Barnitz. In einer neuen Serie stellen wir Künstler aus Stormarn vor. Was treibt sie an? Heute: Janine Gerber

Wenn Janine Gerber vor etwa zehn Jahren einige Schritte aus der eigenen Haustür ging, stand sie mitten in der pulsierenden Kulturmetropole Berlin. Heute lebt sie so weit ab vom Schuss, dass sie sich bei Besuchern auch einmal danach erkundigt, ob sie ihr Zuhause „denn gut gefunden haben“ – offenbar hatte es in der Vergangenheit auch mal Probleme mit der Orientierung gegeben.

Im Jahr 2009 war die Künstlerin von Berlin zunächst nach Lübeck und von dort nach Barnitz gezogen. Hier hat sie mit ihrem Lebensgefährten eine alte Schmiede mit Wohnhaus gekauft, die das Paar liebevoll restauriert hat und seither bewohnt.

Die Schmiede nutzt Janine Gerber als Atelier. Nur ein alter Amboss erinnert noch an die Hitze und Lautstärke, die hier einmal geherrscht haben muss. Heute ist der Raum minimalistisch eingerichtet und hell gestrichen. An den Wänden stehen großformatige Bilder. Auf einem Tisch Töpfe mit Farben, liegen ausgewaschene Quaste. Für jemanden, der aus einer Metropole kommt, ist es hier gespenstisch still. Gerber liebt das. Es passt zu ihrem Temperament: ruhig wirkt sie, ein bisschen zurückhaltend vielleicht, dafür ausgeglichen und freundlich.

Die Künstlerin bietet auch Integrationskurse an

Rückblick auf das Jahr 2008: Janine Gerber ist Anfang 30 und in der Hauptstadt. Sie hat einen begehrten Abschluss der Kunsthochschule Berlin-Weißensee in der Tasche. Sie hat Ideen, ist motiviert, kann ihre Kunst ausstellen. Beste Voraussetzungen. Zum Leben reichen sie – wie bei grob geschätzt 90 Prozent der Kollegen – allerdings nicht. Deshalb gibt es neben der Kunst noch einen Broterwerb. Für den muss die junge Frau in ein historisches Forschungsinstitut – ein Bürojob. „Die Aufgabe war interessant“, sagt sie. Vor allem hat sie aber Zeit gefressen. „Von neun bis 15 Uhr hab ich gearbeitet, danach ging es ins Atelier.“ Später dann: Partys, Ausstellungen, Kontakte knüpfen. Und das bisschen Privatleben, das noch blieb. „Am Ende hatte ich einen richtigen Tunnelblick“, sagt Janine Gerber heute.

In Barnitz genießt sie den Blick in die Weite. 851 Menschen wohnen in der Gemeinde, verteilt auf vier Ortsteile. „Normalerweise ziehen Künstler aufs Land, wenn sie es geschafft haben“, sagt Gerber. Wer weiterkommen will, muss dort hingehen, wo die Galerien sind, Partys und das Publikum – nicht mitten aufs Land. Gerber fährt also in die Großstadt, so oft es geht. Etwa nach Hamburg. Ihrer Kunst helfe aber die Konzentration und die Ruhe. „Den Fahrtweg nehme ich gern in Kauf.“

Von der Großstadt in die ländliche Idylle Stormarns

Auch heute muss die 43-Jährige nebenbei noch Geld verdienen. An drei Tagen gibt sie Integrationskurse für Flüchtlinge in Ahrensburg und Lübeck. Und sie hat Freude daran. Die kommunikative Arbeit im Klassenraum sei eine gute Abwechslung zur eher einsamen Tätigkeit im Atelier – und für die schüchterne Frau zuerst eine ziemliche Herausforderung. „Ich dachte nicht, dass ich das schaffe, aber es läuft gut.“

Alle Serienteile

Teil 1: Heilwig Duwe-Ploog, Malerei

Teil 2: Heinke Both, Malerei

Teil 3: Michael Priebe, Fotografie

Teil 4: Janine Gerber, Malerei

Teil 5: Peter F. Piening, Bildhauerei

Teil 6: Ricky Winter, Malerei

Teil 7: Horst Wohlers, Skulpturen

Teil 8: Hans-Hinnerk Rhode, Grafik/Malerei

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Wenn Janine Gerber vor zehn Jahren einige Schritte aus der Haustür trat, stand sie im Taumel der Großstadt, heute steht sie mit beiden Beinen im Leben. In Barnitz hat die Künstlerin eine Heimat gefunden. Und sie ist nicht die einzige Künstlerin, die es hierher verschlagen hat.

Auch in dem idyllischen Dorf ist gefühlt jeder zweite Nachbar in der Kreativbranche – der Bildhauer Thomas Helbing wohnt hier etwa oder der Maler Friedrich Stellmach. Seit dem Jahr 2004 laden die kreativen Dorfbewohner jedes Jahr zu Himmelfahrt zum „KunstHandFest“ und öffnen für ein Wochenende ihre Ateliers. Wenn Berlin die kulturelle Hauptstadt von Deutschland ist, ist Barnitz die kulturelle Hauptstadt von Stormarn. Zumindest, was bildende Künstler und Kunsthandwerker angeht.

Ihre Installationen seien für Laufkunden kaum interessant

Janine Gerber mag die Veranstaltung, bei der auch Kunsthandwerk ausgestellt wird. Im Jahr 2010 hat sie sich auch selbst beteiligt, in den folgenden Jahren nicht mehr. Laufkundschaft sei für ihre Werke weniger interessant, sagt sie. Nichts gegen Zuschauer. Nur ließen sich Arbeiten einer Goldschmiedin eben einfach besser verkaufen als Installationen aus Papierbahnen oder abstrakte Gemälde.

So zum Beispiel das Bild „Duft des Ackers“. Dass sich ihre Kunst nicht für einen gemütlichen Wochenendeinkauf eignet, stört Janine Gerber nicht. Der Interessentenkreis sei klein, sagt sie. Aber wer Barnitz kennengelernt hat, weiß, dass „klein“ wahrlich nichts Schlechtes bedeuten muss.

Die Künstlerin erklärt die Idee zum Werk:

Janine Gerber: „Duft des Ackers“
Janine Gerber: „Duft des Ackers“ © HA | Sebastian Knorr

Janine Gerber über „Duft des Ackers“: „Auf dem Land erfahre ich die Jahreszeiten unmittelbar. Zum Beispiel den Geruch von umgegrabener Erde des Ackers. Dies inspirierte mich zu dem Bild, in dem ich die Frische und Flüchtigkeit von Geruch wiedergeben wollte, die leichte Kühle der Frühlingsluft, die morbiden Gebilde der Erde. Mit Tusche male ich auf dünnes Chinapapier, das auf einer grundierten Leinwand liegt. Die Pigmente hinterlassen einen Abdruck. Es entstehen feine Linien und eine andere Räumlichkeit als bei direktem Farbauftrag. Mein Wunsch ist, dass der Betrachter seinem Blicken langsam folgt und eine gefühlte Annäherung an die Arbeit entsteht.