Ahrensburg. Ministerium schiebt Erhebung unter Jugendlichen zum Thema Sexualität, Alkohol und Schule Riegel vor. Unverständnis bei der Politik.
„Es ist ein Projekt mit Vorbildcharakter für Kommunen in ganz Schleswig-Holstein“, sagt Julia Jastrembski, Geschäftsführerin vom Kinder- und Jugendbeirat (KiJuB) der Stadt Ahrensburg. „Wir wurden gemeinsam mit dem Stadtjugendring dafür ausgezeichnet.“ Seit 20 Jahren wird mithilfe der repräsentativen Umfrage aufgezeigt, was Kindern und Jugendlichen in der Schlossstadt wichtig ist. Und ob es in den Bereichen Freizeit- und Sportangebote, Schule oder Suchtprävention Handlungsbedarf für Verwaltung und Politik gibt. Doch nun steht dieses wichtige Instrument vor dem Aus. Grund sind Auflagen des Bildungsministeriums in Kiel zum Schutz persönlicher Daten.
Ausgelöst wurde der Ärger durch eine Schule in der Stadt. Sie forderte den Kinder- und Jugendbeirat auf, einen offiziellen Antrag beim Bildungsministerium einzureichen. Denn bislang wurde die Umfrage ohne offizielle Genehmigung durchgeführt. Die Antwort aus Kiel: Die Jugendlichen dürfen weiterhin befragt werden, allerdings nur unter Beachtung verschiedener Auflagen. Gestrichen wurden Fragen zu den Themen Sexualität, Profiloberstufe, Alkohol- und Drogenkonsum. Zusätzlich soll die Umfrage nur noch außerhalb der Schulzeit erfolgen. „In nur 15 Minuten haben wir zuvor ein ausführliches Meinungsbild bekommen“, sagt Julia Jastrembski. „Nun ist die Zahl der Teilnehmer seit Wochen gering, obwohl wir den Umfragezeitraum verlängert haben.“ Statt 2000 Jugendlicher füllten bisher lediglich 200 den Fragenkatalog aus.
Letzte Umfrage liegt acht Jahre zurück
Bislang wurden die Daten in den Jahren 1998, 2003 und 2010 erhoben. Und zwar jeweils mit Stift und Papier. Nun gibt es ein 18-seitiges Online-Formular. Die Auswertung übernimmt ein externes Unternehmen. „Ich wünsche mir, dass sich Jugendliche aktiv an der Gestaltung Ahrensburgs beteiligen“, sagt Stadtjugendpfleger Matthias Bollmann. „Denn sie sind die Zukunft der Stadt.“ Er gibt zu bedenken, dass die aktuelle Situation nur in Kenntnis der Wünsche und Probleme verbessert werden kann.
Doch das Bildungsministerium sah in der bisherigen Form die Persönlichkeitsrechte der minderjährigen Schüler gefährdet – und erteilte die Auflage, den Fragenkatalog zu kürzen. „Jede wissenschaftliche Erhebung an einer Schule bedarf der Genehmigung durch das Bildungsministerium. Das ist der reguläre Weg, der durch die Stadt nun zum ersten Mal beschritten wurde“, sagt Pressesprecherin Patricia Zimnik auf Anfrage. „Bei Fragen zur besuchten Schule oder gar sexuellen Neigung sehen wir die Anonymität nicht gewährleistet.“ Wenn Jugendliche Antworten zum Alkoholkonsum freigeben, könne ihnen das später bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz Schwierigkeiten bereiten. „Der KiJuB plant, die Daten zu speichern“, sagt Patricia Zimnik. „Dies ist schwierig und wird durch das Datenschutzgesetz noch verschärft.“
Antworten hätten für Schulen keinen Wert, heißt es aus Kiel
Generell stelle sich die Frage, ob Schulen für das Projekt Unterrichtszeit zur Verfügung stellen müssen. „Wir haben mit einem klaren Nein geantwortet“, sagt Zimnik. „Der Inhalt hat nichts mit der bildungspädagogischen Arbeit zu tun. Es gibt sinnvollere Demokratieprojekte – und die Antworten haben für die Schulen keinen Wert.“
Enttäuscht darüber zeigt sich Bela Randschau (SPD). Der 34 Jahre alte Politiker engagierte sich selbst viele Jahre im Kinder- und Jugendbeirat in Ahrensburg, kennt die Umfrage aus erster Hand. Sie sei eine wichtige Basis für die Arbeit von Politik und Verwaltung, liefere Fakten über die Sorgen und Wünsche junger Ahrensburger. Durch die Umfrage an den Schulen seien in den Vorjahren besonders viele Antworten zusammengekommen. „Es irritiert mich, dass das Projekt jetzt vom Ministerium dermaßen erschwert wird“, sagt Bela Randschau. „Jeder sollte ein ernsthaftes Interesse an den Fakten haben.“ Er stelle sich die Frage, ob es Kiel um Formalismus oder um die Angst vor den Antworten gehe. In der Vergangenheit hätten die Ergebnisse das Stadtgeschehen positiv beeinflusst und die Jugendarbeit verbessert.
Ergebnisse sind laut Politik wichtig für die Jugendarbeit
„Wir haben gesehen, dass die unterschiedlichen Interessen nicht nur Raum, sondern passende Konzepte brauchen, um angenommen zu werden“, sagt Randschau. „Die Jugendarbeit muss verstärkt auf die verschiedenen Zielgruppen eingehen, um sie erreichen zu können.“ Die Umfragewerte hätten die Bedeutung der Jugendarbeit im Bruno-Bröker-Haus oder dem Familienzentrum Blockhaus unterstrichen. Schließungen seien dadurch verhindert worden. „Ahrensburg hat im Bereich Jugendarbeit weniger Probleme als andere Städte“, sagt Randschau. „Handlungsfelder wie der Alkoholkonsum im öffentlichen Raum müssen weiter kenntlich gemacht werden.“ Der Umfragezeitraum wurde nun erneut verlängert. Das KiJuB-Team plant, auch während der Ferien Stimmen zu sammeln.
Wer mitmachen möchte, kann auch auf diesem Wege im Internet teilnehmen:
www.kijub.de/jugendumfrage.php