Großensee. In einer neuen Serie stellen wir Künstler aus Stormarn vor. Wie kamen sie zur Kunst, was treibt sie an? Heute: Heilwig Duwe-Ploog.

Die Malerei begleitet Heilwig Duwe-Ploog seit mehr als 75 Jahren. Erzählt die 94-Jährige davon, wie ihr Leben verlaufen ist, spricht sie folglich auch über Kunst. Nicht immer von der, die sie mit Pinsel und Farbe auf Leinwände bringt. Sondern auch von der Kunst, eine Familie zu gründen. Oder der Kunst, den Krieg zu überleben. Das ihr letzterer in den Knochen steckt, ist der Großenseerin nicht anzumerken – Duwe-Ploog ist schnell unterwegs. Sowohl auf den Beinen, wenn sie dem Gast in ihrem Haus eine Tasse Kaffee bringt, als auch im Kopf, wenn die Malerin ihre Gedanken sortiert. Ihre Erzählungen macht das umso faszinierender. Die Künstlerin breitet noch eben Kekse auf einem Porzellanteller aus, dann beginnt sie, ihre Geschichte zu erzählen.

Im Jahr 1924 wurde Heilwig Duwe-Ploog geboren. „Ich lebte mit meiner Familie in Wandsbek“, sagt sie. Ihr Onkel war Maler, ihr Vater kunstaffin. Beide nahmen sie als Mädchen zu Ausstellungen mit. „So nahm das dann seinen Lauf. 1941 hab’ ich angefangen, bei den Nazis Kunstmalerei zu studieren.“

An ihrem 18. Geburtstag saß die Malerin im Gefängnis

Duwe-Ploogs Vater verdiente als Arzt sein Geld, besaß in Hamburg eine Praxis. „Und ein Ferienhaus am Großensee“, so die Malerin. „Dort haben wir damals zu verbotener Musik getanzt und uns über Hitler lustig gemacht.“ Auch Studienkollegen seien bei diesen Feiern dabei gewesen. Vielleicht war es einer von ihnen, Duwe-Ploog weiß es nicht, der die Gruppe schließlich verraten hat. „Die Gestapo hat uns dann einen Besuch abgestattet“, sagt Duwe-Ploog. „Meinen 18. Geburtstag verbrachte ich in Haft.“

Nach drei Wochen kam die junge Frau frei. In Hamburg erhielt sie Studienverbot. „Also ging ich nach Weimar, um meine Lehre an der Kunstschule wieder aufzunehmen“, erzählt die 94-Jährige. „Dort wusste man nichts von dem Verbot.“ Das Elternhaus in Wandsbek sei während dieser Zeit vollständig zerstört worden. „Nach dem Fall der Bomben sind wir mit dem Fahrrad auf der noch nicht eröffneten Autobahn in die Stadt gefahren“, sagt Duwe-Ploog. „Es lag alles in Trümmern, das war sehr schlimm.“

Nach dem Krieg setzte Duwe ihr Studium der Malerei an der Kunsthochschule in Lerchenfeld fort. Ihr Lehrer war der bekannte Maler Willem Grimm. Und auch einer von Duwe-Ploogs Kommilitonen, Vicco von Bülow, ist später berühmt geworden – unter dem Namen Loriot.

Duwe-Ploogs drei Kinder sind ebenfalls als Künstler tätig

Ein Auge hatte die Großenseerin allerdings auf einen anderen Studiengenossen geworfen. Er hieß Harald Duwe. „So lernte ich meinen Mann kennen“, sagt die Malerin und lächelt. 1951 heiratete das Künstler-Pärchen. Es bezog das Ferienhaus am Großensee, konnten allerdings kaum von der Malerei leben. „Wir waren arme Leute.“

Die Idee zum Werk

Die Künstlerin erklärt ihr Kunstwerk „Nach dem Fest“: „Ein umgestoßenes Weinglas, zerknüllte Servietten, ein abgenagtes Gänsegerippe und ein längst verlassener Tisch – dieses Gemälde zeigt die Überbleibsel eines Festes.

Der Betrachter soll allerdings nicht nur an das Chaos denken, das er sieht, sondern sich auch fragen, wie das Fest wohl verlaufen sein mag.

Vorab ist es vielleicht alltäglich und undramatisch zugegangen, später vermutlich fröhlich, laut und ausgelassen. Kunst muss Geschichten erzählen.“

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Als der Abstrakte Expressionismus seinen Aufschwung feierte, wurde es für das Ehepaar, das 1952 sein erstes Kind bekam, noch schwieriger. „Gegenständlich und realistisch zu malen war zu dieser Zeit verpönt“, sagt Duwe-Ploog. „Daher erhielten wir nur wenige Aufträge.“ Die finanzielle Lage besserte sich erst, als die Kieler Kunsthochschule Harald Duwe als Professor einstellte. „Daraufhin wurde mein Mann nach und nach bekannter.“

Heilwig Duwe-Ploog unterbricht ihre Geschichte. Über ihren Mann zu sprechen, fällt ihr nicht leicht. Im Juni 1984 ist der Künstler, der sich in Norddeutschland einen Namen machen konnte, tödlich verunglückt. Auf der Rückfahrt von Kiel nach Großensee kam es zu einem tragischen Unfall, bei dem auch ein zweiter Fahrer mit in den Tod gerissen wurde.

Lieblingsmotiv: Badegäste an französischen Stränden

„Mein Mann ist in seinem Wagen verbrannt.“ Der Blick der Malerin schweift in die Ferne. Ganz leise und mehr zu sich selbst sagt sie schließlich: „Das hängt mir immer noch nach.“

Es war ihre Familie, die Duwe-Ploog in dieser Zeit zur Seite stand. Drei Kinder haben Harald Duwe und Heilwig Duwe-Ploog bekommen. Mittlerweile sind Johannes, Katharina und Tobias längst erwachsen, haben eigene Familien gegründet. Ihre Mutter besuchen sie oft. Sie wohnt noch immer in dem Haus am Großensee, in das sie und ihr Mann einst eigenhändig ein großes Atelier gebaut haben. „Wir haben uns gegenseitig inspiriert.“

Badegäste an französischen Stränden gehören zu den Lieblingsmotiven der 94-Jährigen. Ihr Mann und sie haben sich vor vielen Jahren in das Land verliebt und in der Nähe von Avignon ein Haus gekauft – natürlich inklusive eines großen Ateliers. Heute malt die Künstlerin nur noch selten. Auf vielen Gemälden, die in ihrem Haus hängen, ist ihre Mutter zu sehen. Heilwig Duwe-Ploog malte Pauline Ploog essend am Tisch oder lesend in einem Schaukelstuhl. „Meine Mutter wurde 101 Jahre alt“, sagt sie. Auf der Leinwand bleibe sie verewigt. „Das ist das schöne an der Malerei – sie vergeht nicht.“

Alle Teile der Serie

Teil 1: Heilwig Duwe-Ploog, Malerei

Teil 2: Heinke Both, Malerei

Teil 3: Michael Priebe, Fotografie

Teil 4: Janine Gerber, Malerei

Teil 5: Peter F. Piening, Bildhauerei

Teil 6: Ricky Winter, Malerei

Teil 7: Horst Wohlers, Skulpturen

Teil 8: Hans-Hinnerk Rhode, Grafik/Malerei