Glinde/Grosshansdorf. Umfrage des Verbandes VSW. Danach geht es der Mehrheit der Firmen besser als 2017. Fachkräftemangel ist aber noch ein Problem.
In diesem Jahr backt Nicole Reinicke öfter Muffins als je zuvor. Das macht die 54-Jährige immer, wenn sie Mitarbeiter an einen Kunden vermittelt – als Dankeschön und Einstiegsbonbon für die jeweilige Seite. Reinicke betreibt in Großhansdorf die Zeitarbeitsfirma First-Jobservice, hat ihr Personal im Vergleich zu 2017 von 59 auf 73 Köpfe aufgestockt. Alle haben einen unbefristeten Vertrag. Hinzu kommen fünf Damen, die in ihrem 130 Quadratmeter großen Büro arbeiten. Schon im Vorjahr war der Umsatz von 1,7 auf 1,8 Millionen Euro gestiegen. „Beruflich geht es mir gut“, sagt die Chefin und spricht damit aus, was für den Großteil der Unternehmen in Stormarn gilt.
Bestätigt wird dieser Zustand durch die Konjunkturumfrage des VSW (Verband und Serviceorganisation der Wirtschaftsregionen Holstein und Hamburg) mit Sitz in Glinde, dem auch Reinicke angehört. Er hat seine 374 Mitgliedsunternehmen – davon sind 163 in Stormarn ansässig – gebeten, die aktuelle Situation zu beschreiben. 56,8 Prozent sagen, ihre wirtschaftliche Situation sei besser als im Vorjahr. 2017 waren es 48,8 und 2016 48,6 Prozent. 31,8 Prozent machten ihr Kreuz in der Spalte „gleichbleibend“. Eine weitere Zahl, die Dynamik dokumentiert: Ebenfalls 56,8 Prozent haben in den vergangenen sechs Monaten ihre Mitarbeiterzahl gesteigert, 2017 waren es 43 und im Jahr davor 33 Prozent.
Mitarbeitergewinnung fordert höhres Engagement
„In der Gesamtheit aller Faktoren, dazu zählen Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahl, ist zu konstatieren, dass die Wirtschaft in der Region wie nie brummt“, sagt der VSW-Vorsitzende Michael Voigt und impliziert dabei den Zeitraum von 1989 bis jetzt. Der Verband befragt Unternehmen seit 1992. Diese sind auch in Sachen Zukunft optimistisch. 90 Prozent erwarten, dass ihre Auftragslage im zweiten Halbjahr unverändert bleibt oder sogar ansteigt.
Allerdings gibt es auch Probleme, die nicht neu und gravierend sind: den Fachkräftemangel. VSW-Geschäftsführerin Nicole Marquardsen sagt: „Eigentlich ist es das falsche Wort, müsste vielmehr Arbeitskräftemangel heißen, weil das auch für den Bereich der Ungelernten gilt.“ Mitarbeitergewinnung sowie -bindung erfordere ein deutlich höheres Engagement der Unternehmen als früher.
Reinicke hilft Unternehmen, dem Mangel entgegenzuwirken
Inzwischen gewähren 61,4 Prozent der Firmen zusätzliche Leistungen, insbesondere Zuschüsse für die Kindertagesstätte. Auch werden Einkaufs- und Tankgutscheine vergeben. Nicht zu vergessen finanzielle Unterstützung bei der betrieblichen Altersversorgung.
Nicole Reinicke hilft Unternehmen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Und sie muss einfallsreich sein, um Personal für ihre Firma zu rekrutieren. „Wichtig ist vor allem, den Menschen Wertschätzung entgegenzubringen“, sagt sie. Das geht zum einen über das Gehalt. Reinicke zahlt zwischen 120 und 300 Euro netto pro Monat über den Manteltarifvertrag Zeitarbeit – je nach Qualifikation. Sie ist auch bei Beruf & Familie, wo Notfallbetreuung für Kinder angeboten wird. Ihr Kita-Zuschuss beträgt maximal 150 Euro im Monat.
Großhansdorfer Firma zahlt Personal Mallorca-Urlaub
„Zuletzt habe ich einer Mitarbeiterin, die beim Kunden eine Festanstellung bekommen hat, ein E-Bike zum 60. Geburtstag geschenkt“, sagt die First-Jobservice-Chefin. Kosten: 850 Euro. Ihre Bürodamen lud sie im vergangenen Jahr zu einem Kurzurlaub nach Mallorca ein. Reinicke hilft Personal zudem, wenn es Stress in der Familie gibt, brachte eine Frau, die sich mit ihrem Gatten gestritten hatte, vorübergehend in den eigenen vier Wänden unter. Im Großhansdorfer Büro wird mittags immer zusammen gekocht. Reinickes Kunden kommen zu 95 Prozent aus Stormarn. Sie sagt: „Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist so groß, dass ich ihr nicht nachkommen kann.“
Der Ahrensburger Ketchup-Hersteller Hela vermittelt Mitarbeitern zum Beispiel bezahlbare Wohnungen bei der Baugenossenschaft Neue Lübecker, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. VSW-Vorstand Michael Voigt ist einer von vier Geschäftsführern des Unternehmens. Um dem Mangel an Arbeitskräften Herr zu werden, fordert er die Politik zum Handeln auf, sagt: „Ich wünsche mir, dass die Regierung ein vernünftiges Einwanderungsgesetz wie Kanada schafft.“