Kommer vom Nabu in Bad Oldesloe.

Kerstin Kommer vom Naturschutzbund Bad Oldesloe mit einem Jungtier 
Kerstin Kommer vom Naturschutzbund Bad Oldesloe mit einem Jungtier  © NABU | NABU

Die Natur setzt auf Selektion – auch Weißstörche funktionieren nach diesem Prinzip. Bei einer Dreierbrut werden unter bestimmten Voraussetzungen zwei Jungtiere aus dem Horst geworfen, damit das Dritte überleben kann. Andreas Hack sagt: „Vielerorts gab es daher gar keinen Nachwuchs oder nur ein Junges, das flügge wurde.“

Ganz ohne tierischen Nachwuchs blieben in diesem Jahr im Kreis Stormarn: Bargefeld-Stegen Tonnenteich und Wilhelmshöhe, Bünningstedt, Fischbek, Hammoor, Meddewarde, Neritz, Rümpel, Stemwarde, Tangstedt, Trittau und Wiemerskamp. Über nachhaltigen Bruterfolge können sich unter anderem Papendorf (2), Langelohe (3) und Tremsbüttel (4) freuen. Von den 31 Storchenpaaren haben nur 19 (im Vorjahr waren es 15) erfolgreich Junge aufgezogen. Die Gesamtzahl der Jungen, die in den nächsten Wochen ihre Reise in die Winterquartiere antreten, beträgt 38 (Vorjahr: 33).

Bestand erst ab 1,7 Junge pro Brutpaar gesichert

Somit kommen in diesem Jahr auf ein Brutpaar 1,2 Junge (Vorjahr: 1,1). Das sei der zweitschlechteste Wert seit 25 Jahren, heißt es bei den Naturschützern. Zum Bestandserhalt sei aber ein Durchschnitt von 1,7 Jungen pro Horstpaar notwendig. Die Experten befürchten nun, dass die relativ hohe Sterblichkeit negative Auswirkungen auf die künftige Storchenpopulation auch im Kreis Stormarn haben könnte.

„Wie sich der Klimawandel auf die weitere Entwicklung des Weißstorchenbestandes in Deutschland auswirkt, kann aber noch niemand genau voraussagen“, betont Christoph Kaatz, Sprecher der Nabu-Bundesarbeitsgruppe Weißstorchschutz. Die Zahl der Storchenpaare in Deutschland beträgt rund 6300. Und nach der Hitzewelle in Deutschland steht den Zugvögeln schon die nächste Bewährungsprobe bevor: Auf ihrem Weg nach Spanien und Nordafrika werden sie von Vogelfängern gejagt. Untersuchungen haben ergeben, dass insgesamt etwa drei bis fünf Prozent der Weißstörche Opfer der Verfolgung durch Menschen werden. Eine weitere Gefahr stellen elektrische Freileitungen (Stromschlag) und giftige Chemikalien darf.

In Afrika angekommen, müssen die Weißstörchen erneut mit Dürreperioden zurechtkommen. Wissenschaftler haben inzwischen herausgefunden, dass schlechte Bedingungen im Winterquartier neben höheren Verlusten auch einen verspäteten Rückzug der Vögel in die Brutgebiete und einen verminderten Bruterfolg zur Folge haben.

Sparkassen-Kulturstiftung unterstützt die Vogelschützer

Wenn die Störche Stormarn wieder verlassen haben, gehen die Storchengebietsbetreuer des Naturschutzbundes auf Tour. Mit Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn werden Ende September zehn bis 15 Storchenneste kontrolliert, gereinigt und instandgesetzt. Die Helfer tragen das stark verdichtete Nistmaterial ab und befüllen die Horste mit Holzhackschnitzeln. Außerdem kontrollieren sie die Konstruktion auf ihre Tragefähigkeit, denn schließlich soll in der nächsten Saison allein deswegen kein Junges aus dem Nest fallen. Storchenschutz-Gebietsbetreuer Andreas Hack sagt dazu: „Zu unseren Aufgaben gehört es auch, Fremdkörper wie Plastikfolie und Schnüre zu entfernen.“